Normen
ABGB §294
ABGB §302
ABGB §810
AußStrG §2 Abs2 Z7
AußStrG §145
GewO 1994 §55
ABGB §294
ABGB §302
ABGB §810
AußStrG §2 Abs2 Z7
AußStrG §145
GewO 1994 §55
Spruch:
Das Eigentum an Unternehmen ist kein Akzessorium des Rechtes zum Gewerbebetrieb und geht nicht auf den jeweiligen Gewerbeinhaber über.
Vor der Einantwortung hat das Abhandlungsgericht im außerstreitigen Verfahren über Streitigkeiten unter den Miterben über die Verwaltung des Nachlasses und Rechnungslegung zu entscheiden.
Entscheidung vom 22. März 1950, 1 Ob 114/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der am 10. August 1923 verstorbene Schmiedemeister Johann C. hat in seinem dem Abhandlungsverfahren zugrunde gelegten Testament vom 4. Dezember 1912 seine Frau Karoline C. zur Erbin der Hälfte seines Vermögens und seine drei Kinder zu je einem Sechstel zu Erben eingesetzt. In dem Testament wird bestimmt, daß zu dem erblasserischen Vermögen auch das von ihm betriebene Wagner- und Schmiedegeschäft gehört, welches nach seinem Tode von seiner Frau, insolange es ihr Wunsch ist, weiterbetrieben werden soll. Im Punkt II des Testamentes wurden die erblasserischen Kinder zu gleichen Teilen in Ansehung des Vermögens, das beim Ableben der erblasserischen Witwe Karoline C. von dem ihr auf Grund dieses Testamentes angefallenen Vermögen noch vorhanden sein sollte, substituiert.
In dem am 13. August 1925 zwischen der erblasserischen Witwe und den drei erblasserischen Kindern getroffenen Erbteilungsübereinkommen wurde vereinbart: "daß im Hinblick auf den im Testamente geäußerten Wunsch des Erblassers, der erblasserischen Witwe, Frau Karoline C., zum Zwecke des Fortbetriebes des erblasserischen Wagner- und Schmiedegeschäftes für ihre eigene Rechnung die Nutznießung an den den drei erblasserischen Kindern erblich zugekommenen je ein Sechstel-Anteilen an der Geschäftseinrichtung, den Maschinen und den Werkzeugen und die Verwendung des vorhandenen Materials für ihre, der erblasserischen Witwe, Lebensdauer ohne jedes Entgelt gegen die Verpflichtung eingeräumt wird, die Geschäftseinrichtung, die Maschinen und die Werkzeuge stets im guten gebrauchsfähigen Zustand, abgesehen von der durch den ordentlichen Gebrauch naturgemäß erfolgenden Abnützung, zu erhalten und gegen die Verpflichtung, das beim Ableben des Erblassers vorhanden gewesene Material stets rechtzeitig und in gleicher Qualität derart zu ergänzen, daß bei ihrem - der erblasserischen Witwe - Ableben mindestens die Hälfte des beim Ableben des Erblassers hinterbliebenen Materials, entsprechend ihrem - der erblasserischen Kinder - Eigentum an der Hälfte dieses Materials vorhanden zu sein habe, unbeschadet der Beobachtung der Bestimmung des erblasserischen Testamentes in Ansehung des Substitutionsvermögens ...".
Die erblasserische Witwe hat auf Grund dieses Übereinkommens das Unternehmen unter der Firma "Autofedernerzeugung Johann C. Wwe." als Witwenbetrieb weitergeführt; Geschäftsführer war zunächst 1923 bis 1929 Anton B. und seit dessen Tod (1929) der erblasserische Sohn Johann C. (jun.).
Die am 29. Dezember 1945 gestorbene erblasserische Witwe Karoline C. hat in ihrem am 2. Dezember 1943 erklärten letzten Willen bestimmt:
"Ich wünsche, daß meine Kinder an dem von mir betriebenen Geschäftsunternehmen, Autofedernschmiede, nach meinem Ableben gleichteilig beteiligt sind und dieses Geschäftsunternehmen allenfalls in Gesellschaftsform gemeinsam weiterführen, und zwar unter der Geschäftsführung meines Sohnes Johann C. mit einer entsprechenden Entlohnung für dessen Tätigkeit als Betriebs- und Geschäftsführer."
Seit dem Tode der Karoline C. wird das Unternehmen von Johann C. (jun.), u. zw. auf Grund eines auf seinen Namen lautenden Gewerbescheines, geführt.
