European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023190322.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 5. Mai 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe in Pakistan eine Christin geheiratet. Die religiösen Mullahs hätten deswegen die Familie seiner Frau angeworben, um den Revisionswerber zu töten. Ein Freund des Revisionswerbers sei deshalb bereits getötet worden.
2 Mit Bescheid vom 29. Juni 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zu ihrer Zulässigkeit wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit Verweis auf mehrere Textpassagen aus dem Erkenntnis zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG, weil diese unvollständig und nicht nachvollziehbar sei. Dem BVwG sei die Tendenz anzulasten, jegliche Unklarheit ausschließlich zu Lasten des Revisionswerbers zu werten.
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 29.6.2023, Ra 2023/19/0147, mwN).
9 Das BVwG setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander und gelangte zu dem Ergebnis, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) angeführten Grund nicht gegeben sei. Dabei schloss es sich in seiner Beweiswürdigung den Ausführungen des BFA an und begründete dies unter anderem damit, dass die Angaben des Revisionswerbers zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten enthielten, insbesondere hinsichtlich des Aufenthalts seiner Familie, dem Kontakt zu seiner Familie, des konkreten Datums des Angriffes, der Anzahl der Angreifer, seiner Erwerbstätigkeit, seiner Kenntnisse über das Christentum und seines Herkunftsortes. Aufgrund der Vielzahl an Widersprüchen sei es dem Revisionswerber nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Diesen Erwägungen setzt die Revision, die sich bloß pauschal gegen drei Textpassagen aus dem ausführlich begründeten Erkenntnis wendet, nichts Stichhaltiges entgegen und zeigt insofern nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet.
10 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das BVwG sei voreingenommen gewesen, weil es die Angaben des Revisionswerbers zu dessen Nachteil auslege und grundsätzlich von der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers ausgehe, spricht sie damit eine mögliche Befangenheit der erkennenden Richterin an.
11 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorliegenden Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichtes an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. VwGH 3.5.2023, Ra 2023/19/0026, mwN).
12 Die von der Revision zitierten beweiswürdigenden Ausführungen der erkennenden Richterin in dem angefochtenen Erkenntnis sind ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht geeignet, den Anschein der Befangenheit zu begründen (vgl. zu Indizien einer möglichen Befangenheit etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0676, Rn. 15, mwN).
13 Soweit die Revision des Weiteren Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungsmängel hinsichtlich der vom BVwG herangezogenen Länderberichte ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen führt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 21.6.2023, Ra 2023/20/0229, mwN).
14 Diesen Erfordernissen wird die vorliegende Revision nicht gerecht. Denn es wird nicht hinreichend konkret dargelegt, welcher Sachverhalt bei Vermeidung der behaupteten Fehler hätte festgestellt werden können und inwiefern in rechtlicher Hinsicht für den Revisionswerber ein günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Zulässigkeitsbegründung der Revision enthält auch keine Darlegung, weshalb das Verwaltungsgericht von der Notwendigkeit weiterer von Amts wegen vorzunehmender Erhebungen hätte ausgehen müssen.
15 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 7. September 2023
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