Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020040167.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von 1106,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Die Revisionswerberin führte als Sektorenauftraggeberin ein Vergabeverfahren betreffend einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich betreffend die Belieferung mit Hygieneartikeln. Gegenstand der Vergabe ist eine Rahmenvereinbarung mit einem geschätzten Auftragswert von maximal zwei Millionen Euro pro Vertragsjahr über die Laufzeit. Das Vergabeverfahren wurde als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung geführt. Die Vergabe sollte nach dem Bestbieterprinzip an das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen.
2 In den Teilnahmebestimmungen wurde unter anderem festgelegt, dass folgende Zuschlagskriterien in der angeführten Gewichtung für die Ermittlung herangezogen würden:
3 Bewertungsrelevanter Gesamtpreis 55, Erfüllung der Sollkriterien laut Leistungsverzeichnis 30, Kommissionelle Bewertung (Design, Haptik, Benutzerfreundlichkeit, Servicierbarkeit, etc) 15
4 Die Mitbeteiligte, die die veröffentlichten Teilnahmeunterlagen heruntergeladen hatte, stellte am 12. August 2020 den (primären) Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen und brachte hierzu zusammengefasst vor, die Beurteilung der in den Teilnahmebedingungen genannten Merkmale durch eine Bewertungskommission ohne Nennung der Parameter, von denen die Bewertung abhänge oder Bekanntgabe, auf welcher Basis unter Heranziehung welcher Charakteristika die Beurteilung erfolge, sei rechtswidrig. Es stehe damit in Belieben der Auftraggeberin, welches Angebot als das Beste auszuwählen sei. Die Kriterien „Design, Haptik, Benutzerfreundlichkeit, Servicierbarkeit, etc“ seien nicht definiert, die Gewichtung der Bewertung durch die Kommission sei willkürlich und unsachlich. Diese führe im Ergebnis zu einer intransparenten Entscheidungsfindung durch die Auftraggeberin.
5 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Nichtigerklärung der Ausschreibung statt. Die Revision gegen diese Entscheidung erklärte es für nicht zulässig.
6 In seiner rechtlichen Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien in den Teilnahmebedingungen für ein Verhandlungsverfahren müssten ausreichend präzise sein, um einen Unternehmer in die Lage zu versetzen, entscheiden zu können, ob er einen Teilnahmeantrag stelle. Die festgelegten Anforderungen und Kriterien dürften während des Vergabeverfahrens nicht abgeändert werden und auch keinen Gegenstand der Verhandlungen bilden.
7 Bei den kommissionell zu bewertenden Kriterien „Design, Haptik, Benutzerfreundlichkeit, Servicierbarkeit, etc“ handle es sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH ausgehend von dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter der Teilnahmebedingungen um die Festlegung von Qualitätsanforderungen an die zu liefernden Produkte, deren Bewertung in die Ermittlung des technisch‑wirtschaftlich günstigsten Angebot einfließen solle, und damit um Zuschlagskriterien. Diese dürften dem Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen sowie einen Vergleich und eine objektive Bewertung der Angebote ermöglichen.
8 Vor diesem Hintergrund sei wegen der Verwendung des Wortes „etc.“ davon auszugehen, dass die dortige Aufzählung der Qualitätsmerkmale nicht abschließend sei und andere als die genannten Kriterien berücksichtigt werden könnten. Damit sei für den Bieter nicht nachvollziehbar, welche Kriterien herangezogen würden, um die Angebote zu vergleichen, und es stehe der Auftraggeberin frei, nicht genannte Kriterien durch die Kommission bewerten zu lassen. Die zu bewertenden Kriterien seien zudem gänzlich unspezifisch und würden nicht klar definieren, welche Eigenschaften der angebotenen Produkte in die Bewertung einfließen würden. Zudem könnten bestimmte in den Ausschreibungsbedingungen festgelegte Mindestanforderungen als Kriterien der „Benutzerfreundlichkeit“ interpretiert werden, was zu einer unzulässigen Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien führen könne. An das zu liefernde Produkt gestellte Mindestanforderungen dürften nämlich nicht gleichzeitig bei der Bewertung der Qualität herangezogen werden, was in diesem Fall wegen der Undeutlichkeit des Begriffs „Benutzerfreundlichkeit“ nicht sichergestellt sei. Das Kriterium „Benutzerfreundlichkeit“ sei daher jedenfalls rechtswidrig, weil es eine objektiv-nachvollziehbare Ermittlung des Bestbieters nicht ermögliche. Die vorzunehmende kommissionelle Bewertung sei wegen des Fehlens der Beurteilungsparameter und der mangelnden Festlegung, auf welche konkreten der zu liefernden Produkte diese jeweils anzuwenden seien, intransparent. Die Festlegung ermögliche daher dem Auftraggeber, die 15 diesem Kriterium zugeordneten Punkte nach objektiv nicht nachvollziehbaren Kriterien zu vergeben. Aus diesen Gründen sei das festgelegte Kriterium „kommissionelle Bewertung (Design, Haptik, Benutzerfreundlichkeit, Servicierbarkeit, etc.) als Zuschlagskriterium insgesamt ungeeignet und rechtswidrig, weil es eine transparente Bestbieterermittlung nicht ermögliche.Eine bloße Streichung dieser Festlegung komme nicht in Betracht, weshalb dem Antrag stattzugeben sei.
