VwGH Ra 2020/04/0134

VwGHRa 2020/04/01343.8.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz‑Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Heid & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Kundmanngasse 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. Juli 2020, Zl. 405‑5/67/1/18‑2020, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Land Salzburg, vertreten durch MMag. Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19), zu Recht erkannt:

Normen

BVergG 2006 §13
BVergG 2006 §25 Abs7
BVergG 2006 §331 Abs1
BVergG 2006 §78
BVergG 2006 §79
EURallg
LVergKG Slbg 2007 §32 Abs1
PMG §3 Z4
ZustG §1
ZustG §2 Z7
ZustG §3
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art1 Abs3
62002CJ0230 Grossmann Air Service VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020040134.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1.1. Die mitbeteiligte Partei (das Land Salzburg) führte als öffentliche Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Postdienstleistungen durch.

2 Die Bekanntmachung erfolgte am 24. Juli 2018, die Frist für die Abgabe der Teilnahmeanträge endete am 27. August 2018.

3 1.2. Die Ausschreibung (Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. dd Bundesvergabegesetz 2006 ‑ BVergG 2006) enthielt unter anderem folgende Festlegungen:

„1.2. Beschaffungsziel, Projektbeschreibung

[...]

Es soll der Bedarf der ausgeschriebenen Leistungen für drei Jahre abgedeckt werden, es ist eine maximale Laufzeit von 3 Jahren vorgesehen und wird damit den vergaberechtlichen Bestimmungen (§ 151 Abs 5 BVergG) entsprochen.

[...]

Der Abschluss der Rahmenvereinbarung begründet für den Auftraggeber keine Pflicht zum unmittelbaren Abruf aller darin vorgesehenen Leistungen. [...]

[...]

1.5. Vorgangsweise im Verfahren

Interessierte Unternehmen werden ersucht, ihr Interesse an der Teilnahme am vorliegenden Vergabeverfahren auf Grundlage der in diesem Teilnahmeantrag formulierten Bestimmungen abzugeben. Dabei wird ein Verhandlungsverfahren durchgeführt.

Zeitnah nach Ende der Bewerbungsfrist (unverbindliche Angabe) werden auf Grundlage der abgegebenen Teilnahmeanträge entsprechend der Bewertung der Eignungs- und Auswahlkriterien maximal fünf (5) Bewerber zur Abgabe von (Erst‑)Angeboten binnen kurzer Angebotsfrist aufgefordert. Eine angemessen kurze Angebotsfrist ist auch durch den Umstand gerechtfertigt, dass die wesentliche Leistungsbeschreibung bereits mit dem vorliegenden Teilnahmeantrag bekannt gegeben wird.

Im Angebotsverfahren (2. Stufe) ist beabsichtigt auf Grundlage der bereits im vorliegenden Teilnahmeantrag beschriebenen erforderlichen Leistungen ggf weitere Kriterien zu formulieren, die die angebotene Leistung jedenfalls erbringen muss. Wesentliches aber voraussichtlich nicht einziges Zuschlagskriterium wird der Preis sein. Diese Anforderungen werden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe genau definiert werden. Basis bleiben die Anforderungen, die bereits jetzt unter Punkt 3, Leistungsbeschreibung beschrieben werden.

[...]

1.18. Erfüllungsort

Erfüllungsort ist (nach Wahl des Auftraggebers) gemäß der Leistungsvereinbarung der 2. Stufe des Verfahrens (Auslandszustellungen: weltweit) vorgesehen.

[...]

2.1. Eignungskriterien

Die Bewerber/Bieter müssen spätestens zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe über die zur Leistungserbringung erforderliche Eignung (Befugnis, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit) verfügen. Die Eignung muss für die gesamte Dauer des Vergabeverfahrens bestehen bleiben. Die von den Bewerbern vorzulegenden Eignungsnachweise und zu erfüllenden Eignungskriterien sind im Folgenden festgelegt. Die Beurteilung der Erfüllung der Eignungskriterien erfolgt anhand der vom Bewerber gemachten Angaben und ggf vorgelegten Nachweise.

Der Bewerber kann bezüglich seiner Befugnis und Zuverlässigkeit eine Eigenerklärung gem. § 70 Abs. 1 und 2 BVergG gemäß Beilage ./4 beibringen

[...]

2.1.3 Wirtschaftliche/finanzielle und technische Leistungsfähigkeit

[...]

2.1.3.5. Verfügbarkeit vor Ort/Reaktionszeit Die Reaktionszeit (Verfügbarkeit vor Ort der Leistungserbringung im Falle kurzfristigem Prüfungs‑ und Kontrollbedarf) darf max. zwei (2) Stunden betragen. Sollte der AG hierüber Zweifel haben, sind ihm über Aufforderung entsprechende Nachweise (Verfügbarkeitskonzepte o.ä) vorzulegen.

[...]

