VwGH Ra 2023/04/0042

VwGHRa 2023/04/00423.9.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revisionen 1. des Arbeitsmarktservice Österreich und 2. des Arbeitsmarktservice, beide vertreten durch die Knyrim Trieb Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 89A, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. März 2023, Zl. W252 2242206‑1/7E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: DI E S in P),

Normen

AMSG 1994 §25
AMSG 1994 §25 Abs1
AMSG 1994 §25 Abs9
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §62 Abs4
B-VG Art7 Abs1
DSG 2000 §9 Z9
DSG §24 Abs2 Z2
DSG §24 Abs5
EURallg
IEFG §19 Abs2
StGG Art2
VwRallg
32016R0679 Datenschutz-GrundV Erwägungsgrund 45
32016R0679 Datenschutz-GrundV Erwägungsgrund 52
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art17 Abs3 lite
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art18 Abs1 litc
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art4 Z7
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art5 Abs1
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art5 Abs1 litc
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art5 Abs1 litd
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art5 Abs1 lite
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art5 Abs2
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6 Abs1 litc
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6 Abs1 lite
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6 Abs2
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art6 Abs3
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art9
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art9 Abs2 litf
62022CJ0060 Bundesrepublik Deutschland VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023040042.L00

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision des Erstrevisionswerbers wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Revision des Zweitrevisionswerbers wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit Schreiben vom 25. November 2019 erhob der Mitbeteiligte bei der Datenschutzbehörde (belangte Behörde) eine Datenschutzbeschwerde. Er bediente sich dabei des Formulars der belangten Behörde „Beschwerde an die Datenschutzbehörde (Verstoß gegen das Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG, gegen die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art 5 DSGVO/die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gemäß Art 6 bzw. 9 DSGVO)“, dem er ein Begleitschreiben mit näheren Ausführungen anfügte.

2 In einem weiteren Schreiben vom 12. April 2020 (ergangen als Reaktion auf die Stellungnahme des Arbeitsmarktservice [Zweitrevisionswerber] vom 2. März 2020) legte der Mitbeteiligte dar, er sei in den Rechten auf Löschung und rechtmäßige Verarbeitung verletzt worden, wobei er hinsichtlich der unrechtmäßigen Verarbeitung auf Art. 6 DSGVO verwies. Ein „Fehler in der Geheimhaltung“ sei von ihm nie moniert worden. Dieser Punkt sei nur der „Formulierung am DSB‑Formular geschuldet => gegenstandslos.“

3 2. Mit Bescheid vom 3. Februar 2021 wies die belangte Behörde die Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten gegen das ‑ von ihr als Beschwerdegegner bezeichnete ‑ „Arbeitsmarktservice Österreich“ (Erstrevisionswerber) wegen behaupteter Verletzung in den Rechten auf Geheimhaltung und Löschung als unbegründet ab.

4 Begründend hielt die belangte Behörde zusammengefasst fest, die verfahrensgegenständliche Verarbeitung der Daten des Mitbeteiligten betreffend seine Vormerk- und Bezugszeiten sei zur Erfüllung der Aufgaben des Beschwerdegegners erforderlich gewesen. Aus diesem Grund liege auch keine Verletzung im Recht auf Löschung vor.

5 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis (in dem als mitbeteiligte Partei vor dem Verwaltungsgericht der Erstrevisionswerber genannt wurde) gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten teilweise statt und stellte fest, der Beschwerdegegner habe den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung dahingehend verletzt, indem er die Daten aus dem Geschäftsfall 1992 bis 1994, wie die Adresse und den Familienstand des Beschwerdeführers, bis zum neuerlichen Geschäftsfall am 16. November 2019 ohne Rechtsgrundlage weiterverarbeitet habe. Die Beschwerde hinsichtlich der Verletzung im Recht auf Löschung wurde abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig erklärt.

6 Das BVwG stellte zusammengefasst fest, das „Arbeitsmarktservice Österreich“ sei ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, welchem die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes obliege. Der Mitbeteiligte habe zwischen 1992 und 1994 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen und am 16. November 2019 erneut Arbeitslosengeld beantragt. Beim Einrichten des eAMS‑Kontos seien Personenstand und Adresse des Mitbeteiligten mit Daten aus dem Geschäftsfall von 1992‑1994 vorausgefüllt gewesen. Am 19. November 2019 sei dem Mitbeteiligten für 364 Tage Arbeitslosengeld zuerkannt worden.

7 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das BVwG unter dem Punkt „Zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“ fest, der Gesetzgeber habe in § 25 Abs. 9 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) eine eindeutige Frist von sieben Jahren für die Aufbewahrung der in § 25 Abs. 1 AMSG genannten Daten festgelegt. Wie den Erläuterungen zum Materien‑Datenschutz‑Anpassungsgesetz 2018 (RV 65 BlgNR 26. GP  27) zu entnehmen sei, beginne die Frist mit der Beendigung eines Geschäftsfalles, somit im konkreten Fall mit der Abmeldung von der Vormerkung des Mitbeteiligten als arbeitssuchend; sollten lang zurückliegende Daten eines Leistungsbezuges oder einer Vormerkung für einen späteren Leistungsantrag benötigt werden, könnten diese Daten im Wege der beim Hauptverband (nunmehr Dachverband) der Sozialversicherungsträger bestehenden Versicherungsdatei übernommen werden. Dass die rein hypothetische Rekonstruierung von Sachverhalten (nach über sieben Jahren) aus den Daten der Versicherungsdatei ‑ wie vom Beschwerdegegner ins Treffen geführt ‑ aufwändiger erscheine, sei unerheblich.

Die vom Beschwerdegegner ins Treffen geführte Ausnahme von der Löschungsfrist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen nach § 25 Abs. 9 AMSG bzw. Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO komme im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil keine ‑ dem Beschwerdegegner als (datenschutzrechtlichem) Verantwortlichen zukommenden ‑ Rechtsansprüche aufgezeigt worden seien. Für die etwaige Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Mitbeteiligten könne der Beschwerdegegner diese Ausnahme nicht heranziehen. Auf die vom Beschwerdegegner vorgebrachten ‑ rein hypothetischen ‑ Fallkonstellationen sei nicht näher einzugehen gewesen, weil diese nicht auf den Fall des Mitbeteiligten zuträfen. Gleiches gelte für das Vorbringen des Beschwerdegegners zur Rahmenfrist nach den §§ 14 und 15 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG). Schließlich liege fallbezogen auch keine „andere rechtliche Vorschrift“ vor, die eine längere Speicherfrist vorsehe.

Die Weiterverarbeitung bzw. Speicherung der Daten des Mitbeteiligten aus dem Geschäftsfall von 1992‑1994 bis zum neuerlichen Geschäftsfall im Jahr 2019 verstoße somit ‑ seit Inkrafttreten des Materien‑Datenschutz‑Anpassungsgesetzes 2018 mit 25. Mai 2018 ‑ gegen den Grundsatz der Speicherbegrenzung (gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). Die Daten des Mitbeteiligten hätten demnach gelöscht werden müssen. Die Verarbeitung sei daher unrechtmäßig gewesen und der Mitbeteiligte sei in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden. Die gegenwärtige Verarbeitung der Daten aus dem aktuellen Geschäftsfall erweise sich im Hinblick auf § 25 Abs. 1 AMSG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO hingegen als unproblematisch.

