VwGH Ra 2023/07/0088

VwGHRa 2023/07/008815.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des J H in S, vertreten durch die Hübel & Payer Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Paris‑Lodron‑Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 28. November 2022, Zl. 405‑1/796/1/21‑2022, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See; mitbeteiligte Parteien: 1. Wassergenossenschaft L, vertreten durch Obmann C A in S; 2. Wasserverband S, vertreten durch Obmann J H in S), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
WRG 1959 §41
WRG 1959 §42a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023070088.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 27. Juni 2022 wurde den mitbeteiligten Parteien die wasserrechtliche Bewilligung zur Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen für die S in einem näher genannten Abschnitt, in zwei näher bezeichneten Abschnitten der L Ache sowie von Maßnahmen im Bereich der Hofstelle B. (auf einem Grundstück des Revisionswerbers) und in näher genannten Ortsteilen der Stadtgemeinde S und der Gemeinde L erteilt.

2 Unter Spruchpunkt IV.2. (Zwangsrechte) des Bescheides wurde eine Grundfläche im Eigentum des Revisionswerbers abgelöst („Enteignung/Ablöse“) und der Revisionswerber verpflichtet, die Umsetzung von näher dargestellten Maßnahmen und geänderte Überflutungsverhältnisse ‑ mit teilweise dauerhafter, teilweise vorübergehender Beanspruchung näher genannter Grundstücke ‑ als Grunddienstbarkeit zu dulden. Dazu wurden unter Spruchpunkt V. Entschädigungsleistungen an den Revisionswerber festgelegt.

3 Die vom Revisionswerber gegen den Bewilligungsbescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

4 Beweiswürdigend stellte das Verwaltungsgericht unter anderem fest, beim vorgelegten Projekt handle es sich um flussbauliche Maßnahmen. Veranlassung und Auslöser der beantragten Maßnahmen seien nicht zuletzt die Überflutungen in näher bezeichneten Bereichen im Jahr 2013.

Ziel der geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen sei die Sicherstellung des Schutzes des Siedlungsraumes und der sonstigen Infrastruktur entlang der S und der L Ache bis zu bestimmten, anhand der aktuell geltenden Gefahrenzonenplanung für den gegenständlichen Betrachtungsbereich definierten Bemessungshochwässern, ohne den einen wasserwirtschaftlichen Planungsgrundsatz darstellenden schadlosen Vorlandabfluss mit der damit verbundenen und für die Hochwasserabfuhr günstigen Fließreduktion zu reduzieren.

5 Die Grundstücke des Revisionswerbers seien durch drei näher genannte Maßnahmen („M5“, „M6“ und „M8“) betroffen. Durch das gegenständliche Hochwasserschutzprojekt würden die Hofstelle des B.‑gutes (des Revisionswerbers) und westlich der Hofstelle gelegene Flächen hochwasserfrei gestellt. Jedoch könne es ‑ als Nachteile ‑ durch die Maßnahme M6 zu erhöhten Wasserständen im Abflussbereich bzw. geringfügig größeren Überflutungsflächen nach der Überströmstrecke, zu allfälligen Wirtschaftserschwernissen im Bereich um die Hofstelle aufgrund der Maßnahmen M8 sowie zur Reduktion von landwirtschaftlichen Flächen in Folge der Maßnahmen M5 kommen.

6 Mit Bescheid vom 23. Dezember 1955 seien die Regulierung der S und die Errichtung zweier Absturzbauwerke an der U und der L Ache bewilligt worden. Dieser Bescheid sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 4. Dezember 1962 für überprüft erklärt worden.

7 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht unter anderem zur Forderung des Revisionswerbers, auf bestimmte Projektteile zu verzichten oder einen „echten“ Notüberlauf zu genehmigen, aus, dass ihm in dem gegenständlichen, antragsbedürftigen Bewilligungsverfahren hinsichtlich der Ausgestaltung des Verfahrensgegenstandes kein Mitspracherecht zukomme. Zudem würden Schutzmaßnahmen auf ein bestimmtes Bemessungsereignis ausgelegt. Gegenstand des Bewilligungsbescheides gemäß § 41 WRG 1959 seien Regulierungswasserbauten, nicht aber ein Projektziel. Daher sei nicht die Auslegung eines Schutzwasserbaues auf Hochwässer bestimmter Häufigkeit rechtlich bedeutsam, sondern nur die Anlage selbst, für deren Dimensionierung das Bemessungshochwasserereignis nur Motiv bzw. fachliche Grundlage sei. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers habe er keinen Rechtsanspruch darauf, dass eine Projektvariante gewählt werde, die seine Position als Grundeigentümer noch besser schütze.

