Normen
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
EURallg
VwGG §39 Abs2 Z6
VwRallg
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art15
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art15 Abs1
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art15 Abs3
62021CJ0487 Österreichische Datenschutzbehörde und CRIF VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020040035.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Der Revisionswerber erhob mit Schriftsatz vom 29. November 2018 Datenschutzbeschwerde an die belangte Behörde wegen Verletzung im Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO durch die Mitbeteiligte.
2 Begründend brachte der Revisionswerber vor, er sei bei der Mitbeteiligten, einer näher genannten Religionsgemeinschaft, am 17. Dezember 2015 ausgetreten. Mit Schreiben vom 25. Mai 2018 habe er ein Auskunftsbegehren gemäß Art. 15 DSGVO an die Mitbeteiligte gerichtet. In diesem habe er ‑ im Wesentlichen ‑ „Auskunft durch Übermittlung aller automationsunterstützter verarbeiteter Daten [...] betreffend [seine Person] (insbesondere auch E‑Mails, Briefe, Auszüge aus Datenbanken, udgl) [...] samt einer vollständigen Kopie der [...] ‚Verkündigerberichtskarte der Versammlung‘ [sowie] Auskunft über die Verarbeitungszwecke[,] die Kategorien der Daten[,] die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben worden sind und noch weitergegeben werden, [...] die geplante Speicherfrist für die Daten, [...] das Vorliegen von Entscheidungen, die auf der automatisierten Verarbeitung einschließlich Profiling beruhen [und] über die Herkunft der Daten“ begehrt. Die Mitbeteiligte habe zwar zunächst den Erhalt des Auskunftsbegehrens bestätigt, sei jedoch ihrer Auskunftspflicht sodann nicht nachgekommen.
3 1.2. Nach entsprechenden Aufforderungen durch die belangte Behörde übermittelten sowohl der Revisionswerber als auch die mitbeteiligte Partei mehrere Stellungnahmen und Schreiben an die belangte Behörde.
4 (Insbesondere) mit dem der Stellungnahme vom 17. Dezember 2018 beigefügten Schreiben vom 14. Dezember 2018 erteilte die mitbeteiligte Partei ‑ im Wesentlichen ‑ Auskunft über „die über den [Revisionswerber] gespeicherten Daten“ (inkl. deren Kategorien), die Verarbeitungszwecke, die Aufbewahrungsdauer, den Umstand, dass keine Weitergabe der Daten an Dritte erfolge, sowie den Umstand, dass die Verarbeitung der Daten „nicht im Zusammenhang mit einer automatisierten Entscheidungsfindung oder einem Profiling“ stehe. Die mitbeteiligte Partei erteilte dem Revisionswerber im Speziellen auch darüber Auskunft, dass sie den zwischen dem Revisionswerber und ihr getätigten Schriftverkehr elektronisch speichere.
5 (Insbesondere) mit Stellungnahme vom 9. Jänner 2019 gab der Revisionswerber bekannt, dass die mitbeteiligte Partei seinem Auskunftsbegehren ‑ trotz dieser Stellungnahme(n) ‑ nicht hinlänglich nachgekommen sei. Es würden Fotokopien „von den Originalen der gespeicherten Daten“, insbesondere von der „Verkündigerberichtskarte der Versammlung“ fehlen.
6 Die mitbeteiligte Partei entsprach diesem Begehren des Revisionswerbers ‑ gestützt auf die Rechtsansicht, dass aus Art. 15 DSGVO kein Recht auf Fotokopie von Dokumenten, in denen sich datenschutzrechtlich relevante Daten befinden, abgeleitet werden könne ‑ (auch) in weiterer Folge nicht.