Unter dem Punkt „Zum Recht auf Löschung“ hielt das BVwG fest, die Daten des Mitbeteiligten betreffend die Bezugszeiten der Notstandshilfe sowie die Daten über Arbeitsverhältnisse, die mehr als sieben Jahre zurücklägen, seien aufgrund des nunmehr aktuellen Geschäftsfalls zu verarbeiten. Diese Daten würden sich, wie auch gesetzlich vorgesehen, aus dem Datenbestand des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger ergeben. Da die Löschungsfrist für diese Daten im Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen sei, bestehe hierfür ‑ unabhängig von der zwischenzeitlich unrechtmäßigen Verarbeitung ‑ aktuell kein Löschungsanspruch des Mitbeteiligten. Gleiches gelte für den Namen und den Titel des Mitbeteiligten. Eine (allfällige) Feststellung über eine in der Vergangenheit liegende Verletzung im Recht auf Löschung sei nicht vom (hier maßgeblichen) Beschwerderecht des Mitbeteiligten nach Art. 17 DSGVO umfasst. Die Beschwerde wegen einer Verletzung im Recht auf Löschung sei daher abzuweisen gewesen. Eine etwaige Verletzung im Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO oder im Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO sei nicht vom Verfahrensgegenstand umfasst.

8 4. Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden gemeinsam ausgeführten außerordentlichen Revisionen.

9 Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung (ohne einen Antrag auf Aufwandersatz). Der Mitbeteiligte wendet sich darin gegen den in der Revision vertretenen Standpunkt. Die belangte Behörde, die die Revision (zumindest teilweise) als zulässig erachtet, bringt wiederum vor, sie halte an ihren rechtlichen Ausführungen im Bescheid vom 3. Februar 2021 fest.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zurückweisung der Revision des Erstrevisionswerbers

10 Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

11 In der Revision wird zunächst vorgebracht, dem „Arbeitsmarktservice Österreich“ (Erstrevisionswerber) komme nach § 1 Abs. 1 AMSG im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien keine Rechtspersönlichkeit zu. Rechtspersönlichkeit besitze nur das „Arbeitsmarktservice“ (Zweitrevisionswerber); dieses sei daher auch datenschutzrechtlicher Verantwortlicher und Träger der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten. „Aus anwaltlicher Vorsicht“ werde jedoch sowohl vom „Arbeitsmarktservice“ als auch vom „Arbeitsmarktservice Österreich“ Revision erhoben.

12 Diesbezüglich ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge in den Fällen, in denen sich die Verwaltungsbehörde bzw. nunmehr das Verwaltungsgericht bloß in der Bezeichnung des Adressaten seiner Entscheidung vergreift, aber aus der gesamten Erledigung offenkundig ist, wer gemeint war, die fehlerhafte Bezeichnung nicht schadet; in einem solchen Fall liegt ein berichtigungsfähiger Fehler vor, bei dem, solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, durch Auslegung der Entscheidung zu klären ist, an wen sie gerichtet ist (vgl. etwa VwGH 3.2.2022, Ra 2020/17/0095, Rn. 13; VwGH 25.2.2019, Ro 2017/08/0035, Rn. 10, jeweils mwN).

13 Nach § 1 Abs. 1 AMSG obliegt die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes dem „Arbeitsmarktservice“. Das Arbeitsmarktservice ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das Arbeitsmarktservice ist nach § 1 Abs. 2 AMSG in eine Bundesorganisation, in Landesorganisationen für jedes Bundesland und innerhalb der Bundesländer in regionale Organisationen gegliedert. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung führt die Bundesorganisation die Bezeichnung „Arbeitsmarktservice Österreich“. Die Erläuterungen zur Stammfassung des AMSG stellen diesbezüglich klar, dass durch diese Bestimmungen die Einrichtung des Arbeitsmarktservice als Körperschaft des öffentlichen Rechtes erfolge. Rechtspersönlichkeit besitze nur der Fonds „Arbeitsmarktservice“, die einzelnen Organisationen jedoch nicht (RV 1468 BlgNR 18. GP  32).

14 Im Kopf des angefochtenen Erkenntnisses wurde zwar ‑ wie bereits im Kopf des Bescheides der belangten Behörde - das „Arbeitsmarktservice Österreich“ als mitbeteiligte Partei bzw. Beschwerdegegner bezeichnet. Das BVwG ist jedoch in seinen Feststellungen anknüpfend an den Wortlaut des § 1 Abs. 1 AMSG erkennbar davon ausgegangen, dass die (im Verfahren vor dem BVwG bezeichnete) mitbeteiligte Partei ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit sei, welchem die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes obliege. Diese Feststellung trifft aber gerade nicht auf den Erstrevisionswerber („Arbeitsmarktservice Österreich“), sondern auf den Zweitrevisionswerber („Arbeitsmarktservice“) zu. Das BVwG hat im angefochtenen Erkenntnis auch sonst an keiner Stelle auf lediglich die Bundesorganisation „Arbeitsmarktservice Österreich“ betreffende Umstände abgestellt. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof daher nicht zweifelhaft, dass sich das BVwG in seiner Entscheidung in der Bezeichnung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei vergriffen und offenkundig das „Arbeitsmarktservice“ im Sinn des § 1 Abs. 1 AMSG gemeint hat (vgl. zu einem solchen Vergreifen im Ausdruck im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktservice auch VwGH 21.12.2023, Ro 2021/04/0010, Rn. 2).

15 An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Mitbeteiligte in seiner Datenschutzbeschwerde den Erstrevisionswerber als Beschwerdegegner bezeichnet hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits ausgesprochen, dass die Datenschutzbeschwerde die Bezeichnung des Beschwerdegegners gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 DSG nur zu enthalten hat, soweit dies zumutbar ist. Wenn es nach dem DSG Fälle geben kann, in denen es für die von der Datenverarbeitung betroffene Person unzumutbar sein kann, den Verantwortlichen selbst zu eruieren und dementsprechend in der Datenschutzbeschwerde zu benennen, dann sind auch Konstellationen anzuerkennen, in denen die betroffene Person den Verantwortlichen ungenau bzw. allenfalls auch unrichtig bezeichnet (ohne dass dies zwingend zu einer Abweisung der Datenschutzbeschwerde führen muss). Daher kann die Berichtigung einer Bezeichnung des Beschwerdegegners im Rahmen einer vertretbaren Auslegung der Parteienerklärung zulässig sein (vgl. zu all dem VwGH 27.6.2023, Ro 2023/04/0013, Rn. 34, mwN).

16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nur der Adressat der angefochtenen Entscheidung eine mögliche Rechtsverletzung geltend machen. Da das angefochtene Erkenntnis nicht gegenüber dem Erstrevisionswerber erlassen worden ist, fehlt es diesem an der Berechtigung zur Erhebung einer Revision (vgl. etwa VwGH 21.3.2024, Ra 2024/06/0034 bis 0041, Rn. 9; mwN).

17 Die Revision des Erstrevisionswerbers war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

2. Abweisung der Revision des Zweitrevisionswerbers

18 2.1. Der Zweitrevisionswerber zeigt in seiner Zulässigkeitsbegründung mehrere als grundsätzlich erachtete, vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortete Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Anwendung bzw. Auslegung des § 25 Abs. 9 AMSG sowie des Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO auf.

19 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber aus nachstehenden Erwägungen nicht berechtigt.