8 Durch das gegenständliche Vorhaben komme es zu negativen Auswirkungen auf die Grundstücke des Revisionswerbers. Der Verletzung seiner wasserrechtlich geschützten Position sei seitens der belangten Behörde nach Durchführung einer Interessensabwägung mit Zwangsrechten begegnet worden. Gegen diese Vorgehensweise (bzw. das Ergebnis der Interessenabwägung) sei jedoch kein Beschwerdevorbringen erstattet worden, vielmehr werde seitens des Revisionswerbers die Umsetzung einer Projektvariante gefordert. Der Revisionswerber habe keinen Anspruch und unmittelbar daher auch keinen Einfluss darauf, dass bei einem zu bewilligenden Vorhaben eine bestimmte, ihm zweckmäßig erscheinende Variante realisiert werde.

9 Sämtliche geringfügige Abweichungen bei der Umsetzung des Bewilligungsbescheides vom 23. Dezember 1955 seien nachträglich im Rahmen der Überprüfungsfeststellung vom 4. Dezember 1962 rechtskräftig genehmigt worden, so unter anderem die Herabsetzung der Ausbauwassermenge im Einverständnis mit dem Bundesministerium für Land‑ und Forstwirtschaft von 600 auf 460 m3/s. Es stehe dem Revisionswerber daher nicht zu, weiterhin die Umsetzung des Bescheides aus 1955 zu fordern. Treffe nämlich die Wasserrechtsbehörde im Überprüfungsverfahren die Feststellung, dass das ausgeführte Projekt mit der erteilten Bewilligung übereinstimme, habe das wasserrechtliche Verfahren betreffend dieses Projekt ‑ abgesehen vom Vollzug der zur Beseitigung wahrgenommener Mängel und Abweichungen erteilten Aufträge ‑ mit der Rechtskraft eines solchen Bescheides seinen Abschluss gefunden.

10 Wie sich aus den Feststellungen ergebe, resultiere die Überflutung der Liegenschaften des Revisionswerbers aus einem Überborden der L Ache. Die S gehe in diesem Abschnitt bei einem HQ100‑Ereignis nicht über. Bereits im Bescheid aus 1955 sei vorgesehen, dass die Hochwasserdämme zwar die geschlossene Abfuhr der S.‑hochwässer garantierten, jedoch nur insoweit, als sie dem Fluss zugeführt werden könnten. Dies sei jedoch solange nicht der Fall, bis die beiden Zubringer (L Ache, U) verbaut seien. In beiden Zubringerbächen uferten alle Hochwässer über 80 m3/s aus. Ein Schutz des Talbodens vor Überflutungen, hervorgerufen durch die Zubringer, werde daher trotz der hohen Dämme (Projekt aus 1955) nicht zu erwarten sein. Es sei daher bereits vor der Bewilligung der gegenständlichen Maßnahmen ein Abfließen der Wässer (aus der L Ache) über die Liegenschaften des Revisionswerbers vorgesehen gewesen. Ein „Recht“, dass sämtliches Wasser in der S verbleibe, könne ihm (aus näher genannten Gründen) nicht zukommen.

11 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. Februar 2023, E 144/2023‑5, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

12 Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes richtet sich nun die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 7.3.2023, Ra 2022/07/0161, mwN).

17 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Frage der Beachtlichkeit von älteren Bescheiden, welche nicht bescheidkonform umgesetzt worden seien, zum selben Projektziel fehle. Weiters entbehre es Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob man als Partei eines rechtskräftig abgeschlossenen Bewilligungsverfahrens das subjektive Recht habe, die bescheidkonforme Umsetzung desselben zu verlangen. Auch gebe es keine Rechtsprechung zur Frage, ob für die Schaffung von Retentionsräumen zwangsweise die Zustimmung des Liegenschaftseigentümers notwendig sei und ob, mangels Zustimmung, trotzdem zur Schaffung von Retentionsräumen die wasserrechtliche Bewilligung unter Heranziehung von Zwangsmaßnahmen erteilt werden dürfe. Schließlich übergehe das Verwaltungsgericht das Fehlen einer höchstgerichtlichen Judikatur zu § 42a WRG 1959. Diesbezüglich stelle sich die Frage, ob nach § 42a Abs. 2 WRG 1959 erlassene Gefahrenzonenplanungen eine normative Außenwirkung entfalteten.