7 2.1. Mit Bescheid vom 29. August 2019 gab die belangte Behörde der Datenschutzbeschwerde teilweise statt und stellte fest, „dass die [mitbeteiligte Partei] den [Revisionswerber] dadurch im Recht auf Auskunft verletzt hat, indem sie ihm einerseits keine Kopien der Dokumente, die personenbezogene Daten des [Revisionswerbers] enthalten und elektronisch in den Systemen der [mitbeteiligten Partei] gespeichert sind, bereitgestellt hat, und andererseits, indem sie ihm keine Auskunft über die Herkunft seiner Daten erteilt hat.“ (Spruchpunkt 1.). Die belangte Behörde trug der mitbeteiligten Partei auf, dem Revisionswerber „Kopien der Dokumente, die personenbezogene Daten des [Revisionswerbers] enthalten und elektronisch in den Systemen der [mitbeteiligten Partei] gespeichert sind, sowie Auskunft über die Herkunft seiner Daten innerhalb einer Frist von vier Wochen bereitzustellen“ (Spruchpunkt 2.). Im Übrigen wies die belangte Behörde die Datenschutzbeschwerde ab (Spruchpunkt 3.).
8 2.2. Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) „soweit [ihr] im angefochtenen Bescheid auferlegt wird, dem [Revisionswerber] Kopien der Dokumente, die personenbezogene Daten des [Revisionswerbers] enthalten und elektronisch in den Systemen der [mitbeteiligten Partei] gespeichert sind, bereitzustellen.“
9 2.3. Die belangte Behörde erließ am 13. November 2019 eine Beschwerdevorentscheidung, mit der sie den Bescheid vom 29. August 2019 dahingehend abänderte, „dass die Spruchpunkte 1. und 2. nun wie folgt zu lauten haben:
1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und es wird festgestellt, dass die [mitbeteiligte Partei] den [Revisionswerber] dadurch im Recht auf Auskunft verletzt hat, indem sie ihm einerseits keine Kopien der personenbezogenen Daten des [Revisionswerbers], die in Dokumenten, die personenbezogene Daten des [Revisionswerbers] enthalten und elektronisch in den Systemen der [mitbeteiligten Partei] gespeichert sind, bereitgestellt hat und andererseits, indem sie ihm keine Auskunft über die Herkunft seiner Daten erteilt hat.
2. Der [mitbeteiligten Partei] wird aufgetragen, dem [Revisionswerber] Kopien der personenbezogenen Daten des [Revisionswerbers], die in Dokumenten, die personenbezogene Daten des [Revisionswerbers] enthalten und elektronisch in den Systemen der [mitbeteiligten Partei] gespeichert sind, sowie Auskunft über die Herkunft seiner Daten innerhalb einer Frist von vier Wochen bereitzustellen.“
10 2.4. Dagegen stellte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 21. November 2019 einen Vorlageantrag an das BVwG.
11 3.1. Mit gegenständlich angefochtenem Erkenntnis gab das BVwG der Beschwerde Folge und änderte die Beschwerdevorentscheidung vom 13. November 2019 dahingehend ab, „sodass Spruchpunkt 1. und 2. wie folgt zu lauten haben:
1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und es wird festgestellt, dass die [mitbeteiligte Partei] den [Revisionswerber] dadurch im Recht auf Auskunft verletzt hat, indem sie ihm keine Auskunft über die Herkunft seiner Daten erteilt hat.
2. Der [mitbeteiligten Partei] wird aufgetragen, dem [Revisionswerber] Auskunft über die Herkunft seiner Daten innerhalb einer Frist von vier Wochen bereitzustellen.“ (Spruchpunkt A.).
Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).
12 Das BVwG stellte zusammengefasst folgenden Sachverhalt fest:
13 Die mitbeteiligte Partei habe dem Revisionswerber mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 eine Auflistung der von ihr zu seiner Person konkret verarbeiteten Daten übermittelt. Die „konkret bekanntgegebenen Daten“ seien unter anderem in der „Verkündigerberichtskarte“ gespeichert. Dieses Dokument „befinde sich ‑ aus religionsrechtlichen Gründen ‑ in einem verschlossenen Umschlag, in einer nur den Geistlichen [einer näher genannten] Versammlung zugänglichen Ablage“. Zudem habe die mitbeteiligte Partei dem Revisionswerber auch Auskunft darüber erteilt, welche konkret ihn betreffenden Daten sie elektronisch verarbeite (darunter auch insbesondere den zwischen ihr und ihm getätigten Schriftverkehr).