20 2.2.1. Die maßgeblichen Erwägungsgründe und Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz‑Grundverordnung [DSGVO]) lauten auszugsweise:

„[Erwägungsgründe]

(45) Erfolgt die Verarbeitung durch den Verantwortlichen aufgrund einer ihm obliegenden rechtlichen Verpflichtung oder ist die Verarbeitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erforderlich, muss hierfür eine Grundlage im Unionsrecht oder im Recht eines Mitgliedstaats bestehen. Mit dieser Verordnung wird nicht für jede einzelne Verarbeitung ein spezifisches Gesetz verlangt. Ein Gesetz als Grundlage für mehrere Verarbeitungsvorgänge kann ausreichend sein, wenn die Verarbeitung aufgrund einer dem Verantwortlichen obliegenden rechtlichen Verpflichtung erfolgt oder wenn die Verarbeitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erforderlich ist. Desgleichen sollte im Unionsrecht oder im Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden, für welche Zwecke die Daten verarbeitet werden dürfen. Ferner könnten in diesem Recht die allgemeinen Bedingungen dieser Verordnung zur Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten präzisiert und es könnte darin festgelegt werden, wie der Verantwortliche zu bestimmen ist, welche Art von personenbezogenen Daten verarbeitet werden, welche Personen betroffen sind, welchen Einrichtungen die personenbezogenen Daten offengelegt, für welche Zwecke und wie lange sie gespeichert werden dürfen und welche anderen Maßnahmen ergriffen werden, um zu gewährleisten, dass die Verarbeitung rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgt. [...]

[...]

(52) Ausnahmen vom Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten sollten auch erlaubt sein, wenn sie im Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen sind, und ‑ vorbehaltlich angemessener Garantien zum Schutz der personenbezogenen Daten und anderer Grundrechte ‑ wenn dies durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt ist, insbesondere für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und des Rechts der sozialen Sicherheit einschließlich Renten und zwecks Sicherstellung und Überwachung der Gesundheit und Gesundheitswarnungen, Prävention oder Kontrolle ansteckender Krankheiten und anderer schwerwiegender Gesundheitsgefahren. Eine solche Ausnahme kann zu gesundheitlichen Zwecken gemacht werden, wie der Gewährleistung der öffentlichen Gesundheit und der Verwaltung von Leistungen der Gesundheitsversorgung, insbesondere wenn dadurch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verfahren zur Abrechnung von Leistungen in den sozialen Krankenversicherungssystemen sichergestellt werden soll, oder wenn die Verarbeitung im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecken, wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken oder statistischen Zwecken dient. Die Verarbeitung solcher personenbezogener Daten sollte zudem ausnahmsweise erlaubt sein, wenn sie erforderlich ist, um rechtliche Ansprüche, sei es in einem Gerichtsverfahren oder in einem Verwaltungsverfahren oder einem außergerichtlichen Verfahren, geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen.

[...]

Artikel 5

Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Personenbezogene Daten müssen

[...]

c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein (,Datenminimierung‘);

d) sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden (,Richtigkeit‘);

e) in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist; personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden (,Speicherbegrenzung‘);

[...]

(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können (,Rechenschaftspflicht‘).

Artikel 6

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

[...]

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

[...]

(2) Die Mitgliedstaaten können spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1 Buchstaben c und e beibehalten oder einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.

(3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch

a) Unionsrecht oder

b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.

Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt oder hinsichtlich der Verarbeitung gemäß Absatz 1 Buchstabe e für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich sein, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Diese Rechtsgrundlage kann spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung enthalten, unter anderem Bestimmungen darüber, welche allgemeinen Bedingungen für die Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung durch den Verantwortlichen gelten, welche Arten von Daten verarbeitet werden, welche Personen betroffen sind, an welche Einrichtungen und für welche Zwecke die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, welcher Zweckbindung sie unterliegen, wie lange sie gespeichert werden dürfen und welche Verarbeitungsvorgänge und -verfahren angewandt werden dürfen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung einer rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgenden Verarbeitung, wie solche für sonstige besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX. Das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten müssen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen.“

21 2.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Arbeitsmarktservice (Arbeitsmarktservicegesetz ‑ AMSG), BGBl. Nr. 313/1994, und zwar § 1 in der Stammfassung und § 25 in der vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 32/2018, lauten auszugsweise:

„Arbeitsmarktservice

§ 1. (1) Die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes obliegt dem ,Arbeitsmarktservice‘. Das Arbeitsmarktservice ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit.

(2) Das Arbeitsmarktservice ist in eine Bundesorganisation, in Landesorganisationen für jedes Bundesland und innerhalb der Bundesländer in regionale Organisationen gegliedert.

(3) Die Bundesorganisation führt die Bezeichnung ,Arbeitsmarktservice Österreich‘.

(4) Die Landesorganisationen führen die Bezeichnung ,Arbeitsmarktservice‘ unter Hinzufügung des Namens des jeweiligen Bundeslandes.

[...]

Datenverarbeitung

§ 25. (1) Das Arbeitsmarktservice, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sind zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 165/1999, insoweit ermächtigt, als diese zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung sind. Die in Frage kommenden Datenarten sind:

1. Stammdaten der Arbeitsuchenden:

a) Namen (Vornamen, Familiennamen),

b) Sozialversicherungsnummer und Geburtsdatum,

[...]

3. Daten über wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen:

[...]

h) Versicherungszeiten,

i) Bemessungsgrundlagen,

j) Höhe von Leistungen und Beihilfen,

k) Bezugszeiten von Leistungen und Beihilfen,

l) Zeiten der Arbeitsuche.

[...]

(9) Die Daten gemäß Abs. 1 sind sieben Jahre nach Beendigung des jeweiligen Geschäftsfalles aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist verlängert sich um Zeiträume, in denen die Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen weiterhin benötigt werden oder andere rechtliche Vorschriften längere Fristen vorsehen. Die Löschung von Daten ist aus wirtschaftlichen und technischen Gründen auf ein oder zwei Termine im Jahr zu konzentrieren. Bis dahin besteht kein Anspruch auf vorzeitige Löschung.

[...]“

2.3. Zum Beschwerdegegenstand

22 Der Zweitrevisionswerber bringt vor, das BVwG habe über eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und damit über ein Begehren abgesprochen, das nicht Verfahrensgegenstand gewesen sei. Das BVwG habe nämlich ‑ wie bereits die belangte Behörde - nicht berücksichtigt, dass der Mitbeteiligte im behördlichen Verfahren angegeben habe, nie einen „Fehler in der Geheimhaltung“ moniert zu haben, und damit seinen Antrag zulässiger Weise eingeschränkt habe. Das BVwG habe somit seine Entscheidungsbefugnis überschritten.

23 Der Mitbeteiligte hat in seiner (mittels des von ihm verwendeten Formulars der belangten Behörde eingebrachten) Datenschutzbeschwerde allgemein eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung sowie des Art. 5 DSGVO geltend gemacht, im Begleitschreiben wurde zudem eine Verletzung im Recht auf Löschung dargetan. In seinem Schreiben vom 12. April 2020 hat der Mitbeteiligte sodann vorgebracht, es sei „nie ein Fehler in der Geheimhaltung“ moniert worden (dieser Punkt sei nur der „Formulierung am DSB‑Formular geschuldet“ und daher „gegenstandslos“). Er sei in den Rechten auf Löschung und auf rechtmäßige Verarbeitung verletzt worden, wobei er zu Letzterem auf die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 DSGVO verwies.

24 Aus dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde vom 3. Februar 2021 geht zwar hervor, dass die Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten wegen behaupteter Verletzung in den Rechten auf Geheimhaltung und Löschung als unbegründet abgewiesen wurde. In den im Spruch zitierten Rechtsgrundlagen hat sich die belangte Behörde aber nicht auf § 1 Abs. 1 DSG, sondern (insbesondere) auf Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO sowie § 25 Abs. 1 und 9 AMSG gestützt.

25 Wenn der Spruch eines Bescheides auslegungsbedürftig in dem Sinn ist, dass er für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt aufkommen lässt, dann kann und muss seine Begründung zur Deutung ‑ also nicht zur Ergänzung oder Ausweitung ‑ von Sinn und Inhalt der darin verkörperten individuellen Norm herangezogen werden. Diesfalls kommt der Grundsatz zum Tragen, dass der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen ist und Spruch und Begründung des Bescheides eine Einheit bilden (vgl. etwa VwGH 3.8.2023, Ro 2020/04/0035, Rn. 32, mwN).