18 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 11.4.2023, Ra 2023/10/0009, mwN; vgl. auch VwGH 3.12.2021, Ra 2021/07/0091, mwN). Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. VwGH 12.10.2022, Ra 2022/07/0167 bis 0181, mwN).

19 Mit der in Bezug auf § 42a WRG 1959 formulierten Rechtsfrage wird den Anforderungen an die gesetzmäßige Ausführung einer außerordentlichen Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nicht entsprochen, weil damit nicht aufgezeigt wird, inwiefern das rechtliche Schicksal der Revision von dieser abstrakt gestellten Rechtsfrage abhängt (vgl. dazu erneut VwGH 11.4.2023, Ra 2023/10/0009). Es wird mit diesem Vorbringen kein Bezug zum konkreten Revisionssachverhalt hergestellt (vgl. VwGH 3.4.2023, Ra 2022/05/0049).

20 Der Revisionswerber tritt in seiner Zulässigkeitsbegründung weder den verwaltungsgerichtlichen Ausführungen betreffend die Ziele und Auswirkungen der in Rede stehenden Hochwasserschutzmaßnahmen noch jenen Feststellungen, wonach der Revisionswerber gegen die im behördlichen Bescheid erfolgte Einräumung von Zwangsrechten und gegen das Ergebnis der Interessenabwägung kein Beschwerdevorbringen erstattet habe, entgegen.

21 Gleiches gilt im Zusammenhang mit den zitierten rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts, etwa zu den genannten Bescheiden aus 1955 und 1962 und zu den Rechten von Verfahrensparteien.

So gelten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Maßnahmen, die als Abweichungen vom bewilligten Projekt anzusehen sind und bei denen versäumt wurde, ihre Beseitigung im Kollaudierungsbescheid zu veranlassen, als nachträglich bewilligt. Die ausgeführte Anlage ist mit Ausnahme jener Mängel und Abweichungen, deren Beseitigung im Überprüfungsbescheid veranlasst wurde, ansonsten als rechtmäßig und den Bestimmungen des WRG 1959 entsprechend hergestellt anzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.1993, 91/07/0087; 25.4.2019, Ra 2018/07/0465 bis 0472, jeweils mwN).

Ferner hat ein Zwangsverpflichteter zwar ein Recht darauf, dass ein Zwangsrecht zu seinen Lasten nicht ohne die die Maßnahme rechtfertigende Interessenabwägung im Sinne des Gesetzes begründet wird. Er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass bei einem zu bewilligenden Vorhaben bestimmte, ihm zweckmäßig erscheinende Varianten realisiert werden (VwGH 19.4.1994, 91/07/0135; 29.9.2016, 2013/07/0231, jeweils mwN; vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 27.5.2004, 2003/07/0100 und 0104).

22 In der Zulässigkeitsbegründung wird ferner vorgebracht, dem Verwaltungsgericht seien „mehrere ‑ grundsätzliche Rechtsfragen aufwerfende ‑ Verfahrensmängel“ unterlaufen. Die Durchführung eines mängelfreien Verfahrens hätte zu einer anderen, für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage geführt, die wiederum eine völlig andere rechtliche Beurteilung zum Ergebnis gehabt hätte. Die „unten“ noch aufzuzählenden Verfahrensmängel seien jedenfalls entscheidungswesentlich und für den Verfahrensausgang von grundlegender Bedeutung.

23 Mit diesem Vorbringen wird in den Zulässigkeitsausführungen kein konkreter Verfahrensmangel behauptet. Der Verweis auf „die ‚unten‘ noch aufzuzählenden Verfahrensmängel“, womit offenkundig die Revisionsgründe angesprochen werden, wird der Anforderung, die Gründe für die Revisionszulässigkeit gesondert anzuführen, nicht gerecht (vgl. VwGH 28.3.2022, Ra 2022/07/0011, mwN). Infolge dessen wird mit dem lediglich allgemeinen Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung auch die Relevanz behaupteter Verfahrensmängel nicht in konkreter Weise, also fallbezogen, dargelegt (vgl. zu diesem Erfordernis nochmals VwGH 7.3.2023, Ra 2022/07/0161, und erneut VwGH 28.3.2022, Ra 2022/07/0011, jeweils mwN).

24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

25 Die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG entfallen.

Wien, am 15. Juni 2023

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