14 In seiner rechtlichen Begründung führte das BVwG ‑ im Wesentlichen ‑ aus, Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG sei ausschließlich der „mittels Beschwerdevorentscheidung abgeänderte Ausspruch in Spruchpunkt 1. und 2. in Bezug auf die Bereitstellung von Kopien von Dokumenten und zwar ‑ wie in der Begründung des Ausgangsbescheids näher ausgeführt ‑ konkret vom (in der Auskunft vom 14. Dezember 2018 dargelegten elektronisch erfassten) Schriftverkehr der [mitbeteiligten Partei] mit dem [Revisionswerber]. Die sonstigen (trennbaren) Spruchelemente des Ausgangsbescheids wurden im vorliegenden Fall nicht bekämpft, weshalb diese vom erkennenden Senat auch nicht in Prüfung gezogen werden können. [...] Dass ‑ wie im Ausgangsbescheid in Spruchpunkt 3. ausgesprochen ‑ die [mitbeteiligte Partei dem Revisionswerber] bereits eine (vollständige) Auskunft in Bezug auf die bei ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten [des Revisionswerbers] nach Art 15 Abs. 1 DSGVO erteilt hat sowie dieser auch keine Verpflichtung zur Übermittlung von im verschlossenen Umschlag befindlicher Dokumente [(unter anderem der „Verkündigerberichtskarte der Versammlung“)] im Rahmen des Auskunftsrechts zukommt, steht [...] außer Zweifel [und liege] außerhalb des vorliegenden Prüfumfangs“.
15 Das Recht auf Auskunft werde gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO auf personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DSGVO beschränkt. „Da der Begriff der personenbezogenen Daten nach Art 4 Abs. 1 DSGVO vielfältig [sei] und nicht (immer) auf einzelne Daten beschränkt sein muss (siehe dazu Erwägungsgrund 63 [der DSGVO] sowie EuGH, 20.12.2017, C[‑]434/16 [...]), kann es ‑ dem Erfordernis einer transparenten Information entsprechend ‑ daher mitunter im Einzelfall erforderlich und auch zweckmäßig sein, dass auch einzelne Textpassagen oder auch Dokumente [(in Kopie)] der betroffenen Person vom Verantwortlichen zur Verfügung zu stellen sind. Ein generelles Recht auf Erhalt von Dokumenten, in denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, kann aus Art. 15 DSGVO aber nicht abgeleitet werden.“
16 Die Regelung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO sei eine „Modifikation der Form der Unterrichtung“, sohin kein eigenständiges, „insbesondere neben dem Recht auf Auskunft nach Art 15 Abs. 1 DSGVO bestehendes Recht auf Erhalt einer Kopie. Art 15 Abs. 3 DSGVO legt vielmehr fest, dass das Recht auf Auskunft nach Art 15 Abs. 1 DSGVO in Form einer Kopie der Daten der betroffenen Person vom Verantwortlichen zur Verfügung zu stellen ist, weshalb der betroffenen Person ein Recht auf Erhalt einer Kopie allein in Bezug auf ihr Auskunftsrecht zukommt“.
17 Im gegenständlichen Verfahren sei dem Revisionswerber von der mitbeteiligten Partei eine vollständige Auflistung der über ihn verarbeiteten personenbezogenen Daten übermittelt worden. Weder habe der Revisionswerber nähere Gründe dafür vorgebracht, „inwiefern die [ihm] bereits bekanntgegebenen personenbezogenen Daten ohne Bereitstellung ihres ([ihm] ohnedies bekannten) Schriftverkehrs mit der [mitbeteiligten Partei] nicht nachvollziehbar seien“, noch seien derlei Gründe für den erkennenden Senat ersichtlich. „Da entgegen der Annahme [des Revisionswerbers] und der belangten Behörde Art 15 Abs. 3 DSGVO der betroffenen Person kein neben dem Auskunftsrecht bestehendes eigenständiges und damit zusätzliches Recht auf Erhalt von Kopien einräumt, besteht keine Rechtsgrundlage dafür, der [mitbeteiligten Partei] zusätzlich eine Bereitstellung von Kopien in Bezug auf die bereits erteilte Auskunft aufzuerlegen.“
