VwGH Ra 2021/11/0066

VwGHRa 2021/11/00669.11.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Landeck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9. Februar 2021, Zl. LVwG‑2021/38/0300‑1, betreffend grundverkehrsbehördliche Genehmigung (mitbeteiligte Partei: D P in P, vertreten durch Dr. Erik R. Kroker, Dr. Simon Tonini, Dr. Fabian Höss und Mag. Harald Lajlar, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12/IV), zu Recht erkannt:

Normen

GVG Tir 1996 §13 Abs1 litc
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021110066.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 18. Dezember 2020 versagte die Revisionswerberin dem Mitbeteiligten, einem bosnischen Staatsangehörigen, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für den Kauf näher bezeichneter, mit Wohnungseigentum an einer Wohnung und zwei Kfz‑Stellplätzen verbundener Liegenschaftsanteile gemäß den §§ 12 Abs. 1 lit a Z 1, 13 Abs. 1 und 26 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TGVG 1996).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ statt und erteilte dem Kaufvertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Gleichzeitig erklärte es gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, der Mitbeteiligte sei bosnischer Staatsangehöriger und mit einer bosnischen Staatsangehörigen verheiratet. Er wohne mit ihr und den drei gemeinsamen Kindern seit 2009 in der kaufgegenständlichen Wohnung zur Miete. Die gesamte Familie verfüge über einen „Daueraufenthalt EU“ und beabsichtige, ihr weiteres Leben in Tirol zu verbringen. Der Mitbeteiligte arbeite seit 10 Jahren als Kellner und Sommelier in einem Hotel in Tirol.

4 In seiner rechtlichen Begründung verneinte das Verwaltungsgericht (mit näherer Begründung) das Vorliegen öffentlicher Interessen am angestrebten Rechtserwerb sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer und kultureller Hinsicht. Es stützte die Genehmigung unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 22. September 2003, B 1266/01 (VfSlg. 16937) ausschließlich auf das private Interesse des Mitbeteiligten am Erwerb von Eigentum an der bereits bewohnten Wohnung.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche (Amts‑)Revision, zu der der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Das Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl. Nr. 61/1996 idF LGBl. Nr. 51/2020, lautete auszugsweise:

„Rechtserwerbe an Grundstücken durch Ausländer

§ 12

Genehmigungspflicht, Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb eines der folgenden Rechte durch Ausländer zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb von Rechten an Baugrundstücken:

1. den Erwerb des Eigentums;

...

§ 13

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach § 12 Abs. 1 darf nur erteilt werden, wenn

...

c) in allen Fällen der Rechtserwerb staatspolitischen Interessen nicht widerspricht und ein öffentliches Interesse am Rechtserwerb durch den Ausländer, insbesondere in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht, besteht.

...“

8 Die Revision wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 16937) würden private Interessen bereits für sich allein ‑ ohne das Vorliegen auch öffentlicher Interessen ‑ ausreichen, um eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung iSd. § 13 Abs. 1 lit. c TGVG 1996 zu rechtfertigen. Diese Ansicht widerspreche näher zitierter hg. Judikatur.

9 Die Revision ist bereits aus diesem Grund zulässig. Sie ist auch begründet.

10 Bereits aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 lit. c TGVG 1996 ergibt sich, dass das Vorliegen eines öffentlichen Interesses am Rechtserwerb durch einen Ausländer unabdingbare Voraussetzung für die grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines derartigen Rechtserwerbs ist. Davon geht auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Ausländergrundverkehr aus (zum TGVG 1996 vgl. etwa VwGH 3.10.2014, Ra 2014/02/0082; 21.3.2022, Ra 2021/11/0172, 0173; sowie zum Vorarlberger Grundverkehrsgesetz VwGH 5.8.2021, Ra 2020/11/0058). Zwar sind private Interessen ebenso wie die öffentlichen angemessen zu berücksichtigen (vgl. schon VfSlg. 11689/1988), jedoch reicht das Vorliegen bloß privater Interessen allein für die Genehmigungsfähigkeit nicht aus.