26 Die belangte Behörde ist in der Begründung ihres Bescheides ‑ anknüpfend an die im Spruch angeführten Rechtsgrundlagen - erkennbar davon ausgegangen, dass sich die verfahrensgegenständliche Verarbeitung der Daten (aus dem Geschäftsfall 1992‑1994) betreffend die Vormerk- und Bezugszeiten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO in Verbindung mit § 25 Abs. 1 und 9 AMSG als rechtmäßig erweise. Vor dem Hintergrund, dass der Mitbeteiligte sowohl in der Datenschutzbeschwerde als auch in der Stellungnahme vom 12. April 2020 vorgebracht hat, durch die Unrechtmäßigkeit der Datenverarbeitung verletzt worden zu sein, ist für den Verwaltungsgerichtshof daher nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde ‑ wie vom Zweitrevisionswerber moniert ‑ über ein Begehren abgesprochen hat, das nicht (mehr) Verfahrensgegenstand gewesen ist.

27 Gleiches gilt auch für den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses. Aus der Begründung und insbesondere Punkt „3.2. Zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“ geht nämlich hinreichend deutlich hervor, dass das BVwG ‑ wie vom Mitbeteiligten begehrt ‑ zum Ergebnis gelangt ist, dass sich die Weiterverarbeitung der Daten des Mitbeteiligten aus dem Geschäftsfall von 1992 bis 1994 (seit Inkrafttreten des Materien‑Datenschutz‑Anpassungsgesetzes 2018 bis zum neuerlichen Geschäftsfall im Jahr 2019) im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 lit. c und e sowie Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO in Verbindung mit § 25 Abs. 9 AMSG als unrechtmäßig erwiesen habe.

28 Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher nicht die Auffassung des Zweitrevisionswerbers, dass das BVwG seine Entscheidungsbefugnis überschritten habe.

2.4. Anwendbarkeit des § 25 Abs. 9 AMSG

29 2.4.1. Das BVwG ist im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen, dass der Zweitrevisionswerber auf Grund von Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AMSG zwar grundsätzlich zur Verarbeitung der hier gegenständlichen Daten des Mitbeteiligten befugt gewesen sei, § 25 Abs. 9 AMSG aber eine eindeutige Frist für die Aufbewahrung der Daten von sieben Jahren festlege, die vorliegend überschritten worden sei.

30 Der Zweitrevisionswerber macht geltend, § 25 Abs. 9 AMSG enthalte eine zeitliche Beschränkung der Datenverarbeitung, welche die DSGVO nicht kenne. Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO sehe lediglich vor, dass Daten nur so lange gespeichert werden könnten, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet würden, erforderlich sei. Konkrete Speicherfristen normiere die DSGVO nicht. Es sei daher fraglich, ob § 25 Abs. 9 AMSG überhaupt Anwendung finde bzw. ob es sich um eine „spezifische Bestimmung“ zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften der DSGVO im Sinn des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO handle. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur Datenschutz‑Richtlinie 95/46/EG (Hinweis auf EuGH 19.10.2016, C‑582/14, Breyer) dürfe eine spezifischere (nationale) Bestimmung eine nach Art. 6 DSGVO zulässige Verarbeitung nicht beschränken. Das Schutzniveau der DSGVO dürfe durch eine mitgliedstaatliche Regelung weder überschritten noch unterschritten werden. In der Auslegung durch das BVwG schränke § 25 Abs. 9 AMSG die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch den Zweitrevisionswerber hingegen in unzulässiger Weise ein und gefährde (durch das drohende Nichtvorliegen der für die Bearbeitung von Anträgen notwendigen personenbezogenen Daten der potenziellen Leistungsempfänger als Folge der Löschungsverpflichtung nach sieben Jahren) die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des Zweitrevisionswerbers. Dem Zweitrevisionswerber sei auch kein (in Art. 6 Abs. 3 DSGVO verlangtes) öffentliches Interesse für die Regelung des § 25 Abs. 9 AMSG bekannt.

§ 25 Abs. 9 AMSG sei daher nach Ansicht des Zweitrevisionswerbers unionsrechtswidrig und infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden, weshalb die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung gemäß § 25 Abs. 1 AMSG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO zulässig sei.

31 2.4.2. Das Vorbringen des Zweitrevisionswerbers baut auf der Prämisse auf, dass die in § 25 Abs. 9 erster Satz AMSG vorgesehene (maximal) siebenjährige Aufbewahrungsfrist eine nach der DSGVO zulässige Datenverarbeitung in unzulässiger Weise beschränkt. Dieser Prämisse vermag sich der Verwaltungsgerichtshof aus nachstehenden Überlegungen jedoch nicht anzuschließen:

32 Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.

33 Die DSGVO räumt mit ihrem Art. 6 Abs. 2 und 3 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften im Hinblick auf die Rechtfertigungstatbestände des Art. 6 Abs. 1 lit. c und lit. e DSGVO zu erlassen (vgl. in diesem Zusammenhang Jahnel, Kommentar zur DSGVO [2021] Art. 6 Rz. 82, und Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim [Hrsg.], DatKomm Art. 6 Rz. 56). Es geht daher um die Konkretisierung der Anwendung einer unionsrechtlichen Vorschrift für bestimmte Verarbeitungssituationen innerhalb des durch die DSGVO gesetzten Rahmens (vgl. Heberlein in Ehmann/Selmayr [Hrsg.], DS‑GVO3 [2024] Art. 6 Rz. 58).

34 Entgegen der Ansicht des Zweitrevisionswerbers kann aus dem Umstand, dass die Rechtfertigungstatbestände des Art. 6 DSGVO keine bestimmte zeitliche Grenze für eine Datenverarbeitung vorsehen, aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine im Recht der Mitgliedstaaten (wie hier in § 25 Abs. 9 erster Satz AMSG) vorgesehene zeitliche Beschränkung einer Datenverarbeitung schon dem Grunde nach nicht in Einklang mit den Bestimmungen der DSGVO gebracht werden kann.

35 Zum einen verweist Erwägungsgrund 45 der DSGVO nämlich ausdrücklich darauf, dass im Recht der Mitgliedstaaten (oder im Unionsrecht) die allgemeinen Bedingungen der DSGVO zur Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten präzisiert werden können und darin unter anderem festgelegt werden kann, welche Art von personenbezogenen Daten verarbeitet werden, für welche Zwecke und wie lange sie gespeichert werden dürfen. Die DSGVO geht daher sehr wohl davon aus, dass als spezifischere Bestimmungen im Recht der Mitgliedstaaten etwa Zweckbegrenzungen oder Speicherfristen vorgesehen werden können (vgl. auf Erwägungsgrund 45 verweisend etwa Roßnagel in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann [Hrsg.], Datenschutzrecht [2019] Art. 6 Abs. 2 Rz. 29).

36 Zum anderen muss nach der Rechtsprechung des EuGH jede Verarbeitung personenbezogener Daten mit den in Art. 5 Abs. 1 DSGVO aufgestellten Grundsätzen für die Verarbeitung der Daten im Einklang stehen und die in Art. 6 DSGVO aufgeführten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung erfüllen (vgl. VwGH 9.5.2023, Ro 2020/04/0037, Rn. 23 mit Hinweis auf EuGH 4.5.2023, C‑60/22, Bundesrepublik Deutschland [Elektronisches Gerichtsfach], Rn. 50, 52, 57, mwN). Neben der in Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO vorgesehenen Bedingung der Erforderlichkeit bzw. dem Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO (vgl. dazu VwGH 3.9.2024, Ro 2022/04/0031, Pkt. II.5.3.) ist für den vorliegenden Fall insbesondere hervorzuheben, dass die DSGVO mit dem Grundsatz der Speicherbegrenzung nach Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO eine zeitliche Begrenzung für die Verarbeitung personenbezogener Daten normiert (vgl. erneut VwGH 9.5.2023, Ro 2020/04/0037, Rn. 63).

