Normen
ABGB §148
ABGB §174
ABGB §178
ABGB §217
AußStrG §2 Abs2 Z2
AußStrG §9
AußStrG §14
ABGB §148
ABGB §174
ABGB §178
ABGB §217
AußStrG §2 Abs2 Z2
AußStrG §9
AußStrG §14
Spruch:
Zur Frage der Berechtigung eines Minderjährigen zur selbständigen Stellung von Anträgen und Erhebung von Rechtsmitteln im Verfahren außer Streitsachen.
Entscheidung vom 31. Mai 1950, 3 Ob 274/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Über Antrag des ehelichen Vaters der am 8. Jänner 1930 geborenen mj. Helga Sch., Ing. Reinhold Sch., für den im Zuge dieses Verfahrens wegen Anhaltung in einer Heilanstalt für Geisteskranke ein Kurator bestellt wurde, wurde die Minderjährige gemäß § 174 ABGB. vom Pflegschaftsgericht aus der väterlichen Gewalt entlassen. Das Rekursgericht wies den Antrag, die Erklärung des ehelichen Vaters, daß er die Minderjährige aus der väterlichen Gewalt entlasse, zu genehmigen, mit der Begründung ab, daß keine hinreichenden Gründe für die angestrebte Entlassung aus der väterlichen Gewalt vorliegen, die Minderjährige mit einem um 40 Jahre älteren Manne im gemeinsamen Haushalt wohne und Gefahr bestehe, daß bei einer vorzeitigen Entlassung aus der väterlichen Gewalt die Minderjährige trotz des erheblichen Altersunterschiedes eine voreilige Ehe mit diesem Manne schließe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der mj. Helga Sch. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Da für die Minderjährige inzwischen ein Vormund bestellt wurde, war zunächst die Frage zu prüfen, ob die Minderjährige zur Erhebung eines Rechtsmittels ohne Mitwirkung des Vormundes berechtigt sei. Diese Frage ist zu bejahen; die Grundsätze über die Prozeßfähigkeit und die Notwendigkeit gesetzlicher Vertretung können nicht ohne weiteres aus dem Gebiete des Prozeßrechtes auf das Gebiet des Verfahrens außer Streitsachen übertragen werden. Es muß daher einem Minderjährigen das Recht zuerkannt werden, unter Umständen selbständig im Verfahren außer Streitsachen Antrage zu stellen und auch Rechtsmittel zu ergreifen, da sonst ein Minderjähriger, wenn dessen Vater oder Vormund sich der Großjährigkeitserklärung oder Entlassung aus der väterlichen Gewalt ohne hinreichende Gründe widersetzt, diesen Anspruch nicht geltend machen oder gegen eine ablehnende Entscheidung des Pflegschafts- oder Vormundschaftsgerichtes kein Rechtsmittel ergreifen könnte. Die Berechtigung Minderjähriger zur selbständigen Stellung von Anträgen und Erhebung von Rechtsmitteln im Verfahren außer Streitsachen ergibt sich insbesondere aus den Bestimmungen der §§ 148, 178 und 217 ABGB. (s. auch Rintelen, Grundriß, S. 19, und die dort angeführte Literatur; GlUNF. 4762).
In der Sache selbst ist aber der Revisionsrekurs, der sich im wesentlichen gegen die Einstellung der ehelichen Mutter der Minderjährigen dieser gegenüber richtet, unbegrundet. Der Antrag wurde lediglich damit begrundet, daß der eheliche Vater sich in Salzburg aufhalte und daher die in Wien wohnende Minderjährige weder beaufsichtigen noch erziehen könne. Da die väterliche Gewalt des ehelichen Vaters infolge seiner Anhaltung außer Wirksamkeit getreten und daher ein Vormund zu bestellen ist, sind die Gründe, auf die sich der Antrag stützt, in Wegfall gekommen. Es wird vielmehr Sache des Vormundschaftsgerichtes sein, einen in Wien wohnenden Vormund zu bestellen, der die Minderjährige beaufsichtigen kann. Im übrigen sind auch die vom Rekursgericht gehegten Bedenken gegen die vorzeitige Entlassung aus der väterlichen Gewalt durchaus begrundet. Die Minderjährige wohnt mit einem um 40 Jahre älteren Mann, der derzeit über kein Einkommen verfügt, im gemeinsamen Haushalt und beabsichtigt, mit diesem die Ehe zu schließen. Da sie ein Vermögen zu erwarten hat, besteht der dringende Verdacht, daß die Eheschließung seitens des Mannes nur aus finanziellen Gründen angestrebt wird. Außerdem gibt auch der große Altersunterschied Anlaß zu Bedenken.
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