Die erblasserischen Kinder haben zu je einem Drittel die bedingte Erbserklärung auf Grund des Testamentes von Johann C. (sen.) vom 4. Dezember 1912 zum Substitutionsnachlaß abgegeben, die vom Nachlaßgericht angenommen wurde. Gemäß § 145 AußstrG. wurde den drei erbserklärten Kindern Karoline Z. geb. C., Rosa C. und Johann C. die Besorgung und Verwaltung des Substitutionsnachlasses überlassen.
Hierauf beantragte die Miterbin Rosa C., den erblasserischen Sohn Johann C. aufzufordern, der erblasserischen Tochter Rosa C. zu Handen ihres Pachthabers binnen vier Wochen Abrechnung über das von ihm seit dem Todestag der erblasserischen Witwe Karoline C. bis heute geführte Unternehmen "Autofedernerzeugung Joh. C.'s Wwe." zu legen. Sollte diese Frist fruchtlos verstreichen, so sei ein beeideter Buchprüfer zu bestellen.
Das Erstgericht hat diesen Antrag bewilligt. Das Rekursgericht wies infolge Rekurses des erblasserischen Sohnes Johann C. den Antrag ab, im wesentlichen mit folgender Begründung:
Ein Unternehmen sei grundsätzlich vererblich. Das Recht an ihm sei in der Regel kein höchstpersönliches. Im gegebenen Falle müsse aber nach dem Sachverständigengutachten auf Grund des Gewerbescheines angenommen werden, daß das in Rede stehende Gewerbe ein handwerksmäßiges sei und und daß Johann C. jun. es auf Grund seines eigenen Meisterrechtes und einer eigenen Gewerbeberechtigung nach dem Tode seiner Mutter neu eröffnet habe. Es liege im Wesen handwerksmäßiger Gewerbe, daß sie an die Person des Gewerbeberechtigten gebunden seien. Selbst wenn daher Johann C. aus dem Nachlaß seiner Eltern materielle und ideelle Werte übernommen habe, die deren Unternehmen gebildet haben, habe er sie in ein eigenes neues eingebracht. Die Antragstellerin Rosa C. könne daher allenfalls verlangen, daß bei der Inventur und Schätzung und bei der nachfolgenden Teilung des Nachlasses die aus dem Unternehmen der Eltern stammenden Werte - allenfalls auch die ideellen - als Ganzes in Anschlag gebracht werden (so auch SZ. X/116), doch könne sie nicht Rechnungslegung über den Betrieb des neuen Unternehmens ihres Bruders begehren, in das er diese eingebracht habe (SZ. VIII/203 am 3. Juni 1945 vor dem Bürgermeister ein Nottestament gemäß Johann C. sen. und auch nicht zum Nachlasse der Karoline C. gehöre.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Rosa C. Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Favoriten vom 19. August 1925 wurde der Nachlaß des Johann C. sen. der erblasserischen Witwe zur Hälfte und den erblasserischen Kindern zu je einem Sechstel eingeantwortet. Da das von Johann C. betriebene Wagner- und Schmiedegeschäft gleichfalls zum Nachlaß gehörte, so sind durch die Einantwortungsurkunde die erblasserischen Kinder zu je einem Sechstel und die erblasserische Witwe zur Hälfte Miteigentümer dieses Unternehmens geworden, letztere belastet mit der testamentarisch verfügten fideikommissarischen Substitution zugunsten der erblasserischen Kinder. Der Annahme eines Miteigentums im Sinne der Einantwortung vom 19. August 1925 steht auch das Erbteilungsabkommen vom 13. August 1925 nicht entgegen, weil durch dieses der erblasserischen Witwe nur die lebenslängliche Nutznießung am Unternehmen eingeräumt wurde, ohne daß dadurch das gemeinsame Eigentum beseitigt worden wäre. Die Erbteilungsurkunde spricht zwar nur ausdrücklich von der unentgeltlichen Überlassung der Betriebseinrichtung auf Lebenszeit an die Witwe, doch ist das bedeutungslos und offenbar nur darauf zurückzuführen, daß die ältere Juristengeneration im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts noch nicht klar erkannt hatte, daß das Unternehmen an sich ein vererbliches Nachlaßobjekt bildet und nicht mit den einzelnen zum Unternehmen gehörigen Nachlaßsachen identifiziert werden darf (SZ. X/116). Der Zweck des Erbteilungsabkommens ist klar; die erblasserische Witwe sollte die Nutzung des Unternehmens auf Lebenszeit haben. Aus dem Umstand, daß ausdrücklich betont wurde, daß den erblasserischen Kindern ihre Eigentumsquote an den zum Betriebe des Unternehmens gehörigen Sachen vorbehalten bleiben sollte und daß die erblasserische Witwe ausdrücklich verpflichtet wurde, die Kinderhälfte unversehrt zu erhalten, muß gefolgert werden, daß die Parteien durch dieses Abkommen das Miteigentum aller Erben nach Johann C. sen am Unternehmen unberührt lassen wollten. Das bedeutet, daß infolge des Wegfalles des Nutzungsrechtes der Karoline C. durch ihr Ableben am 29. Dezember 1945 die ein Sechstel Anteile der erblasserischen Kinder am Unternehmen von der Belastung frei geworden sind und nunmehr unbelastetes Miteigentum der drei erblasserischen Kinder bilden. Die zweite Hälfte bildet einen Bestandteil des Substitutionsvermögens, das Gegenstand der derzeit noch nicht abgeschlossenen Substitutionsabhandlung ist.