18 Die Revision sei zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 3 DSGVO fehle.
19 3.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
20 In der Zulässigkeitsbegründung verweist der Revisionswerber zunächst auf die ‑ in Rn. 17 wiedergegebene ‑ Begründung des BVwG zum Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Er führt dazu ‑ im Wesentlichen ‑ näher aus, es fehle Rechtsprechung zur Frage, inwieweit das Recht auf Erhalt einer Kopie ein eigenständiges, neben dem Recht auf Auskunft bestehendes Recht sei.
21 Im Übrigen macht der Revisionswerber geltend, dem angefochtenen Erkenntnis liege ein Verfahrensmangel zu Grunde. Es könne dem Bescheid der belangten Behörde nämlich entgegen der Annahme des BVwG nicht entnommen werden, „dass das Recht auf Auskunft des [Revisionswerbers] von der [mitbeteiligten Partei] bereits erfüllt worden sei“.
22 3.3. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
23 Die Revision erweist sich als zulässig, aus nachstehenden Erwägungen jedoch als nicht berechtigt.
24 4.1. Die maßgeblichen Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz‑Grundverordnung; DSGVO), ABl. L119 vom 4. Mai 2016, S. 1, lauten auszugsweise:
„Artikel 4
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
1. ‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden ‚betroffene Person‘) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online‑Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;
(...)
Artikel 15
Auskunftsrecht der betroffenen Person
(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:
a) die Verarbeitungszwecke;
b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und ‑ zumindest in diesen Fällen ‑ aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.
(...)
(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.
(4) Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 1b darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.“
25 4.2. Zum ‑ im gegenständlichen Revisionsverfahren maßgeblichen ‑ Bedeutungsgehalt des Art. 15 Abs. 3 DSGVO, im Speziellen der Wortfolge „Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.“, ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 4. Mai 2023 in der Rechtssache C‑487/21 (Österreichische Datenschutzbehörde und CRIF) zu verweisen.
26 Zur Frage, ob Art. 15 Abs. 3 Satz 1 ein ‑ gegenüber dem Recht gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO ‑ eigenständiges, sohin zusätzliches Recht gewährt, führt der EuGH in den dortigen Rn 29 bis 32 aus:
„29 Allerdings ist festzustellen, dass der Wortlaut dieser Bestimmung für sich genommen [...] keinen Hinweis auf ein etwaiges Recht enthält, nicht nur eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, sondern auch eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken, die u. a. diese Daten enthalten, zu erlangen.
30 Zum Kontext von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ist festzustellen, dass Art. 15 (‚Auskunftsrecht der betroffenen Person‘) Abs. 1 DSGVO den Gegenstand und den Anwendungsbereich des der betroffenen Person zustehenden Auskunftsrechts festlegt und darin deren Recht verankert, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen Auskunft über ihre personenbezogenen Daten sowie die in den Buchst. a bis h dieses Absatzes genannten Informationen zu erhalten.
31 Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem für die Verarbeitung Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er u. a. in Satz 1 die Form festlegt, in der dieser Verantwortliche die ‚personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind‘, zur Verfügung stellen muss, nämlich in Form einer ‚Kopie‘. Außerdem heißt es in Satz 3 dieses Absatzes, dass die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen sind, wenn die betroffene Person den Antrag elektronisch stellt, sofern sie nichts anderes angibt.