9 2.2. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren ausgehend von dem oben dargestellten Verfahrensergebnis im Hauptverfahren statt und verpflichtete die Revisionswerberin zum Ersatz der Pauschalgebühren.
10 3. Gegen dieses Erkenntnis und den Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision der Auftraggeberin.
11 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 4.1. Hinsichtlich beider angefochtener Entscheidungen stützt die Revisionswerberin die Zulässigkeit der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auf das Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht sei bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung abgewichen und verweist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 27.2.2019, Ra 2016/04/0103.
16 Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Entscheidung betraf die Anfechtung einer Zuschlagsentscheidung ausgehend von bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen, weshalb sich diese Rechtsprechung ‑ worauf die Revisionsbeantwortung richtig hinweist ‑ nicht als einschlägig erweist. Die fallbezogene Beurteilung der Ausschreibungsbedingungen kann sohin nicht an der ins Treffen geführten Rechtsprechung gemessen werden und die Zulässigkeit der Revision daher auch nicht begründen.
17 4.2. Ferner bringt die Revision vor, es liege keine Rechtsprechung zu der Frage vor, wie detailliert Zuschlagskriterien in der ersten Stufe eines zweistufigen Verhandlungsverfahrens bekannt gegeben werden müssten.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2019, Ra 2018/04/0199, mit Verweis auf weitere Rechtsprechung zu der von der Revision ins Treffen geführten Frage insofern Stellung genommen, als er dort ausführte, dass in einem zweistufigen Verhandlungsverfahren die Teilnahmeunterlagen jedenfalls hinreichend konkret sein müssen, um einem interessierten Unternehmer die Beurteilung zu ermöglichen, ob eine Teilnahme an diesem Vergabeverfahren möglich und sinnvoll ist. Dass dies nur anhand der jeweiligen fallbezogenen Umstände beurteilt werden kann, liegt auf der Hand. Insofern ist bereits das Vorbringen betreffend fehlende Rechtsprechung unzutreffend.
19 Das Bundesverwaltungsgericht hat aber zudem seine Begründung gar nicht auf die mangelnde Detailliertheit der Zuschlagskriterien gestützt. Vielmehr hat es nachvollziehbar dargetan, dass die Kriterien, die laut der Ausschreibungsunterlage der kommissionellen Bewertung unterliegen sollten, um in der Folge bei der Zuschlagserteilung mit einer Gewichtung von 15/100 einfließen sollten, insofern intransparent waren, als die Aufzählung von vornherein nicht als vollständig (argum.: „etc.“) deklariert gewesen sei, die Kriterien hinsichtlich der an das Produkt gestellten Anforderungen zum Teil völlig unspezifisch gewesen seien und zudem unklar hinsichtlich der fraglichen Anwendung auf die gesamte anzubietende Produktpalette. Insbesondere sei das Kriterium „Benutzerfreundlichkeit“ wegen der Unmöglichkeit der Abgrenzung zu den Eignungskriterien als rechtswidrig zu beurteilen und sohin die kommissionelle Bewertung insgesamt ungeeignet, eine nachvollziehbare Bestbieterermittlung zu ermöglichen, was zur Nichtigerklärung der Ausschreibung insgesamt führen musste. Dieser rechtlichen Beurteilung setzt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung nichts entgegen.
20 4.3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. Jänner 2023
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