OGH 2Ob491/49

OGH2Ob491/4916.11.1949

SZ 22/177

Normen

ABGB §91
ABGB §509
ABGB §521
ABGB §572
ABGB §758
ABGB §796
ABGB §901
ABGB §1217
ABGB §1227
ABGB §1266
ABGB §1323
EheG §46
EheG §75
ABGB §91
ABGB §509
ABGB §521
ABGB §572
ABGB §758
ABGB §796
ABGB §901
ABGB §1217
ABGB §1227
ABGB §1266
ABGB §1323
EheG §46
EheG §75

 

Spruch:

Der Fruchtgenuß an einer Liegenschaft oder an einem ideellen oder physischen Anteil einer solchen kann Gegenstand eines Ehepaktes sein.

Löschung des Fruchtgenußrechtes zufolge Scheidung der Ehe.

Entscheidung vom 16. November 1949, 2 Ob 491/49.

I. Instanz: Bezirksgericht St. Veit a. d. Glan; II. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Beklagte war vor ihrer Eheschließung mit dem Kläger von ihrem ersten Gatten geschieden und bezog von diesem einen Unterhalt. In den Ehepakten vom 13. Dezember 1939 räumte der Kläger der Beklagten auf ihre Lebensdauer Fruchtnießungs- und Mitbenutzungsrechte an dem Erdgeschoß seines Hauses ein. Die Ehe der Streitteile wurde in der Folge aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten für geschieden erklärt. Der Kläger begehrte u. a. die Verurteilung der Beklagten zur Räumung der von ihr in seinem Haus benützten Räumlichkeiten und zur Einwilligung in die Einverleibung der Löschung der zu ihren Gunsten auf seiner Liegenschaft sichergestellten Dienstbarkeit des Fruchtgenusses und Gebrauches.

Das Prozeßgericht hat diesen Teil des Klagebegehrens abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof änderte das Urteil des Berufungsgerichtes ab und gab dem Klagebegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den Untergerichten ist darin zuzustimmen, daß der Auslegung des Notariatsaktes vom 13. Dezember 1939 prozeßentscheidende Bedeutung zukommt und daß diese Auslegung infolge seiner Unklarheit und inneren Widersprüche auf Schwierigkeiten stößt. Der Oberste Gerichtshof vermag jedoch der Rechtsansicht der Unterinstanzen nicht zuzustimmen.

Vor allem ist die Ansicht der Unterinstanzen unzutreffend, daß im vorliegenden Falle der Zuwendung des Klägers die Momente der Unentgeltlichkeit und der Bereicherung des Beschenkten, wenn man eine solche überhaupt als zum Wesen einer Schenkung gehörend erachtet (vgl. dagegen Ehrenzweig, II/1, S. 365), fehlen. Der Begriff der Gegenleistung schließt eine Leistung in sich, die der Empfänger dem Schenker selbst oder doch wenigstens zu seinen Gunsten oder für seine Rechnung an einen von ihm bezeichneten Dritten erbringt. Die sogenannte Aufgabe der der Beklagten bisher gegen ihren ersten Ehemann zugestandenen Unterhaltsansprüche erfolgte nicht zugunsten des Klägers, noch auf dessen Aufforderung; sie stellt in keiner Weise einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil für ihn dar, der ihn bestimmen konnte, der Beklagten die im Notariatsakte verbrieften Zuwendungen zu machen. Das Berufungsgericht ist sich dieser fundamentalen Schwierigkeit seiner Konstruktion bewußt und versucht, sie durch den Begriff einer Leistung im "weiteren Sinn" zu umgehen. Ein solcher Unterschied findet im Gesetz keine Stütze und es ist nicht einzusehen, wieso das angebliche Opfer der Beklagten dem Kläger zugute gekommen sein soll. Dieser mußte ja im Gegenteil nunmehr gemäß § 91 ABGB. die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten übernehmen, erfuhr also eine Vermögensverminderung, nicht eine als Opfer der Beklagten anzusehende Vermehrung durch Empfang einer Leistung. Es ist auch unrichtig, immer von einer "Aufgabe von Rechten und Ansprüchen" durch die Beklagte zu reden. Denn der Verlust des ihr bisher auf Grund gerichtlicher Entscheidungen zugestandenen Unterhaltsanspruches war eine vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge der Wiederverehelichung, die nunmehr in § 75 EheG. ausdrücklich normiert ist, aber auch schon nach dem ABGB. zweifellos als notwendige Rechtswirkung der Wiederverehelichung einer geschiedenen, bzw. getrennten Ehefrau von Lehre und Rechtsprechung anerkannt war.

