VwGH Ra 2022/07/0014

VwGHRa 2022/07/001430.1.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des N K in W, vertreten durch Mag. Ulrike Kargl, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Grinzinger Allee 17/8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. November 2021, LVwG‑AV‑974/001‑2021, betreffend eine Angelegenheit nach dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz 1992 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde K), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
AWG NÖ 1992 §11 Abs6
AWG NÖ 1992 §11 Abs7
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070014.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich wurde ‑ in Bestätigung eines Bescheides des Stadtrats der Stadtgemeinde K vom 17. März 2021 ‑ für ein Grundstück des Revisionswerbers die Anzahl der Restmüllsäcke mit 26 Säcken jährlich zu je 60 Litern festgesetzt. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Die bebaute Liegenschaft des Revisionswerbers liege im Pflichtbereich der Abfallwirtschaftsverordnung der Stadtgemeinde K. Es falle regelmäßig Müll an. Es sei daher im Sinn von § 9 Abs. 1 iVm. § 11 Abs. 3 und 6 Niederösterreichisches Abfallwirtschaftsgesetz 1992 (NÖ AWG 1992) die Anzahl der jährlich vorgesehenen Säcke festzusetzen gewesen, wobei das geringstmögliche Behältervolumen zuzuteilen gewesen sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird zunächst vorgebracht, die „Verpflichtung zur Abnahme von Müllsäcken“ korreliere nicht „mit einer gesetzmäßigen Gegenleistung“. Mit diesem ‑ nicht näher erläuterten ‑ Vorbringen wird nicht dargelegt, dass hinsichtlich der im Sinn des § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 erfolgten Festlegung der für das Grundstück des Revisionswerbers jährlich vorgesehenen Säcke die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem NÖ AWG 1992 nicht vorgelegen wären bzw. die Entscheidung insoweit von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG abhinge. Die Revision scheint vielmehr auf eine Prüfung der Verfassungskonformität der anzuwendenden Bestimmungen abzuzielen. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit der Revision nicht mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer generellen Norm begründet werden kann (vgl. VwGH 29.9.2021, Ra 2021/01/0181, mwN).

7 Weiters wird in der Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gerügt, das Verwaltungsgericht habe über den Eventualantrag, dem Revisionswerber eine Ausnahmebewilligung zu erteilen, nicht entschieden und sich mit diesem Antrag auch nicht auseinandergesetzt.

8 Nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 sind Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigte jener Grundstücke von der Pflicht zur Verwendung der Müllbehälter (§ 11 Abs. 3 NÖ AWG 1992) auszunehmen, auf denen sich keine Wohngebäude, keine Betriebe, keine Anstalten oder keine sonstigen Einrichtungen befinden, wenn sie eine den Zielen und Grundsätzen des § 1 NÖ AWG 1992 entsprechende Erfassung und Behandlung ihres Mülls nachweisen können. Die Ausnahmebewilligung ist von der Gemeinde über schriftliches Ansuchen zu erteilen und hat die erforderlichen Auflagen oder Bedingungen zu enthalten.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass zwischen § 11 Abs. 6 und 7 NÖ AWG 1992 zwar ein enger sachlicher Zusammenhang insofern besteht, als bei Vorliegen einer Ausnahmebewilligung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 die Festsetzung von Anzahl und Größe der aufzustellenden Müllbehälter nach § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 zu unterbleiben hat. Solange aber eine Ausnahmebewilligung nach Abs. 7 nicht vorliegt, ist ein Bescheid nach Abs. 6 zu erlassen, wobei Sache des zur Erlassung dieses Bescheides führenden Verfahrens nicht die Frage ist, ob eine Ausnahmebewilligung nach Abs. 7 in Betracht kommt. Die Abs. 6 und 7 des § 11 NÖ AWG 1992 sind nicht in der Weise miteinander verbunden, dass die zur Durchführung des Verfahrens nach Abs. 6 berufene Behörde auch von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Verwendung von Müllbehältern gegeben sind und dass eine Entscheidung nach Abs. 6 auch eine Entscheidung nach Abs. 7 umfasst. Vielmehr handelt es sich bei den in den Abs. 6 und 7 des § 11 NÖ AWG 1992 vorgezeichneten Verfahren um zwei selbständige Verfahren, von denen eines, nämlich das nach Abs. 6, von Amts wegen, das andere aber nur auf Antrag einzuleiten ist. Das Vorliegen eines Bescheides über Anzahl und Größe der aufzustellenden Müllbehälter steht einer nachfolgenden Ausnahmebewilligung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 nicht entgegen. Die zur Entscheidung über eine Berufung gegen einen nach § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 erlassenen Bescheid zuständige Behörde ist nicht zuständig, über einen erstmals in der Berufung gestellten Ausnahmebewilligungsantrag nach § 11 Abs. 7 zu entscheiden (vgl. VwGH 14.5.1997, 97/07/0032, mwN).

10 Im vorliegenden Verfahren wurde am 28. Jänner 2021 in erster Instanz vom Stadtamt der Stadtgemeinde K gemäß § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 über die Festlegung der für das Grundstück des Revisionswerbers jährlich vorgesehenen Säcke entschieden. In der Berufung gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid an den Stadtsenat und in der Beschwerde gegen den vom Stadtsenat am 17. März 2021 erlassenen Bescheid wurde vom Revisionswerber jeweils in eventu beantragt, eine Ausnahmebewilligung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 zu erteilen. Aus den in der dargestellten Rechtsprechung angeführten Erwägungen, die auch auf die Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zu übertragen sind, waren im Berufungsverfahren der Stadtsenat und in der Folge im Beschwerdeverfahren das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aber nicht dafür zuständig, über die im Rechtsmittelverfahren gestellten Anträge auf Ausnahmebewilligung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 zu entscheiden.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2023

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