Normen
FSG 1997 §26 Abs2 Z2
FSG 1997 §7 Abs3 Z1
StVO 1960 §5 Abs2
StVO 1960 §99 Abs1 litb
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023110083.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit (Vorstellungs-)Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 2022 wurden dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für sechs Monate, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheins am 25. April 2022, entzogen und die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sowie eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sowie eine Nachschulung angeordnet. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt.
2 Dem legte die belangte Behörde zu Grunde, der Revisionswerber habe sich geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er in Verdacht gestanden sei, ein Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb genommen zu haben. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 verstoßen, weswegen die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG für die Mindestdauer von sechs Monaten zu entziehen gewesen sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe am 25. April 2022 nach 18:00 Uhr einen PKW vom S‑Markt kommend nach G bis zum Objekt W-Straße 10 gelenkt. Dort habe er das Fahrzeug auf einem Privatparkplatz abgestellt, welcher für Mieter des genannten Objektes bestimmt, jedoch diesbezüglich nicht gekennzeichnet und auch nicht abgesperrt oder abgeschrankt sei. Am Parkplatz habe der Revisionswerber mit seiner Schwester und seiner Freundin telefoniert. Nach seinen eigenen Angaben in der Verhandlung sei der Motor während dieser Telefonate durchgehend in Betrieb gewesen, wobei er es auch für möglich gehalten habe, dass er diesen erst während der Telefonate gestartet habe. Beim Eintreffen der Polizisten sei der Motor nicht mehr in Betrieb gewesen; der Revisionswerber sei reglos im Fahrzeug gesessen. Der Revisionswerber habe zwischen 18:00 Uhr und dem Eintreffen der Polizei, wiederum seinen eigenen Angaben zufolge, im Fahrzeug zweieinhalb Liter Bier und mindestens einen halben Liter Whiskey getrunken.
5 Der Revisionswerber habe auf die Polizisten stark alkoholisiert gewirkt. Ein konkretes Gespräch, wie er mit dem Fahrzeug zum Parkplatz gekommen sei, sei nicht möglich gewesen. Der Fahrzeugschlüssel sei im Zündschloss gesteckt. Die Motorhaube sei warm gewesen. Das Gespräch sei von einem Polizisten auf Türkisch geführt worden. Dieser Polizist habe den Revisionswerber zu einem Alkoholvortest aufgefordert, welcher ein Ergebnis von 1,05 mg/l ergeben habe. Der Polizist habe den Revisionswerber daraufhin zu einem Alkoholtest aufgefordert und ihn darüber aufgeklärt, dass es sich jetzt um den „richtigen“ Test handle. Der Revisionswerber sei jedoch ins Haus gegangen und nicht mehr zurückgekehrt.
6 Dieser Sachverhalt ergebe sich beweiswürdigend aus den eigenen Angaben des Revisionswerbers sowie den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben des genannten Polizisten. Die einschreitenden Polizisten hätten zwar selbst weder den Alkoholkonsum noch das Lenken oder die Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Revisionswerber wahrgenommen. Allerdings habe dieser anlässlich einer Vorsprache bei der belangten Behörde am 13. Mai 2022 selbst eingeräumt, den PKW am Parkplatz in Betrieb genommen zu haben. Der Revisionswerber habe auch selbst angegeben, von ca. 18:00 Uhr bis spätestens kurz vor dem Eintreffen der Polizei fünf 0,5 l‑Dosen Bier sowie einen halben Liter Whiskey getrunken zu haben. In diesem Zeitraum sei das Fahrzeug auch längere Zeit in Betrieb gewesen, sodass jedenfalls ein Teil des Alkoholkonsums auch bei laufendem Motor stattgefunden haben müsse.
7 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sei mit rechtskräftigem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. April 2023 bestraft worden, weil er am 25. April 2022 um 22:02 Uhr am Vorfallsort einen Alkoholtest verweigert habe, obwohl er in Verdacht gestanden sei, an diesem Tag zwischen 19:00 und 20:00 Uhr den PKW in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Für das Führerscheinverfahren stehe damit bindend fest, dass der Revisionswerber den Alkoholtest verweigert habe und ihm dies auch vorwerfbar gewesen sei. Es sei aber zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber nur deshalb bestraft wurde, weil er verdächtigt gewesen sei, das Fahrzeug gelenkt zu haben.
8 Der bloße Verdacht des Lenkens rechtfertige jedoch nicht die Entziehung der Lenkberechtigung (Hinweis auf VwGH 5.7.2021, Ra 2020/11/0128). Die Entziehung sei nur rechtmäßig, wenn der Betreffende tatsächlich ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt oder in Betrieb genommen habe. Dieser Umstand stehe auf Grund der eigenen Angaben des Revisionswerbers sowohl im Behördenverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht fest. Der Revisionswerber habe am Fahrersitz sitzend den Motor gestartet bzw. nach seinen Angaben in der Verhandlung diesen nach dem Einparken gar nicht abgestellt und damit den PKW in Betrieb genommen.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts im Strafverfahren sei am 4. April 2023 beschlossen und dem Revisionswerber erst am 7. April 2023 zugestellt worden, weswegen es zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des angefochtenen Erkenntnisses im Entziehungsverfahren am 5. April 2023 noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer solchen Konstellation liege nicht vor.