11 Bestärkt wird diese Auslegung letztlich auch durch die Materialien zum ‑ nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses beschlossenen ‑ Gesetz vom 17. November 2021, LGBl. Nr. 204/2021, mit dem das TGVG 1996 in seinem § 13 Abs. 1 insofern geändert wurde, als der lit. c folgender Halbsatz angefügt wurde:

„private Interessen am Rechtserwerb sind angemessen zu berücksichtigen.“

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (GZ 646/2021, 4 f.) heißt es dazu:

„Mit dieser Änderung soll dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 16.937/2003 folgend klargestellt werden, dass private Interessen am Rechtserwerb bei der Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 neben den vom Gesetz ausdrücklich geforderten öffentlichen Interessen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Schon bisher war diese Bestimmung, die der Verfassungsgerichtshof als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet hat, in diesem Sinn auszulegen.

Zum besseren Verständnis, inwieweit private Interessen neben den vom Gesetz geforderten öffentlichen Interessen zu berücksichtigen sind, wird im Folgenden das zit. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in seinem wesentlichen Inhalt kurz dargestellt und bewertet: In dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Sachverhalt beabsichtigte der Veräußerer, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn das Haus, in dem er und seine Familie seit vielen Jahren den Hauptwohnsitz hatten, zu schenken. Während dem Schwiegersohn als österreichischem Staatsbürger eine grundverkehrsrechtliche Bestätigung ausgestellt wurde, versagte die belangte Behörde der Tochter als amerikanischer Staatsbürgerin den Rechtserwerb bezüglich ihres Hälfteanteiles. Es handelte sich hierbei somit um die Eigentumsübertragung eines sich bereits im Familienbesitz befindlichen Hauses innerhalb des Familienverbandes ‑ teilweise im Sinn einer antizipierten Erbfolge; maßgebend zu berücksichtigen ist nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes das private Interesse an der (fortgesetzten) Befriedigung des Wohnbedürfnisses. Das schon lange zuvor begründete Eigentum, das innerhalb der Familie weitergegeben werden soll, stellt ein äußerst verdichtetes privates Interesse dar und möchte die Rechtsordnung dieses auch schützen.

Unbeschadet dessen müssen jedoch die vom Gesetz geforderten öffentlichen Interessen am Rechtserwerb durch den Ausländer zwingend vorliegen; das Vorliegen von privaten Interessen allein ist nicht ausreichend.“

12 Der dem Revisionsfall zugrundeliegende Sachverhalt ist mit jenem, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 22. September 2003, VfSlg. 16937, zugrunde lag, nicht vergleichbar. Weder handelt es sich um eine Eigentumsübertragung zwischen Blutsverwandten in gerader Linie noch ist am verfahrensgegenständlichen Rechtserwerb ein österreichischer Staatsbürger beteiligt.

13 Vielmehr hatte das Verwaltungsgericht einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem es lediglich um einen ‑ von familiären Anknüpfungspunkten zu österreichischen Staatsbürgern losgelösten ‑ Eigentumserwerb durch einen Ausländer zu Wohnzwecken ging. Zu derartigen Konstellationen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass das Wohnbedürfnis auch anders gedeckt werden kann als durch den Kauf eines Eigenheims (vgl. abermals VwGH 5.8.2021, Ra 2020/11/0058; 21.3.2022, Ra 2021/11/0172, 0173; jeweils mwN).

14 Vor diesem Hintergrund erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15 Eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, es fehle hg. Judikatur zur Frage, „inwieweit in weiterer Folge allfällige private Interessen neben den vom Gesetz ausdrücklich geforderten öffentlichen Interessen“ zu berücksichtigen seien, erübrigte sich, da das Schicksal der Revision nicht iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG von dieser Rechtsfrage abhängt. Im Revisionsfall wurde das Vorliegen öffentlicher Interessen insgesamt verneint, sodass eine Abwägung mit privaten Interessen von vornherein nicht in Frage kam.

Wien, am 9. November 2023

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