Normen
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §16
VStG §64
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021170087.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, somit hinsichtlich seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr‑Land (belangte Behörde) vom 16. September 2019 wurde über den Mitbeteiligten wegen einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz ‑ GSpG im Zeitraum vom 9. April 2019 bis 12. Juni 2019, 08:25 Uhr, an einem näher konkretisierten Tatort eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,‑‑ (samt Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden) verhängt. Das durch den Mitbeteiligten vertretene Unternehmen habe sich als Unternehmer an einer verbotenen Ausspielung beteiligt, indem es gegen Entgelt die Lieferung, Aufstellung und Inbetriebnahme eines näher bezeichneten, betriebsbereiten und funktionsfähigen Glücksspielgerätes und die Unterweisung des Lokalbetreibers übernommen und weiters Wartungs‑, Reinigungs‑, Service- und Reparaturarbeiten dem Glücksspielveranstalter zur Verfügung gestellt habe.
2 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) mit ‑ im ersten Rechtsgang gefällten ‑ Erkenntnis vom 18. Dezember 2019 statt. Es hob das angefochtene Straferkenntnis auf, stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein, traf einen Ausspruch in Bezug auf die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.
3 Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Februar 2021, Ro 2020/17/0006, 0012, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
4 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang der Beschwerde insoweit Folge, als es die Geldstrafe auf EUR 800,‑‑ sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 26 Stunden herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Weiters setzte das Verwaltungsgericht den vom Mitbeteiligten zu leistenden Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens herab und sprach aus, dass er für das Beschwerdeverfahren keinen Kostenbeitrag zu leisten habe (Spruchpunkt II.). Eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt III.).
5 Die Herabsetzung der Strafe begründete das Verwaltungsgericht insbesondere mit einem Hinweis auf das „allgemein verbindliche“ Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C‑64/18 , u.a., und „die Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips“. Da die belangte Behörde dem Mitbeteiligten „bloß die Übertretung einer Ordnungsvorschrift [...] angelastet ha[be]“, sei § 20 VStG heranzuziehen, weil sowohl „die hiefür verhängte Geldstrafe [...] ebenso unverhältnismäßig [sei] wie die Ersatzfreiheitsstrafe [...]“.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich „in der Straffrage“ und des davon abhängigen Kostenausspruchs die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes; der Mitbeteiligte erstattete ‑ nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof ‑ eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Amtsrevision erweist sich mit ihrem Vorbringen, das Unterschreiten der Mindeststrafdrohung des § 52 Abs. 2 GSpG durch das Verwaltungsgericht sei rechtswidrig, als zulässig und auch als begründet.
8 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. etwa VwGH 3.2.2022, Ra 2020/17/0116 bis 0117, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. Mai 2020, Ra 2020/17/0001, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG, des § 16 VStG sowie des § 64 VStG nicht entgegensteht (vgl. auch VwGH 6.10.2021, Ra 2019/17/0121, mwN).
10 Indem das Verwaltungsgericht das Unterschreiten der Mindeststrafe des § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG zu Unrecht im Wesentlichen mit der unionsrechtlich gebotenen Unanwendbarkeit der darin normierten Strafuntergrenze von EUR 1.000,‑‑ begründete, belastete es sein Erkenntnis daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Daran vermögen auch die vom Verwaltungsgericht allenfalls als Alternativbegründung intendierten Hinweise auf § 20 VStG und eine überlange Verfahrensdauer nichts zu ändern.
11 Die im GSpG vorgesehene Mindeststrafe von EUR 1.000,‑‑ kann bei der Strafbemessung im Einzelfall gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte (d.h. auf EUR 500,‑‑ pro Gerät oder Eingriffsgegenstand) nur unterschritten werden, sofern die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist (vgl. erneut VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001). Eine diesbezüglich nachvollziehbare Begründung enthält das angefochtene Erkenntnis ‑ abgesehen vom bloßen Zitat des § 20 VStG ‑ nicht. Dasselbe gilt auch für den bloßen Hinweis auf eine überlange Verfahrensdauer (vgl. zu deren Beurteilung etwa VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0212, mwN).
12 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang ‑ und damit hinsichtlich des Ausspruchs über die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe und hinsichtlich des davon abhängigen Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens ‑ gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. zu § 52 Abs. 2 vierter Strafsatz GSpG VwGH 16.3.2022, Ra 2019/17/0123; weiters 14.9.2020, Ro 2020/17/0015).
Wien, am 27. Juni 2023
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