32 Daher kann Art. 15 DSGVO nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewährt. Im Übrigen bezieht sich, wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen betont hat, der Begriff ‚Kopie‘ nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält und die vollständig sein müssen. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.“
27 Zur Frage, ob aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO für eine betroffene Person ein unbedingtes Recht auf Erlangung einer Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die unter anderem personenbezogene Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, enthalten, abzuleiten ist, hält der EuGH in diesem Urteil fest:
„34 Somit muss es der betroffenen Person durch die Ausübung des in Art. 15 DSGVO vorgesehenen Auskunftsrechts nicht nur ermöglicht werden, zu überprüfen, ob sie betreffende Daten richtig sind, sondern auch, ob sie in zulässiger Weise verarbeitet werden [...].
...
38 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 54 und 55 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zu treffen hat, um der betroffenen Person alle u. a. in Art. 15 DSGVO genannten Informationen in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln, und dass die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch zu erfolgen hat, es sei denn, die betroffene Person verlangt, dass diese mündlich erteilt werden. Diese Bestimmung, die Ausdruck des Transparenzgrundsatzes ist, soll gewährleisten, dass die betroffene Person in die Lage versetzt wird, die an sie gerichteten Informationen in vollem Umfang zu verstehen.
39 Daraus folgt, dass die vom Verantwortlichen nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO zur Verfügung zu stellende Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, alle Merkmale aufweisen muss, die es der betroffenen Person ermöglichen, ihre Rechte aus dieser Verordnung wirksam auszuüben, und diese Daten daher vollständig und originalgetreu wiedergeben muss.
...
41 Um zu gewährleisten, dass die so bereitgestellten Informationen leicht verständlich sind, wie es Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit dem 58. Erwägungsgrund der DSGVO verlangt, kann sich nämlich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 und 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. personenbezogene Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten.
42 Insbesondere wenn personenbezogene Daten aus anderen Daten generiert werden oder wenn sie auf freien Feldern beruhen, d. h. einer fehlenden Angabe, aus der eine Information über die betroffene Person hervorgeht, ist der Kontext, in dem diese Daten Gegenstand der Verarbeitung sind, unerlässlich, damit die betroffene Person eine transparente Auskunft und eine verständliche Darstellung dieser Daten erhalten kann.“
28 Zusammenfassend beantwortet der EuGH die ihm vorgelegten Fragen in dem erwähnten Urteil dahingehend, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO dahin auszulegen sei, dass das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird. Dieses Recht umfasst gegebenenfalls auch den Anspruch, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind (Unterstreichungen durch den VwGH).
29 4.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH erweisen sich die rechtlichen Schlussfolgerungen des Bundesverwaltungsgerichts im angefochtenen Erkenntnis betreffend den Bedeutungsgehalt des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO als zutreffend. Das BVwG ging im Ergebnis zu Recht davon aus, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO dem Revisionswerber neben seinem Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO kein zusätzliches ‑ eigenständiges ‑ Recht auf Kopien von Auszügen aus Dokumenten, ganzen Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken, die seine personenbezogenen Daten enthalten, einräumt. Art. 15 Abs. 3 (Satz 1) DSGVO stellt nämlich nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH (bloß) eine Regelung für die Form der Unterrichtung dar, die erforderlichenfalls sicherstellen soll, dass die zu gewährende Auskunft auf verständliche Art erfolgt.
30 Auch ging das BVwG zutreffend davon aus, dass dem Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO ‑ insbesondere auch im Hinblick auf den Grundsatz der Transparenz gemäß dem 58. Erwägungsgrund der DSGVO ‑ unter bestimmten Umständen nur dann hinreichend entsprochen werde, wenn der betroffenen Person vom für die Verarbeitung Verantwortlichen (auch) Kopien von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die personenbezogene Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, enthalten, zur Verfügung gestellt werden. In sinngemäßer Übereinstimmung mit den entsprechenden Erwägungen des EuGH im Urteil vom 4.5.2023, C‑487/21, insb. Rn. 41 f, ging das BVwG davon aus, dass es bei der Beurteilung, ob derlei Kopien zur Verfügung zu stellen sind, auf die Umstände des Einzelfalls ankomme.
