OGH 3Ob293/48

OGH3Ob293/488.9.1948

SZ 21/126

Normen

ABGB §93
EheG §49
EheG §50
EheG §55
EO §382 Z8
ABGB §93
EheG §49
EheG §50
EheG §55
EO §382 Z8

 

Spruch:

Einem Antrag, den anderen Eheteil zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu verhalten, ist ohne Überprüfung der Weigerungsgrunde des anderen Teiles stattzugeben, solange kein abgesonderter Wohnort bewilligt worden ist.

Entscheidung vom 8. September 1948, 3 Ob 293/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die erste Instanz trug dem Antragsgegner auf, seine Ehegattin, die Antragstellerin, binnen 14 Tagen bei Exekution in den gemeinsamen Haushalt aufzunehmen, das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und beauftragte das Erstgericht, die Weigerungsgrunde des Antragsgegners zu überprüfen.

Der Oberste Gerichtshof stellt den erstrichterlichen Beschluß unter Ausscheidung der Worte "bei Exekution" wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Der Antragsgegner hat zu 28 Cg 629/46 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gegen die antragstellende Partei die Ehescheidungsklage eingebracht, die er auf Ehescheidungsgrunde nach den §§ 49 und 50 EheG. stützte. Ein Jahr nach Einbringung der Klage machte er in einem eigenen Schriftsatz auch den Ehescheidungsgrund nach § 55 EheG. hilfsweise geltend. Sein mit der Klage verbundener Antrag, ihm den abgesonderten Wohnsitz zu bewilligen, wurde rechtskräftig abgewiesen. Auf Grund des nunmehr von der Antragstellerin gestellten Begehrens, den Antragsgegner zu veranlassen, sie in die eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, faßte das Bezirksgericht Innere Stadt im Verfahren Außerstreitsachen am 6. April 1948 den Beschluß, daß dem Antragsgegner aufgetragen wird, die Antragstellerin binnen 14 Tagen bei Exekution in den gemeinsamen Haushalt aufzunehmen, da der nicht geschiedenen Ehegattin das Recht und die Pflicht zustehe, dem Ehegatten in den Wohnsitz zu folgen, und keinem der Ehegatten gestattet sei, die Ehegemeinschaft eigenmächtig aufzuheben.

Dem Rekurse des Antragsgegners gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht Folge, hob den erstrichterlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, nach Ergänzung des Verfahrens neu zu entscheiden. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, daß der Erstrichter die Gründe zu prüfen gehabt hätte aus denen dem Antragsgegner nach seiner Behauptung die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft nicht zugemutet werden könne. Das Rekursgericht steht sonach auf dem Standpunkt, daß der Richter im Verfahren Außerstreitsachen unter Umständen, auch wenn die Voraussetzungen des § 382, Z. 8 EO. nicht vorliegen, berechtigt ist, dadurch, daß er ausspricht, der Ehegatte sei nicht verpflichtet, die nicht gerichtlich geschiedene Ehegattin in die eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, einen den Bestimmungen des § 93 ABGB. widerstreitenden Zustand zu billigen.

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist begrundet. Das Gesetz sieht im § 382, Z. 8 EO. die Möglichkeit vor, auch ohne gerichtliche Scheidung die eheliche Gemeinschaft aufzulösen. Außer diesem Falle sind die nicht geschiedenen Ehegatten an die Vorschriften des § 93 ABGB. gebunden, und wenn sich der Ehegatte weigert, seine nicht geschiedene Gattin in die eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, dann muß ihn das Gericht im außerstreitigen Verfahren veranlassen, seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, ohne prüfen zu müssen, welche Gründe ihn zu seiner ablehnenden Haltung veranlaßten. Der Einwand des Antragsgegners, daß er dadurch geradezu um sein Klagerecht nach § 55 EheG. gebracht würde, ist nicht stichhältig, da auch das Verbleiben beider Ehegatten in der gleichen Wohnung der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht schlechthin entgegensteht, sofern der tatsächliche Zustand, bei dem die persönliche Berührung der Ehegatten weitgehend ausgeschaltet ist, besteht (Scanzoni, 3. Aufl., S. 150).

Es mußte sonach der erstrichterliche Beschluß wiederhergestellt werden, jedoch unter Ausscheidung der Zwangsdrohung, da die Besonderheit des durchzusetzenden Anspruches, bei dem nicht nur Grundsätze des Rechtes, sondern auch solche der Sitte zu beachten sind, die Anwendung der Mittel der Exekutionsordnung nicht angebracht erscheinen läßt (SZ. VII/165).

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