Damit fällt die ganze Konstruktion von der "Entschädigung" der Beklagten für angeblich aufgegebene Ansprüche zusammen. Sie hatte kein Recht auf eine solche Entschädigung für etwas, was sie nach dem Gesetz mit der Eingehung einer zweiten Ehe und Begründung einer neuen Unterhaltspflicht verlor. Der Ersatz für die verlorenen Alimentations- (und Pensions-) Ansprüche gegen ihren ersten Ehegatten lag, soweit der Unterhalt in Frage kommt, in der Begründung eines neuen, gegen den Kläger gerichteten Unterhaltsanspruches. Für den Pensionsverlust bildet die als ehegüterrechtliche Zuwendung anzusehende Versorgung der Beklagten laut Punkt Erstens des Notariatsaktes die entsprechende Kompensation, ohne daß hier von einer Entgeltlichkeit die Rede sein könnte. Denn es besteht kein rechtlicher, sondern höchstens ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Versorgungsverhältnissen auf Grund der geschiedenen ersten Ehe und den durch den Notariatsakt in Absicht auf die zweite Ehe geregelten.

Auch die Bereicherung der Beklagten ist gegeben, da sie ohne die Errichtung des Notariatsaktes nach dem Ableben des Klägers nur Anspruch auf das gesetzliche Erbrecht, das Vorausvermächtnis des § 758 ABGB. und den anständigen Unterhalt nach § 796 ABGB. hätte erheben können, aber kein Wohnrecht im eigenen Haus des Erblassers beanspruchen konnte. Durch Punkt Erstens, Ziffer 1, wurde ihr nun ein lebenslängliches Fruchtgenuß- und Mitbenützungsrecht am Erdgeschoß des klägerischen Hauses und an den Nebenräumen sowie am Hausgarten eingeräumt, das ihr Wohnungsbedürfnis zu decken bestimmt war, so wie die Kapitalszuwendung zu Ziffer 2 ihren Unterhalt wenigstens teilweise sichern sollte. Von einer Bereicherung könnte nur dann nicht gesprochen werden, wenn die der Beklagten auf Grund des Urteiles des Amtsgerichtes Fürth vom 1. Februar 1939 zustehende Unterhaltsforderung von 50 RM monatlich, bzw. die ihr nach dem Ableben ihres ersten Gatten gegebenenfalls zufallende Witwenpension einen höheren Geldwert repräsentierten als die im Notariatsakte vom 13. Dezember 1939 gewährten, bzw. zugesagten Zuwendungen. Dies ist nicht einmal behauptet worden.