31 Fallbezogen führte das BVwG aus, dass weder der Revisionswerber konkrete Gründe dafür vorgebracht habe, dass sich die Zurverfügungstellung derlei Kopien im Hinblick auf deren Verständlichkeit oder zur wirksamen Ausübung der (weiteren) durch die DSGVO verliehenen Rechte als unerlässlich erweise, noch seien solche Gründe ersichtlich gewesen wären. Sofern die Revision darauf abzielt, es seien zu Unrecht von der mitbeteiligten Partei keine Kopien von Auszügen von Dokumenten bzw. ganzen Dokumenten bzw. Auszügen aus Datenbanken, die seine personenbezogenen Daten, enthalten, zur Verfügung gestellt worden, ist auf diese Ausführungen zu verweisen. Dass diese Einzelfallbeurteilung unzutreffend wäre, zeigt der Revisionswerber nicht auf.
32 4.4. Zum weiteren Revisionsvorbringen ist Folgendes vorauszuschicken: Wenn der Spruch eines Bescheides auslegungsbedürftig in dem Sinn ist, dass er für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt aufkommen lässt, dann kann und muss seine Begründung zur Deutung ‑ also nicht zur Ergänzung oder Ausweitung ‑ von Sinn und Inhalt der darin verkörperten individuellen Norm herangezogen werden. Diesfalls kommt der Grundsatz zum Tragen, dass der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen ist und Spruch und Begründung des Bescheides eine Einheit bilden (vgl VwGH 10.7.2018, Ra 2018/05/0167). Die Auslegung eines Bescheidspruchs hängt jeweils von der Auslegung im Einzelfall ab (vgl. VwGH 21.10.2021, Ra 2021/07/0087).
33 Soweit die Revision vorbringt, das BVwG sei unzutreffend davon ausgegangen, der Bescheid enthalte die Aussage, „dass das Recht auf Auskunft des [Revisionswerbers] von der [mitbeteiligten Partei] bereits erfüllt worden sei“, zeigt diese nicht auf, inwiefern die Auslegung durch das BVwG betreffend den Umfang des Verfahrensgegenstandes ausgehend vom Bescheid der belangten Behörde vom 29. August 2019 rechtswidrig sei:
34 Mit diesem Bescheid wurde die Datenschutzbeschwerde des Revisionswerbers in ihrem über das Begehren betreffend die Zurverfügungstellung von Kopien und den Erhalt der Auskunft über die Herkunft der Daten hinausgehenden Umfang abgewiesen, wobei die belangte Behörde in der Begründung des Bescheids davon ausging, dass die Mitbeteiligte dem Revisionswerber eine vollständige Auskunft über die bei ihr verarbeiteten Daten erteilt habe. Mangels Bekämpfung des abweisenden Spruchpunktes seitens des Revisionswerbers ‑ es erhob lediglich die hier Mitbeteiligte Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde ‑ war der über diesen Verfahrensgegenstand hinausgehende Teil der Datenschutzbeschwerde als rechtskräftig erledigt anzusehen. Die Beschwerdevorentscheidung umfasste aus diesem Grund auch lediglich den Ausspruch betreffend die Aushändigung der Kopien und die Erteilung der Auskunft betreffend die Herkunft der Daten. Allein dies stellte wiederum nur den Gegenstand der vor dem BVwG zu behandelnden Beschwerde der Mitbeteiligten dar. Das BVwG ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass Verfahrensgegenstand vor dem Verwaltungsgericht nur noch das Begehren auf Aushändigung der Kopien der personenbezogenen Daten und die Erteilung der Auskunft über deren Herkunft war.
35 4.5. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG entfallen, weil die vorliegende Revisionssache ausschließlich von Rechtsfragen abhängt, die keinen komplexen Charakter haben, zumal für die zentrale Rechtsfrage bereits auf die Judikatur des EuGH verwiesen werden konnte (vgl. zu Rechtsfragen ohne besondere Komplexität etwa VwGH 18.2.2015, Ro 2014/10/0039, mwN).
36 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
37 Die mitbeteiligte Partei stellte in der Revisionsbeantwortung kein Aufwandersatzbegehren.
Wien, am 3. August 2023
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