An dieser Rechtslage ändert auch die Tatsache nichts, daß die erblasserische Witwe das Unternehmen als Witwenbetrieb fortgeführt hat und daß nunmehr Johann C. jun. das Unternehmen mit einem eigenen Gewerbeschein betreibt. Das Recht zum Gewerbebetrieb im Sinne der Gewerbeordnung ist mit dem Recht am Unternehmen nicht wesensgleich. Das Eigentum am Unternehmen und an der Konzession usw. fallen nicht notwendigerweise zusammen. Insbesondere bei Gesellschaftsverhältnissen ist es überaus häufig, daß nur ein Gesellschafter die gewerbebehördliche Ermächtigung zum Betrieb besitzt und daß die Gesellschaft mit seinem Gewerbeschein das gemeinsame Unternehmen betreibt. Der Gewerbeberechtigte muß auch nicht notwendigerweise Gesellschafter sein, soweit die Gewerbeordnung sich mit der Namhaftmachung eines angestellten Geschäftsführers begnügt (§ 55 GewO.). Es ist daher rechtsirrig, wenn das Rekursgericht im Anschluß an die Entscheidung vom 23. Juni 1926, SZ. VIII/203, die der Oberste Gerichtshof nicht mehr aufrechtzuhalten vermag, annimmt, daß das Eigentum am Unternehmen ein Akzessorium des Rechtes zum Gewerbebetrieb sei und auf den jeweiligen Gewerbeinhaber übergehe. Der Umstand, daß Johann C. jun. angeblich eigenmächtig sich einen Gewerbeschein auf eigenen Namen ausstellen ließ und damit das Unternehmen betreibt, kann seinen mitberechtigten Geschwistern ihr ererbtes Recht am Unternehmen nicht entziehen, sowenig wie die eigenmächtige Besitznahme einer zur Erbschaft gehörigen Sache.
Da der Substitutionsnachlaß bisher nicht eingeantwortet worden ist, so stehen die Substitutionserben hinsichtlich der ihnen nach dem Tode ihrer Mutter angefallenen Substitutionsmasse in Erbengemeinschaft, hinsichtlich der anderen Hälfte in Gemeinschaft im Sinne des 16. Hauptstückes des zweiten Teiles des ABGB. Hinsichtlich der einen Hälfte können sie daher Rechnungslegung nur im Klagewege verlangen, soweit sie in Erbengemeinschaft stehen dagegen nur im Außerstreitverfahren (SZ. VIII/5). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß den Substitutionserben die Besorgung und Verwaltung des Substitutionsnachlasses überlassen worden ist, weil sie insoweit nur den Nachlaß vertreten und nicht sich selbst und daher nach wie vor der Aufsicht des Abhandlungsgerichtes unterliegen, das daher allein über Streitigkeiten der Miterben über die Verwaltung und daher auch über die Rechnungslegung im Streit- oder Außerstreitweg begehren wollen. Sie konnten, soweit sie Miteigentümer am Unternehmen sind, auf Rechnungslegung klagen; sie konnten aber anderseits auch beim Abhandlungsgericht beantragen, daß dieses kraft seines Aufsichtsrechtes den die Geschäfte tatsächlich führenden Miterben zur Rechnungslegung anhalte. Wenn die Antragstellerin den letzteren einfacheren Weg des Außerstreitverfahrens unter Berufung auf ihre Miterbenqualität (an der Substitutionsmasse) eingeschlagen hat, so hat der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß, dem entgegenzutreten.
Es mußte daher dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der erstinstanzliche Beschluß wiederhergestellt werden.
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