Von einer Schenkung kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, weil dieser Rechtsbegriff hier vor dem der Ehepakte zurückzutreten hat. Es handelt sich um ein Abkommen, durch welches güterrechtliche Verhältnisse während der Ehe und für die Zeit nach ihrer Beendigung, die von den Parteien nur als eine durch den Tod eines Ehegatten herbeigeführte Trennung in Aussicht genommen und erfaßt wurde, geregelt werden sollten. Ihr Zweck lag also nicht primär in der Belohnung der Beschenkten, noch in der Erfüllung einer sittlichen Pflicht, sondern der Kläger wollte die Beklagte teils während der Ehe, teils für den Fall ihres Witwenstandes sicherstellen. Von einer Leistung dafür, daß die Beklagte überhaupt mit ihm die Ehe eingehe, kann nicht gesprochen werden. Eine solche wäre auch als dem Wesen der Ehe und der völligen Freiheit des Ehewillens widersprechend als unsittlich und ungültig zu erachten. Es trägt demnach das Abkommen, das mit Recht mit der Überschrift "Ehepakte" versehen ist, zu Unrecht aber sogleich im weiteren von einer Schenkung spricht, den Charakter einer ehegüterrechtlichen Vereinbarung. Wenn die Berufungsinstanz das Vorliegen von Ehepakten deswegen ausschließt, weil der Vertrag nicht das ganze Vermögen oder einen davon "abzuschichtenden" Teil betreffe, ist diese Ansicht unrichtig. Die in § 1217 ABGB. gegebene Aufzählung ist, wie das Wort "vorzüglich" erkennen läßt, nur eine beispielsweise, und es gehört jeder Vertrag, der die vermögensrechtlichen Beziehungen der Gatten (oder Brautleute) während und nach der Ehe regelt, unter den Begriff der Ehepakten, auch wenn nicht ein ganzes Vermögen, ein aliquoter Bruchteil oder ein "abzuschichtender" Teil, wie das Heiratsgut, die Widerlage oder Morgengabe, den Vertragsgegenstand bildet. Der Fruchtgenuß an einer Liegenschaft oder an einem ideellen oder physischen Anteil einer solchen kann ebensogut Gegenstand eines Ehepaktes sein wie der am ganzen Vermögen oder einem Teil davon (§ 1227 ABGB.), da ja z. B. ein Fruchtgenuß- oder Wohnungsrecht im Sinne des § 521, erster Satz, ABGB. (und um ein solches, nicht um einen Wohnungsfruchtgenuß nach § 521, dritter Satz, handelt es sich hier) den Gegenstand eines Heiratsgutes bilden kann (vgl. Ehrenzweig, II/2, S. 161).

Es ist also gar nicht nötig, mit dem immer fragwürdigen und schwierigen Begriff eines ungeregelten Vertrages (vgl. Ehrenzweig, II/1, S. 181) zu operieren, da die bestehenden Typen hier vollkommen ausreichen.

Gewiß können an und für sich Schenkungen auch in den Rahmen eines Ehepaktes aufgenommen werden und unterliegen dann den schenkungsrechtlichen, nicht den ehegüterrechtlichen Normen (vgl. Klang, III, S. 859). Aber es wurde schon dargelegt, daß es sich hier nicht um eine mit Rücksicht auf eine Ehe gemachte und darum allenfalls mit ihrer Aufhebung nach §§ 572, 901 ABGB. für ungültig zu erklärende Schenkung, sondern um eine echte ehegüterrechtliche Zuwendung handelt.

In diesem Falle finden für den von den Parteien im Vertrag nicht behandelten Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung (im Sinne der §§ 46 ff. EheG.) die Bestimmungen des § 1266 ABGB. Anwendung. Dem schuldlosen Teil bleiben demnach die Rechte aus dem Ehepakt gewahrt; er kann aber auch, wenn er es vorzieht, dessen Aufhebung begehren. In diesem Fall gebührt ihm volle Genugtuung, d. h. zunächst im Sinne des § 1323 ABGB. die Zurückversetzung in den vorigen Stand und Zurückgabe der in den Ehepakten dem schuldigen Teil gewährten Vermögenszuwendungen. Die Ehe der Prozeßparteien wurde nun mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. Jänner 1944 aus dem Alleinverschulden der Beklagten wegen Ehebruches mit M. P. geschieden, ihre Widerklage abgewiesen. Diese Tatsache allein berechtigt nach § 1266 ABGB. den Kläger zur Stellung seiner Klagebegehren. Die Einwendungen der Beklagten sind ganz gegenstandslos, weil ihr Alleinverschulden an der Ehescheidung rechtskräftig feststeht und damit auch die ehezerrüttende Wirkung des Ehebruches dargetan ist. Die Beklagte muß daher sowohl in die Löschung der ihr eingeräumten Wohnungsdienstbarkeit willigen als auch das bewohnte Objekt räumen.

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