37 Zu dem seitens des Zweitrevisionswerbers ins Treffen geführten Urteil des EuGH C‑582/14 ist wiederum darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung nicht zur „Vorgängerregelung“ des hier einschlägigen Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO (nämlich zu Art. 7 lit. e der RL 95/46/EG ) und somit nicht zur Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe ergangen ist, sondern zur „Vorgängerregelung“ des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (nämlich zu Art. 7 lit. f der RL 95/46/EG ) bzw. konkret zur darin vorgesehenen Abwägung der einander im Einzelfall gegenüberstehenden Rechte und Interessen. Da vorliegend keine derartige Abwägung vorzunehmen war, lassen sich (schon deshalb) aus diesem Urteil keine generellen Aussagen für den hier gegenständlichen Fall ableiten.

38 2.4.3. Soweit der Zweitrevisionswerber mit Blick auf Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO darauf verweist, es könne nicht erkannt werden, welches öffentliche Interesse mit der Bestimmung des § 25 Abs. 9 AMSG verfolgt werde, ist dazu Folgendes festzuhalten:

39 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO in einem engen Zusammenhang mit den Abs. 2 und 3 des Art. 6 DSGVO steht, die nähere Anforderungen an die Rechtsgrundlagen für die Verarbeitungen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO enthalten, die gemäß Art. 6 Abs. 3 DSGVO durch Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, festgelegt werden. Der Rechtfertigungstatbestand ist erfüllt, wenn die wahrzunehmende Aufgabe in der Rechtsgrundlage ausreichend beschrieben wird und die betreffende Datenverarbeitung dem Zweck der Erfüllung dieser Aufgabe dient (vgl. VwGH 21.12.2023, Ro 2021/04/0010, Rn. 56, 58, mwN).

40 Die Vorgabe des § 25 Abs. 9 AMSG, der zufolge Daten sieben Jahre nach Beendigung des jeweiligen Geschäftsfalles aufzubewahren sind, steht in Zusammenhang mit der Regelung des § 25 Abs. 1 AMSG, der das Arbeitsmarktservice zur Verarbeitung personenbezogener Daten insoweit ermächtigt, als diese zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung sind, und der die in Frage kommenden Datenarten aufzählt. Es ist unstrittig, dass der Bestimmung des § 25 AMSG der ‑ im öffentlichen Interesse liegende ‑ Zweck innewohnt, dem Arbeitsmarktservice die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben zu ermöglichen. Auch die Erläuterungen halten in diesem Zusammenhang fest, für die Erfüllung der Vielzahl an gesetzlich übertragenen Aufgaben bedürfe es zwingend einer entsprechend umfangreichen Verarbeitung von Datenarten, sowohl von betroffenen Personen als auch von Betrieben (Arbeitgebern). § 25 AMSG ermögliche dem Arbeitsmarktservice für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben aus diesem Grund eine umfangreiche Verarbeitung von Datenarten (RV 65 BlgNR 26. GP  26).

41 Entgegen der offenbar vom Zweitrevisionswerber vertretenen Ansicht bedarf es für die Regelung des Abs. 9 des § 25 AMSG keines (darüberhinausgehenden) eigenständigen öffentlichen Interesses. Vielmehr liegt der Regelung des § 25 AMSG insgesamt die im öffentlichen Interesse liegende Zielsetzung zugrunde, dem Arbeitsmarktservice zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben ‑ grundsätzlich beschränkt auf sieben Jahre ‑ die Aufbewahrung näher genannter Daten zu ermöglichen. Das Normieren einer solchen Frist steht nach dem oben Gesagten auch nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen der DSGVO. Dass die personenbezogenen Daten nach § 25 AMSG nicht zeitlich unbegrenzt aufbewahrt werden dürfen, sondern dafür eine generelle Aufbewahrungsfrist von sieben Jahren vorgesehen ist, die im Einzelfall (etwa zur Verteidigung von Rechtsansprüchen) verlängert werden kann, ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Art. 6 Abs. 3 vierter Satz DSGVO für die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO vorsieht, dass die Rechtsvorschriften in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen müssen (vgl. erneut VwGH 21.12.2023, Ro 2021/04/0010, Rn. 58, mwN).

42 Im Ergebnis kann daher der Argumentation des Zweitrevisionswerbers, § 25 Abs. 9 AMSG sei unionswidrig und somit im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, nicht gefolgt werden.

2.5. Auslegung des § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG

43 2.5.1. Das BVwG geht zunächst davon aus, dass die in § 25 Abs. 9 AMSG zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen vorgesehene Ausnahme von der Löschungspflicht nach sieben Jahren nicht maßgeblich sei, weil der Zweitrevisionswerber keine ihm als Verantwortlichem zukommenden Rechtsansprüche aufgezeigt habe und er diese Ausnahme hinsichtlich der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Mitbeteiligten nicht heranziehen könne. Zudem seien die vom Zweitrevisionswerber diesbezüglich vorgebrachten Fallkonstellationen rein hypothetisch und träfen auf den Mitbeteiligten nicht zu.

44 Der Zweitrevisionswerber bringt vor, das BVwG gefährde mit seinem Ausspruch die gesetzeskonforme Gewährung der Ansprüche arbeitsloser Personen auf Leistungen nach dem AlVG. Lägen dem Zweitrevisionswerber bei einer erneuten Antragstellung Daten nicht mehr vor, weil sie nach Ablauf von sieben Jahren gelöscht werden müssten, sei die Gewährung dieser Ansprüche nicht möglich. Entgegen der Ansicht des BVwG seien auch nicht alle zur Beurteilung erforderlichen Daten in der Versicherungsdatei des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger enthalten. Es handle sich diesbezüglich auch nicht um „rein hypothetische“ Konstellationen, zumal derartige Fälle vom Zweitrevisionswerber regelmäßig zu bearbeiten seien. In diesem Zusammenhang sei dem BVwG auch anzulasten, dass es die notwendigen Sachverhaltsfeststellungen (etwa in wie vielen Fällen ein Rückgriff auf Daten erfolge, die mehr als sieben Jahre zurücklägen) nicht getroffen habe.

Zu beachten sei auch, dass der Zweitrevisionswerber ‑ ungeachtet der Mitwirkungspflicht arbeitsloser Personen ‑ verpflichtet sei, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Da die beim Dachverband gespeicherten Daten nicht ausreichend seien, müsse er selbst dafür Sorge tragen, über die erforderlichen Daten zu verfügen. Des Weiteren könnte der Zweitrevisionswerber bei einer ‑ vom BVwG verlangten ‑ Löschung der Daten dem Gleichheitsgrundsatz nicht nachkommen, weil die gesetzeskonforme Behandlung von Anträgen davon abhinge, ob alle erforderlichen Daten von früheren Vorgängen bei ihm noch vorhanden wären. Würde man § 25 Abs. 9 AMSG das Verständnis des BVwG zugrunde legen, müsste er als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Zweitrevisionswerber regt daher an, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 25 Abs. 9 AMSG zu stellen.

Nach Ansicht des Zweitrevisionswerbers sei eine auf Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO gestützte Verarbeitung personenbezogener Daten somit rechtmäßig, solange ihre Erforderlichkeit für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe nicht ausgeschlossen werden könne. Dafür sei wiederum relevant, ob die Daten aus einer anderen Quelle beschafft werden könnten (was hier nicht der Fall sei). Es sei eine ex‑ante Betrachtung anzustellen, für die aber keine Wahrscheinlichkeitsabwägung vorzunehmen sei (im Sinn einer Prognose, wie wahrscheinlich eine zukünftige Geltendmachung von Rechtsansprüchen sei); vielmehr sei für alle erdenklichen Konstellationen Vorsorge zu treffen. Der vorliegende Fall unterscheide sich auch von der dem Erkenntnis VfGH 12.12.2017, E 3249/2016, zugrunde gelegenen Konstellation, weshalb das BVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen sei.