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein von einem Einzelrichter beschlossenes Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung (mündliche Verkündung oder Zustellung) zu beurteilen (vgl. VwGH 27.4.2016, Ra 2015/05/0069, mwN = VwSlg. 19.361 A).
15 Nach dem Vorbringen in der Revision wurde das angefochtene, am 5. April 2023 ‑ von einem Einzelrichter ‑ beschlossene Erkenntnis dem Revisionswerber am 10. April 2023 zugestellt, das am 4. April 2023 beschlossene Straferkenntnis aber bereits am 7. April 2023. Somit war im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses das Erkenntnis im Verwaltungsstrafverfahren bereits rechtskräftig und der Entscheidung über die Entziehung der Lenkberechtigung zu Grunde zu legen (siehe zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2016/05/0143).
16 Angesichts der Rechtskraft des Straferkenntnisses stand für das Verwaltungsgericht die Begehung einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 im Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung bindend fest (vgl. etwa VwGH 5.7.2021, Ra 2020/11/0128; 27.2.2023, Ra 2023/11/0025; jeweils mwN). Mit seiner Bejahung der Bindung an die rechtskräftige Bestrafung (die Erhebung einer Revision dagegen ändert für sich an der Rechtskraft nichts; vgl. VwGH 2.11.2021, Ra 2021/11/0146, mwN) und das dieser zugrunde liegende strafbare Verhalten ist das Verwaltungsgericht nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen.
17 Angesichts dessen geht jenes Zulässigkeitsvorbringen der Revision, welches die Begehung des Verweigerungsdeliktes bestreitet (Aufforderung in türkischer Sprache; auch sonst keine gesetzmäßige Aufforderung zur Atemluftuntersuchung; keine Straße mit öffentlichem Verkehr; nur eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Revisionswerbers), ins Leere (vgl. im Übrigen die Zurückweisung der Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2023 mit hg. Beschluss vom 6. Juli 2023, Ra 2023/02/0112, insb. Rn. 16-18 zur Qualifikation als Straße mit öffentlichem Verkehr).
18 Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle eine Feststellung dazu, wann der Revisionswerber konkret den PKW gelenkt oder in Betrieb genommen und dabei das Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts seien auch deswegen in sich unschlüssig, weil das Verwaltungsgericht einerseits vom Starten des Motors und andererseits davon ausgegangen sei, dass der Motor nicht abgestellt worden sei. Rechtlich relevant wäre aber nur das „Inbetriebnehmen (Starten)“ des PKW.
19 Auch damit zeigt die Revision eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht auf:
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem - auch vom Verwaltungsgericht zitierten - Beschluss vom 5. Juli 2021, Ra 2020/11/0128, ausgeführt, dass im Unterschied zur Tatbestandsvoraussetzung der Verwaltungsübertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm. § 5 Abs. 2 StVO 1960 (Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt), für die nach dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung der Verdacht ausreicht, der Beschuldigte habe das Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, für die an dieses Delikt anknüpfende Rechtsfolge der Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG bzw. § 26 Abs. 2 Z 2 FSG zusätzlich Voraussetzung ist, dass der Betreffende - tatsächlich - ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt oder in Betrieb genommen hat, wozu im Führerscheinverfahren entsprechende Feststellungen zu treffen sind. Es ist aber nicht - zusätzlich - Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 3 Z 1 bzw. § 26 Abs. 2 Z 2 FSG, dass der Betreffende das Kraftfahrzeug tatsächlich „in alkoholisiertem Zustand gelenkt hat“. Eine solche Auslegung wäre auch weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck der Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt vereinbar, soll diese Untersuchung doch gerade der Feststellung dienen, ob das Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde (sodass die Alkoholisierung nicht gleichzeitig Voraussetzung einer solchen Untersuchung sein kann).
21 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt aber nicht nur das Lenken, sondern auch die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges als bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG, wenn jemand hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 - im Revisionsfall das Verweigerungsdelikt gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 - begangen hat (vgl. VwGH 9.3.2022, Ra 2021/11/0137, mwN).
22 Das Verwaltungsgericht ließ zwar offen, ob der Revisionswerber nach dem Einparken den Motor seines Kraftfahrzeuges (neuerlich) gestartet oder diesen erst gar nicht abgestellt hat. Es legte seiner Entscheidung aber ‑ unter Bezugnahme auf die Aussagen des Revisionswerbers vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ‑ zu Grunde, dass der Motor nach dem Einparken während des eingestandenen Alkoholkonsums (zumindest zeitweise) lief und das Kraftfahrzeug dadurch in Betrieb genommen war.
23 Vor diesem Hintergrund legt die Revision nicht dar, dass das Verwaltungsgericht fallbezogen nicht die notwendigen Feststellungen dazu getroffen hätte, dass der Revisionswerber iSd. § 7 Abs. 3 Z 1 und des § 26 Abs. 2 Z 1 FSG ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen hat.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Jänner 2024
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