VwGH Ro 2022/03/0043

VwGHRo 2022/03/004318.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. L K, Rechtsanwalt in W, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. März 2022, Zlen. 1. VGW‑101/092/763/2022‑11 und 2. VGW‑101/092/764/2022, betreffend Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Michael Enzinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 13), den Beschluss gefasst:

Normen

AHK 2005 §12
RAO 1868 §16 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022030043.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 20. Februar 2019 gemäß § 45 RAO zum Verfahrenshilfeverteidiger eines Angeklagten in einem näher bezeichneten Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien bestellt.

2 Mit Antrag vom 31. März 2020 begehrte der Revisionswerber für seine im Jahr 2019 erbrachten Leistungen im oben angeführten Strafverfahren bei der belangten Behörde (ua.) die Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO in der Höhe von insgesamt € 296.570,97. Die Geltendmachung weiterer Zuschläge, wie etwa eines Erfolgszuschlags nach § 12 Autonome Honorar‑Kriterien (AHK), bleibe vorbehalten.

3 Mit Antrag vom 31. März 2021 begehrte der Revisionswerber (ua.) unter Hinweis auf den mittlerweile ergangenen Freispruch des Verfahrensbeholfenen einen Erfolgszuschlag für die im Jahr 2019 bereits erbrachten Leistungen, sowie für seine im Jahr 2020 erbrachten Leistungen im genannten Strafverfahren bei der belangten Behörde die Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO in der Höhe von insgesamt € 803.763,41.

4 Mit Bescheiden jeweils vom 2. November 2021 gab die belangte Behörde den Anträgen des Revisionswerbers (hinsichtlich des Jahres 2019) in der Höhe von € 128.062,95 bzw. (hinsichtlich des Jahres 2020) in der Höhe von € 50.667,77 statt und wies das Mehrbegehren jeweils ab.

5 Begründend führte die belangte Behörde, soweit hier maßgeblich, jeweils aus, vom Zuspruch eines Erfolgszuschlags gemäß § 12 AHK sei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens abzusehen gewesen. Das RATG sehe einen solchen Zuschlag nicht vor. Auch im Anwendungsbereich der AHK komme ein solcher bei Verfahrenshilfen nicht in Betracht. § 12 AHK sehe den Erfolgszuschlag nur optional vor. Während eine erfolgsabhängige Incentivierung bei Wahlverteidigern vorstellbar sei, da hier der Mandant privatautonom disponieren könne, käme die Incentivierung eines Verfahrenshelfers durch ein erfolgsabhängiges Honorar nicht nur in Konflikt mit seinem gesetzlichen Auftrag, sondern widerspräche dem Konzept des § 16 Abs. 4 RAO, einem überdurchschnittlich belasteten Verfahrenshelfer einen wirtschaftlichen Ausgleich für diese Belastung zu geben, denn diese auszugleichende Belastung sei vom Verfahrensausgang unabhängig.

6 Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens erhob der Revisionswerber jeweils Beschwerde.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26. April 2022) erkannte das Verwaltungsgericht Wien dem Revisionswerber auf Grund seines Antrags vom 31. März 2020 eine Vergütung in der Höhe von € 165.845,14 und auf Grund seines Antrags vom 31. März 2021 eine Vergütung in der Höhe von € 60.801,32 zu. Das Mehrbegehren wies das Verwaltungsgericht jeweils ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

8 Begründend führte das Verwaltungsgericht zum Erfolgszuschlag aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bemesse die zuständige Rechtsanwaltskammer nach § 16 Abs. 4 RAO nicht die angemessene Entlohnung eines Wahlverteidigers, der auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit seinem Klienten tätig werde, sondern setze eine angemessene Vergütung für einen vom Gericht beigegebenen und von der Rechtsanwaltskammer bestellten Rechtsanwalt fest, der somit auf Grund eines öffentlich‑rechtlichen Pflichtenverhältnisses im Rahmen der Mitwirkung der Rechtsanwaltschaft an der Rechtspflege tätig werde. Der Verfahrenshelfer erhalte daher auch kein Honorar für seine erbrachten Leistungen, weswegen § 12 AHK schon seinem Wortlaut nach („50% des Honorarbetrages“) nicht anwendbar erscheine, sondern eine Vergütung, die der Abwendung der Auswirkungen der Belastung der Rechtsanwälte durch überlange Verfahren, die bis zur Existenzbedrohung gehen könnten, diene (Hinweis auf VwGH 17.12.2009, 2009/06/0144). Mit dieser Zielsetzung der Bestimmung sei ein Erfolgszuschlag nicht vereinbar.

9 Die Revision sei zulässig, weil die Frage, ob Verfahrenshelfer, denen ein Anspruch auf Sondervergütung zustehe, auch einen Erfolgszuschlag nach § 12 AHK geltend machen könnten, vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden worden sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, welche das Verwaltungsgericht unter Vorlage der Verfahrensakten vorlegte. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

14 Die Revision wiederholt zur Zulässigkeit lediglich die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts.

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 22.11.2022, Ro 2022/03/0036, mwN).

16 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 7.6.2022, Ro 2022/03/0038, mwN).

17 Eine solche Konstellation liegt hier vor, weil die sowohl vom Verwaltungsgericht als auch von der Revision zur Begründung der Zulässigkeit einzig angesprochene Rechtsfrage mittlerweile im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2022, Ro 2022/03/0059, ausdrücklich geklärt wurde.

18 Dort wurde ausgesprochen, dass die Gewährung eines Erfolgszuschlags nach § 12 AHK mit dem Konzept des § 16 Abs. 4 RAO und dem damit verfolgten Zweck einer angemessenen Vergütung für überdurchschnittliche Belastungen von Verfahrenshelfern nicht vereinbar ist, weshalb die Zuerkennung eines Erfolgszuschlags für Verfahrenshilfeverteidiger nicht in Betracht kommt. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.

19 Da somit weder in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in jener der Revision Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 18. Juni 2023

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