Schließlich macht der Zweitrevisionswerber geltend, dass der Ausnahmetatbestand des § 25 Abs. 9 AMSG (Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen) entgegen der Ansicht des BVwG auch für Rechtsansprüche der von der Datenverarbeitung betroffenen Person (hier somit des Antragstellers auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe ‑ also des Mitbeteiligten) zur Anwendung gelange.

Die Bestimmung des § 25 Abs. 9 AMSG könne daher einer über sieben Jahre hinausgehenden Datenspeicherung nicht im Wege stehen. Eine fortgesetzte Datenverarbeitung könne vielmehr auf den Ausnahmetatbestand der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen gestützt werden.

45 Die belangte Behörde hält in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich an ihrer im Bescheid vom 3. Februar 2021 vertretenen (der Auffassung des BVwG entgegengesetzten) Rechtsansicht fest und bringt zusammengefasst vor, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 25 Abs. 9 AMSG. Zudem habe das BVwG keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, welche Daten betreffend den Mitbeteiligten in der Versicherungsdatei des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger gespeichert seien.

46 Der Mitbeteiligte wendet dagegen ein, die Sichtweise des Zweitrevisionswerbers laufe darauf hinaus, dass dieser die bei ihm gespeicherten Daten ohne die Notwendigkeit eines aktuellen Geschäftsfalles „quasi lebenslang“ aufbewahren dürfe. Dies sei weder verhältnismäßig noch mit den Intentionen der DSGVO in Einklang zu bringen.

47 2.5.2. Nach § 25 Abs. 9 AMSG sind die Daten gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung sieben Jahre nach Beendigung des jeweiligen Geschäftsfalles aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist verlängert sich um Zeiträume, in denen die Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen weiterhin benötigt werden oder andere rechtliche Vorschriften längere Fristen vorsehen.

48 Die Erläuterungen (RV 65 BlgNR 26. GP , 27) zum hier maßgeblichen Materien‑Datenschutz‑Anpassungsgesetz 2018 (im Folgenden: MDSAG 2018), mit dem Abs. 9 in § 25 AMSG eingefügt wurde, lauten auszugsweise:

„Abs. 9 regelt die Aufbewahrungsfristen der gemäß Abs. 1 verarbeiteten Daten und soll sicherstellen, dass die Daten entsprechend dem Bedarf der Behörde ausreichend lange verarbeitet werden dürfen. Die Aufbewahrungsfrist wird generell mit sieben Jahren nach Beendigung des Geschäftsfalles festgelegt. Als Beendigung eines Geschäftsfalles ist zB die Abmeldung von der Vormerkung als arbeitsuchend, das Ende der Geltungsdauer einer Beschäftigungsbewilligung oder das Ende eines Stellensuchauftrages zu verstehen.

Werden lang zurückliegende Daten eines Leistungsbezuges oder einer Vormerkung für einen späteren Leistungsantrag wiederum benötigt, können diese Daten im Wege der beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger bestehenden Versicherungsdatei übernommen werden.

Längere, über sieben Jahre hinausgehende Aufbewahrungsfristen können sich für Zwecke der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. [...]

Längere Aufbewahrungsfristen ergeben sich in einer auslaufenden Übergangsphase auch für Bezugs- und Vormerkzeiträume von ehemals arbeitslosen Personen, die Zeiträume vor der Speicherung pensionsrelevanter Bezugs- und Vormerkdaten arbeitsloser Personen in der Versicherungsdatei beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger (Zeiten vor 1976) betreffen und nicht aus dieser übernommen werden können, aber für die Beurteilung und Berechnung eines neuen Anspruches erforderlich sind. Diese Daten sind nicht sieben Jahre nach Beendigung des Geschäftsfalles zu löschen, wenn sie noch für die Geltendmachung von Rechtsansprüchen benötigt werden können.“

49 Der Gesetzgeber ist somit davon ausgegangen, dass die in § 25 Abs. 1 AMSG genannten Daten generell sieben Jahre aufbewahrt werden können und sich diese Aufbewahrungsfrist um Zeiträume verlängert, in denen die Daten „zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen“ weiterhin benötigt werden.

50 Vorauszuschicken ist, dass sich diese in § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG verwendete ‑ auf die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen abstellende - Formulierung auch in der DSGVO (vgl. etwa Art. 9 Abs. 2 lit. f, Art. 17 Abs. 3 lit. e oder Art. 18 Abs. 1 lit. c DSGVO) sowie in anderen innerstaatlichen datenschutzrechtlichen Regelungen findet (vgl. etwa § 19 Abs. 2 IEF‑Service‑GmbH‑Gesetz oder ‑ vor Inkrafttreten des Datenschutz‑Deregulierungs‑Gesetzes 2018, BGBl. I Nr. 24 ‑ die ähnliche Formulierung in § 9 Z 9 DSG 2000). Zur Auslegung des § 25 Abs. 9 AMSG kann daher auch auf die zu diesen Bestimmungen ergangene Rechtsprechung (bzw. das diesbezügliche Schrifttum) zurückgegriffen werden.

51 Der DSGVO liegt in diesem Zusammenhang der Gedanke zugrunde, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten (ua.) auch dann erlaubt sein soll, wenn sie erforderlich ist, um rechtliche Ansprüche, sei es in einem Gerichtsverfahren oder in einem Verwaltungsverfahren oder einem außergerichtlichen Verfahren, geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen (vgl. diesbezüglich Erwägungsgrund 52 der DSGVO). Der Oberste Gerichtshof hat ‑ im Zusammenhang mit Art. 9 DSGVO ‑ wiederum ausgesprochen, dass der Begriff Rechtsansprüche weit zu verstehen ist und Ansprüche des öffentlichen wie des Privatrechts umfasst (vgl. OGH 24.7.2019, 6 Ob 45/19i, Pkt. 4.2., mwN). Für den Verwaltungsgerichtshof sind keine Gründe ersichtlich, dies bei der hier maßgeblichen Bestimmung des § 25 Abs. 9 AMSG anders zu beurteilen.

52 2.5.3. Das BVwG vertritt (in einem ersten Schritt) die Auffassung, es seien keine dem Zweitrevisionswerber als Verantwortlichem zukommenden Rechtsansprüche aufgezeigt worden und der Zweitrevisionswerber könne diese Ausnahme nicht für die etwaige Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Mitbeteiligten heranziehen.

53 Entgegen dieser Ansicht ist jedoch weder dem Wortlaut des § 25 Abs. 9 AMSG (vgl. im Unterschied dazu § 9 Z 9 DSG 2000, der auf die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers abgestellt hat) noch den zugrundeliegenden Erläuterungen zu entnehmen, dass nur die Geltendmachung von Rechtsansprüchen des datenschutzrechtlich Verantwortlichen unter diese Bestimmung fällt. Unter den Begriff „Verteidigung von Rechtsansprüchen“ lassen sich vielmehr auch Fallkonstellationen subsumieren, in denen der Verantwortliche Rechtsansprüche eines Dritten (etwa des Antragstellers in einem Verwaltungsverfahren) abwehrt oder bestreitet. Es muss sich daher bei der Bestimmung des § 25 Abs. 9 AMSG nicht zwingend um Rechtsansprüche des Verantwortlichen handeln (vgl. in diesem Zusammenhang ‑ zu Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO ‑Herbst in Kühling/Buchner [Hrsg.], DSGVO3 [2020] Art. 17 Rz. 83, sowie Dix in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann [Hrsg.], Datenschutzrecht [2019] Art. 17 Rz. 37; vgl. auch Paal in Paal/Pauly [Hrsg.], DSGVO BDSG3 [2021] Art. 17 Rz. 46, der von der „Verteidigung gegen Rechtsansprüche“ spricht; ebenso Thiele/Wagner, DSG2 [2022] § 24 Rz. 153).

