VwGH Ra 2021/18/0356

VwGHRa 2021/18/03561.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A S, vertreten durch Mag. Lukas Plösch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 6, dieser vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2021, W205 2238262‑1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021180356.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, stellte am 30. September 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit familiären Streitigkeiten, unter anderem in Zusammenhang mit einer Landwirtschaft, begründete.

2 Mit Bescheid vom 17. November 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.), sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), und erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.). Zudem erkannte es einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VIII.).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides mit der Maßgabe statt, dass die Dauer des Einreiseverbots auf ein Jahr herabgesetzt werde. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Interesse ‑ aus, es könne nicht festgestellt werden, dass dem Revisionswerber bei einer Rückkehr individuelle Verfolgung drohe. Dabei stützte es sich wie schon das BFA im Wesentlichen darauf, dass das Vorbringen des Revisionswerbers vage geblieben sei und er keine konkreten Verfolgungshandlungen gegen ihn geschildert habe. Anhand seiner Aussagen sei davon auszugehen, dass er sein Herkunftsland aus wirtschaftlichen Motiven verlassen habe.

5 Hinsichtlich der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz hielt das BVwG fest, dass es sich beim Revisionswerber um einen gesunden, jungen und arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung handle. Zudem verfüge er über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte und sei die wirtschaftliche Situation seiner Familie nicht schlecht. Auch aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat ergebe sich keine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte.

6 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 15. März 2023, E 3960/2021‑12, aussprach, dass der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe stattgegeben wurde, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf ein Jahr herabgesetzt wird, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden ist und insoweit das Erkenntnis behob. Im Übrigen lehnte er die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Die vorliegende außerordentliche Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, der vom BVwG angenommene Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig geblieben, denn es habe keine Feststellungen zur Schutzfähigkeit der indischen Behörden getroffen und veraltete Länderberichte herangezogen. Zudem habe es sich nicht mit der Herkunftsregion und der dortigen Versorgungs‑ und Sicherheitslage auseinandergesetzt. Es sei überdies aktenwidrig, dass das BVwG angenommen habe, der Revisionswerber könne von der Landwirtschaft der Verwandtschaft profitieren, weil er angegeben habe, dass er von dieser vertrieben worden sei. Darüber hinaus habe das BVwG das rechtliche Gehör sowie das Recht auf eine mündliche Verhandlung des Revisionswerbers verletzt.

8 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen fehlende Feststellungen zur Schutzfähigkeit der indischen Behörden rügt, entfernt sie sich begründungslos vom festgestellten Sachverhalt, wonach dem Revisionswerber keine individuelle Verfolgung bei seiner Rückkehr drohe, und vermag schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Dass die diesbezügliche Beweiswürdigung des BVwG in unvertretbarer Weise erfolgt wäre, legt die Revision indessen nicht dar.

13 Mit dem Vorbringen, das BVwG habe sich weder mit der Herkunftsregion noch der aktuellen Berichtslage fallbezogen auseinandergesetzt, macht die Revision Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 27.2.2023, Ra 2023/18/0050, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht.

14 Sofern die Revision zudem eine Aktenwidrigkeit rügt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn sich die Behörde bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die aufgrund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. erneut VwGH 27.2.2023, Ra 2023/18/0050, mwN).

15 Wie bereits dargelegt, kam das BVwG unter umfassender Auseinandersetzung mit den Aussagen des Revisionswerbers zu dem Ergebnis, dass dieser eine familiäre Bedrohung nicht habe glaubhaft machen können. Davon ausgehend ging es davon aus, dass diesem familiärer Rückhalt offenstehe. Die Revision lässt diese Beweiswürdigung des BVwG gänzlich außer Acht und vermag vor dem Hintergrund der hg. Rechtsprechung auch keine Aktenwidrigkeit darzutun.

16 Letztlich gelingt es der Revision mit ihrem pauschalen Verweis auf eine in der Beschwerde vorgebrachte Mangelhaftigkeit des behördlichen Ermittlungsverfahrens sowie unter Außerachtlassung der vom BVwG geteilten tragenden Erwägungen des BFA ‑ ohne auf die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Verhandlung Bezug zu nehmen ‑ nicht, ein Abweichen des BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht zum hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA‑VG aufzuzeigen (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie jüngst etwa VwGH 14.4.2023, Ra 2022/18/0270, mwN).

17 Im Übrigen vermag sie auch nicht darzulegen, dass und inwiefern ein Verstoß gegen das Parteiengehör durch das BVwG vorliege (vgl. VwGH 19.3.2021, Ra 2020/18/0312, mwN).

18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juni 2023

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