VwGH Ra 2023/19/0026

VwGHRa 2023/19/00263.5.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision der R H, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wächtergasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2022, W101 2218804‑1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023190026.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 8. Februar 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte sie zunächst vor, sie habe Syrien wegen des Krieges verlassen und sie befürchte Repressalien der türkischen Besatzungsmacht. Die Gültigkeit ihres Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet habe mit der Scheidung von ihrem Ehemann geendet, weshalb sie einen Antrag auf Asyl stelle. Darüber hinaus befürchte sie eine Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen, die Verfolgung durch das syrische Regime und eine Verfolgung aufgrund ihrer Eigenschaft als alleinstehende Frau.

2 Mit Bescheid vom 4. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte.

3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die vorliegende Revision wendet sich zunächst (der Sache nach) gegen die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung und bringt dazu im Wesentlichen vor, das BVwG habe die konkreten Aussagen der ‑ in Syrien als alleinstehend geltenden ‑ Revisionswerberin außer Acht gelassen und der versuchten Vergewaltigung durch einen Offizier keine Beachtung geschenkt. Das BVwG sei „nahezu willkürlich von einer Unglaubwürdigkeit der Revisionswerberin ausgegangen“. Darüber hinaus stimme das Vorbringen der Revisionswerberin mit den Länderfeststellungen im Bescheid des BFA zur Zwangsrekrutierung von Frauen überein.

6 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zuletzt etwa VwGH 9.3.2023, Ra 2022/19/0196, mwN).

7 Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin zu den Gründen ihrer Flucht auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, weshalb es zum Ergebnis gelangte, ihr (unter anderem widersprüchliches) Vorbringen habe sich als nicht glaubwürdig erwiesen. So habe die Revisionswerberin im weiteren Verlauf des Verfahrens eine Bedrohung durch die türkischen Streitkräfte nicht mehr vorgebracht. Darüber hinaus habe sie lediglich allgemein vorkommende Zwangsrekrutierungen durch Kurden ‑ ohne dabei konkrete, sie selbst betreffende Zwangsrekrutierungsversuche darzulegen ‑ geschildert. Auf den Vorhalt hin, dass ihrem Reisepass legale Ausreisen in den Libanon im Jahr 2018 zu entnehmen seien und sie in Damaskus studiert habe, habe die Revisionswerberin lediglich relativierend entgegnet, den Kontakt mit syrischen Behörden vermieden zu haben und dass ihre Probleme erst im Jahr 2017 begonnen hätten. Der Revisionswerberin sei es nicht möglich gewesen, eine schlüssige Erklärung für die Widersprüche in ihrem Vorbringen zu liefern. Es erschließe sich nicht, wie die Revisionswerberin, die sich während ihres Studiums in Damaskus aufgehalten habe, in einem vom syrischen Regime kontrollierten Gebiet von Zwangsrekrutierungen durch die Kurden betroffen gewesen sein könnte. Konkrete auf sie bezogene Verfolgungshandlungen habe die Revisionswerberin nicht geltend gemacht.

Schließlich führte das BVwG aus, der Revisionswerberin drohe als alleinstehende kurdische Frau mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine individuelle Verfolgung von hinreichender Intensität. Sie sei in der Umgebung von Damaskus aufgewachsen, habe in der Stadt Damaskus ein Hochschulstudium absolviert und sei eigenständig sowie legal aus Syrien aus- und in den Libanon eingereist.

8 Der Revision gelingt es mit ihrem (im Wesentlichen) pauschal gebliebenen Zulässigkeitsvorbringen nicht, eine den beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG anhaftende und vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit aufzuzeigen.

9 Darüber hinaus lässt die Revision die für sich tragfähige Alternativbegründung des BVwG außer Acht (zur Unzulässigkeit einer Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung vgl. etwa VwGH 13.1.2021, Ra 2020/14/0287, mwN).

So sei selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens dennoch keine asylrelevante Verfolgung anzunehmen, weil es sich bei der Entführung durch den IS sowie dem Vergewaltigungsversuch durch einen syrischen Soldaten um einmalige Vorfälle gehandelt habe, die keine anhaltende Verfolgungsgefahr durch syrische Behörden oder Private nahelegen würde.

Dagegen wendet sich die vorliegende Revision nicht.

10 Schließlich macht die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung eine Befangenheit der erkennenden Richterin geltend. So sei bei Durchsicht der Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Eindruck entstanden, dass sich die Richterin bereits vorab ein Bild von der Revisionswerberin gemacht habe. Die Revision stützt sich „insbesondere“ auf die Bemerkungen der erkennenden Richterin, wonach es „außergewöhnlich [sei], dass eine Absolventin eines Universitätsstudiums mit einem Taxifahrer verheiratet“ gewesen sei, die Revisionswerberin den Problemen mit ihrem Ehemann hätte entgehen können, indem sie den Kontakt mit ihm abgebrochen hätte und die versuchte Vergewaltigung zwar ein fürchterliches Ereignis gewesen sei, aber als ein einmaliges zu betrachten sei, das „ohne weitere Folgen geblieben“ sei. Auch die Frage der erkennenden Richterin dahingehend, wieso der syrische Offizier, der versucht hätte, die Revisionswerberin zu vergewaltigen, noch weiter ein Interesse an ihrer Verfolgung haben sollte, wird in der Revision hervorgehoben.

11 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorliegenden Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichtes an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. VwGH 25.1.2022, Ra 2021/19/0128, mwN).

12 Die in der Niederschrift von der Revision zitierten Bemerkungen der erkennenden Richterin sind ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht geeignet, den Anschein der Befangenheit zu begründen (vgl. dazu erneut VwGH Ra 2021/19/0128, mwN).

13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2023

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