54 Das BVwG ist somit zu Unrecht davon ausgegangen, dass der gegenständliche Ausnahmetatbestand des § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG schon deshalb nicht zur Anwendung gelange, weil keine dem Zweitrevisionswerber als Verantwortlichem zukommenden Rechtsansprüche aufgezeigt worden seien.

55 2.5.4. Daraus ergibt sich aber aus nachstehenden Erwägungen für sich genommen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, weil das BVwG auch davon ausgegangen ist, dass es den vom Zweitrevisionswerber für die Maßgeblichkeit des Ausnahmetatbestandes ins Treffen geführten Konstellationen an der Relevanz für den vorliegenden Fall mangelt.

56 Festzuhalten ist zunächst, dass der Ausnahmetatbestand des § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG seinem Wortlaut nach („benötigt“) darauf abstellt, dass die fortgesetzte Speicherung durch den Verantwortlichen für die Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist (vgl. in diesem Zusammenhang ‑ zu Art. 18 DSGVO - Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr [Hrsg.], DS‑GVO3 [2024] Art. 18 Rz. 19). Dies wäre jedenfalls dann zu bejahen, wenn zum Zeitpunkt der Prüfung einer allenfalls gebotenen Beendigung der Aufbewahrung (somit einer Löschung) der personenbezogenen Daten ein derartiger Rechtsanspruch bereits geltend gemacht worden (oder dies absehbar) ist.

57 Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfGH 12.12.2017, E 3249/2016, Rn. 62, (im Zusammenhang mit der Aufbewahrung von Papierakten durch ein Finanzamt) festgehalten, dass der Hinweis auf die Möglichkeit eines zukünftigen Verfahrens beim EGMR ein Überwiegen an der Aufbewahrung der Daten gegenüber dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK nicht zu begründen vermag. Zwar lässt sich daraus nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine allgemeine Aussage zur Frage der Erforderlichkeit einer Datenverarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen (im Sinn der DSGVO oder des § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG) ableiten. Es ist aber nicht zu erkennen (und der Zweitrevisionswerber vermag dies auch nicht darzulegen), weshalb das BVwG mit seiner Entscheidung ‑ wie vom Zweitrevisionswerber behauptet ‑ von diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes abgewichen sein sollte.

58 Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang vielmehr, dass die Regelung über die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist in § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG als Abweichung und damit Ausnahme von der im ersten Satz leg. cit. vorgesehenen grundsätzlichen Aufbewahrungsfrist von sieben Jahren konzipiert ist. Die (in Rn. 48 zitierten) Erläuterungen sprechen diesbezüglich davon, dass die Frist „generell“ mit sieben Jahren festgelegt wird und diese Verarbeitung „ausreichend lange“ sei (RV 65 BlgNR 26. GP , 27). Würde man nun ‑ wie dies der Zweitrevisionswerber offenbar vor Augen hat ‑ eine Aufbewahrung über sieben Jahre hinaus schon allein deshalb als zulässig erachten, weil die Möglichkeit einer zukünftigen rechtlichen Auseinandersetzung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, so würde sich das Verhältnis zwischen den beiden dargestellten Anordnungen des § 25 Abs. 9 erster und zweiter Satz AMSG ins Gegenteil verkehren. Diesfalls wäre die unbefristete Aufbewahrung der Daten (über sieben Jahre hinaus) nämlich der Regelfall und die Löschung (Beendigung der Aufbewahrung) nach Ablauf von sieben Jahren wohl die Ausnahme. Ein derartiges Verständnis kann der dargestellten Bestimmung nach ihrem Wortlaut, der Systematik und den Gesetzesmaterialien aber nicht unterstellt werden.

59 Gegen die Sichtweise des Zweitrevisionswerbers spricht auch der Hinweis in den Erläuterungen darauf, dass länger zurückliegende Daten im Wege der Versicherungsdatei (der Sozialversicherungsträger) übernommen werden können. Dieser Hinweis wäre nicht einsichtig, wenn die Daten ohnehin bloß aufgrund der nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer zukünftigen rechtlichen Auseinandersetzung (über sieben Jahre hinaus) aufbewahrt werden könnten. Der bloße Umstand, dass ein Rückgriff auf die beim Dachverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten allenfalls einen zusätzlichen Aufwand für den Zweitrevisionswerber mit sich bringt, kann eine längere Aufbewahrung der Daten für sich genommen ebenfalls nicht rechtfertigen. Zwar ist in den Erläuterungen (im Zusammenhang mit einer näher dargestellten „Übergangsphase“) die Rede davon, dass bestimmte Daten nicht sieben Jahre nach Beendigung des Geschäftsfalles zu löschen sind, wenn sie noch für die Geltendmachung von Rechtsansprüchen „benötigt werden können“. Dies deutet darauf hin, dass in derartigen Fällen eine Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen noch nicht konkret absehbar sein muss. Nachdem sich diese Aussage aber (nur) im Zusammenhang mit einer („auslaufenden“) „Übergangsphase“ findet, kann auch daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Zweitrevisionswerber die betreffenden Daten grundsätzlich über sieben Jahre hinaus aufbewahren darf.

60 Die Regelung des § 25 Abs. 9 zweiter Satz AMSG kann somit nicht dahingehend verstanden werden, dass sie den Zweitrevisionswerber ohne Weiteres dazu ermächtigt, die in § 25 Abs. 1 AMSG genannten Daten generell länger als sieben Jahre aufzubewahren.

61 2.5.5. Dass das BVwG eine fallbezogene Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung der Daten (nach dem 25. Mai 2018 ‑ Inkrafttreten des MDSAG 2018) in unvertretbarer Weise verneint hat, vermag der Zweitrevisionswerber nicht aufzuzeigen:

62 Der Zweitrevisionswerber macht ‑ unter dem Gesichtspunkt, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis die Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben gefährdet werde ‑ geltend, ein Anspruch auf Leistungen (nach dem AlVG) sei nicht auf sieben Jahre befristet und könne ‑ insbesondere bei Vorliegen rahmenfristerstreckender Umstände (wie zB bei einer selbständigen Tätigkeit oder einem Auslandsaufenthalt) oder im Fall von Grenzgängern ‑ auch auf der Grundlage von Versicherungszeiten bzw. Leistungen zustehen, die mehr als sieben Jahre zurücklägen. Dabei handle es sich nach Ansicht des Zweitrevisionswerbers nicht um rein hypothetische Konstellationen, weil „pro Jahr durchschnittlich zwischen 670 und 1300 Fälle“ an Fortbezügen von Arbeitslosengeld vorlägen, deren Grundlage auf einen über sieben Jahre zurückliegenden Geschäftsfall zurückgehe. Auch eine Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Leistungen nach dem AlVG sei noch nach Ablauf von sieben Jahren möglich. Zudem macht der Zweitrevisionswerber geltend, es könne in der Versicherungsdatei zu falschen Speicherungen kommen, was sich auch im vorliegenden Fall zeige, weil darin ein Bezug von Arbeitslosengeld gespeichert sei, während der Mitbeteiligte tatsächlich Notstandshilfe bezogen habe.

63 Einzuräumen ist, dass in den Ausführungen in den Erläuterungen zur Zulässigkeit der längeren Aufbewahrung von Daten in der dort dargestellten Übergangskonstellation ein Konnex zur (in diesen Fällen) fehlenden Speicherung von Daten in der Versicherungsdatei des Dachverbandes hergestellt wird. Daraus könnte abgeleitet werden, dass die Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung von Daten durch den Zweitrevisionswerber auch in anderen Konstellationen möglich ist, in denen mit den in der Versicherungsdatei enthaltenen Daten für eine Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen schon grundsätzlich nicht das Auslangen gefunden werden kann. Dabei ist auch zu beachten, dass eine weitere Aufbewahrung von Daten beim Zweitrevisionswerber im Hinblick auf eine allfällige zukünftige Geltendmachung von Rechtsansprüchen (abhängig von dem in der Versicherungsdatei diesbezüglich enthaltenen Datensatz) den Interessen der betroffenen Person sogar dienlich sein kann. Dem Zweitrevisionswerber ist insoweit auch zuzugestehen, dass es in derartigen Fällen für die Beurteilung der Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung wohl nicht darauf ankommen kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach Ablauf von sieben Jahren erneut Ansprüche von arbeitslosen Personen geltend gemacht werden (und demnach vom Zweitrevisionswerber zu prüfen und potentiell abzuwehren sind). Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien enthalten nämlich Anhaltspunkte dafür, anhand welcher Parameter eine derartige Wahrscheinlichkeit zu beurteilen wäre (die Erläuterungen sprechen zudem davon, dass die Daten für die Geltendmachung von Rechtsansprüchen im dargestellten Übergangsfall noch „benötigt werden können“).

64 Allerdings vermag der Zweitrevisionswerber mit seinem Vorbringen das Vorliegen einer solchen Konstellation fallbezogen nicht aufzuzeigen. Dem Hinweis des Zweitrevisionswerbers auf die absoluten jährlichen Zahlen ist entgegenzuhalten, dass es vorliegend um die Speicherung (nur) der Daten des Mitbeteiligten geht und mit diesen absoluten Zahlen kein Bezug zur Erforderlichkeit der längeren Speicherung konkret dieser Daten aufgezeigt wird. Gleiches gilt für die Hinweise des Zweitrevisionswerbers auf diejenigen Konstellationen, in denen für die Bearbeitung eines Antrags auch Daten aus einem mehr als sieben Jahre zurückliegenden Geschäftsfall erforderlich sein können. Auch insoweit lässt sich der Revision nicht entnehmen, inwieweit vorliegend (zum Zeitpunkt der grundsätzlich gebotenen Löschung) eine derartige Konstellation absehbar oder bereits eingetreten gewesen sei. Der Zweitrevisionswerber bezieht sich mit diesem Vorbringen nach dem Gesagten nämlich gerade nicht auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls und die vom BVwG angenommene Verletzung des Mitbeteiligten durch die unrechtmäßige Verarbeitung im Zeitraum vom 25. Mai 2018 (Inkrafttreten des MDSAG 2018) bis zum neuerlichen Geschäftsfall im November 2019. Insofern kommt den in der Revision in diesem Zusammenhang vorgebrachten Beispielen für den vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Sie sind vielmehr von bloß theoretischer Natur. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen (vgl. etwa VwGH 6.3.2024, Ro 2021/04/0027, Rn. 25, mwN).

65 Auch soweit der Zweitrevisionswerber die Unrichtigkeit konkret der in der Versicherungsdatei gespeicherten Daten des Mitbeteiligten ins Treffen führt, legt er nicht dar, inwieweit diese (allfällige) Unrichtigkeit zum hier maßgeblichen Zeitpunkt eine Erforderlichkeit der weiteren Speicherung der Daten des Mitbeteiligten durch den Zweitrevisionswerber für seine Zwecke (Geltendmachung bzw. Verteidigung von Rechtsansprüchen) nach sich gezogen hätte.

66 Dem Vorbringen des Zweitrevisionswerbers zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens bzw. zu den fehlenden Feststellungen (hinsichtlich der in der Versicherungsdatei enthaltenen Daten sowie hinsichtlich der Anzahl an Bearbeitungen von Geschäftsfällen mit länger zurückliegenden Daten) ist entgegenzuhalten, dass er nicht darlegt, inwiefern es auf diese Ermittlungen bzw. Feststellungen fallbezogen ankäme bzw. inwiefern derartige Feststellungen im vorliegenden Fall ‑ somit im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der Daten des Mitbeteiligten ‑ zu einem anderen Ergebnis geführt hätten (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis etwa VwGH 16.10.2023, Ra 2023/07/0141, Rn. 18, mwN).

67 Ausgehend davon kann dem BVwG im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es fallbezogen davon ausgegangen ist, dass der Zweitrevisionswerber als Verantwortlicher eine Erforderlichkeit der weiteren Speicherung der Daten des Mitbeteiligten aus dem Geschäftsfall 1992‑1994 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MDSAG 2018 nicht aufgezeigt hat.

68 Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich schließlich auch nicht veranlasst, der Anregung des Zweitrevisionswerbers nachzukommen, die Aufhebung des § 25 Abs. 9 AMSG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Festlegung einer grundsätzlichen siebenjährigen Aufbewahrungsfrist, von der unter gewissen (im Gesetzeswortlaut in Verbindung mit den dargestellten Erläuterungen näher bestimmten) Voraussetzungen abgewichen werden kann, nicht als unsachlich anzusehen.

2.6. Datenminimierung und Datenrichtigkeit

69 Der Zweitrevisionswerber bringt schließlich noch vor, der vom BVwG begründend herangezogene Grundsatz der Datenminimierung (nach Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) sei mit dem (als höherwertig anzusehenden) Grundsatz der Datenrichtigkeit (nach Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO) in Einklang zu bringen. Da die Daten aus der Versicherungsdatei des Dachverbandes nicht immer zuverlässig seien, bestehe für den Zweitrevisionswerber die Gefahr, auf unrichtige Daten zurückgreifen zu müssen. Der Grundsatz der Datenminimierung habe daher zurückzutreten, wenn ein Verantwortlicher (wie hier) an der Richtigkeit der Daten eines Dritten berechtigte Zweifel haben müsse.

70 Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob an der Richtigkeit der in der Versicherungsdatei des Dachverbandes gespeicherten Daten generell berechtigte Zweifel bestehen durften. Die in Art. 5 Abs. 1 DSGVO normierten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten (darunter die Grundsätze der Datenminimierung nach lit. c leg. cit. und der Richtigkeit nach lit. d leg. cit.) richten sich nämlich an alle Verantwortlichen gleichermaßen und sind von diesen hinsichtlich der von ihnen verarbeiteten Daten einzuhalten. Eine allfällige Unrichtigkeit der vom Dachverband gespeicherten Daten wäre daher gegenüber diesem geltend zu machen. Zudem vermag der Zweitrevisionswerber auch nicht substantiiert aufzuzeigen, dass sich aus der behaupteten Unrichtigkeit (Bezug von Arbeitslosengeld anstatt von Notstandshilfe) fallbezogen die Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung der Daten des Mitbeteiligten durch den Zweitrevisionswerber ergeben hätte. Die Behauptung einer generellen Unzuverlässigkeit dieser Daten des Dachverbandes vermag eine längere Speicherung durch den Zweitrevisionswerber (über sieben Jahre hinaus) hingegen nicht pauschal zu rechtfertigen.

2.7. Ergebnis

71 Da die Revision des Zweitrevisionswerbers aus den dargestellten Erwägungen somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzeigt, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

72 Ein Abspruch über den Aufwandersatz konnte im Hinblick auf das Fehlen dahingehender Anträge des Mitbeteiligten und der belangten Behörde unterbleiben.

Wien, am 3. September 2024

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