3. Leistungsbeschreibung

[...]

3.4. Leistungs- und Funktionsbeschreibung

3.4.1. Allgemeines

Ausdrücklich festgehalten wird, dass die nachfolgende Leistungsbeschreibung lediglich eine vorläufige und unverbindliche ist und lediglich der Orientierung der Bewerber dient. Die AG behält sich daher ausdrücklich Änderungen und Ergänzungen der Leistungsbeschreibung mit Aufforderung zur Angebotsabgabe vor. Die verbindliche und vollständige Leistungsbeschreibung wird mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandt.

[...]

3.5. Ausschreibungsrelevante Produkte

3.5.1. Versand von Österreich ins Ausland

 Post mit gleichwertiger Zustellqualität eigenhändig mit Rückschein (vgl. RSa) und nachverfolgbar

 Post mit gleichwertiger Zustellqualität mit Rückschein (vgl. RSb) und nachverfolgbar

 Optional: Post ohne Rückschein, ohne Nachweis

3.5.2. Versand innerhalb Österreich (optional, Verhandlungsgegenstand)

 Post mit gleichwertiger Zustellqualität eigenhändig mit Rückschein (vgl. RSa)

 Post mit gleichwertiger Zustellqualität mit Rückschein (vgl. RSb)

 Post ohne Rückschein, ohne Nachweis

[...]

i. Rücksendung Rückscheine und nicht zustellbare Sendungen sind täglich gesammelt an die Scanstelle [...] zu übermitteln. [...]

[...]“

4 1.3. Mit Schriftsatz vom 20. August 2018 beantragte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Teilnahmeunterlagen. Dieser ‑ hier nicht verfahrensgegenständliche ‑ Antrag auf Nichtigerklärung wurde vom Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) als unbegründet abgewiesen. Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2019, Ra 2018/04/0199, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

5 1.4. Mit einem weiteren Antrag vom 18. Jänner 2019 begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Ausschreibung und brachte zur Begründung zusammengefasst vor, es handle sich bei dem Inhalt des Ausschreibungsgegenstandes um einen unzulässigen Leistungsgegenstand, namentlich um die unzulässige Vergabe einer dem Universaldienstbetreiber nach dem Postmarktgesetz (PMG) vorbehaltenen Leistung. In diesem Zusammenhang werde die rechtswidrige Auslegung des Kontrahierungszwangs gemäß § 19 PMG, die rechtswidrige Festlegung eines wesentlichen Leistungsgegenstandes als „bloße Option“, die rechtswidrige Festlegung in Bezug auf die Eignung der Bewerber, die rechtswidrige Festlegung in Bezug auf die Subunternehmer sowie die Unmöglichkeit einer vergaberechtskonformen Eignungsprüfung, ein unsachliches Missverhältnis in Bezug auf die Gewichtung der Zuschlagskriterien und Provokation zur spekulativen Preisgestaltung, die rechtswidrige Umgehung des Bestbieterprinzips, die durch die Ausschreibungsbedingungen veranlasste Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, der intransparente Ablauf der zweiten Verfahrensstufe und die willkürliche und intransparente Festlegung betreffend Alternativangebote sowie ein rechtswidriger Anspruchsverzicht geltend gemacht.

6 Mit Erkenntnis vom 1. März 2019 wies das Verwaltungsgericht den Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin und den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren ab, hob die im Rahmen dieses Verfahrens erlassene einstweilige Verfügung vom 25. Jänner 2019 auf und erklärte unter einem die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

7 Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Mai 2022, Ra 2019/04/0057, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts (sekundäre Feststellungsmängel) aufgehoben.

8 1.5. Während der oben erwähnten Revisionsverfahren wurde von der Aufraggeberin das Vergabeverfahren weitergeführt und am 20. Mai 2019 mit einer dritten Partei die Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Am 24. Mai 2019 erfolgte die Bekanntgabe des Abschlusses der Rahmenvereinbarung.

9 2. Am 20. Februar 2020 brachte die Revisionswerberin vor dem Hintergrund des Abschlusses der Rahmenvereinbarung durch den Auftraggeber fristgerecht den ‑ hier verfahrensgegenständlichen ‑ Feststellungsantrag gemäß § 32 Abs. 4 Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 ein.

10 Im Einzelnen wurde beantragt, festzustellen,

1a) dass der Zuschlag (Abschluss der Rahmenvereinbarung) und die Abrufe nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung (§ 32 Abs. 1 Z 1 S.VKG 2007) erteilt worden seien;

1b) der Zuschlag ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung (§ 32 Abs. 1 Z 2 S.VKG 2007) erteilt worden sei;

1c) die Durchführung des Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung (§ 32 Abs. 1 Z 3 S.VKG 2007) sei rechtswidrig gewesen.

Es wurden ferner die Anträge gestellt, der Revisionswerberin Einsicht in den Vergabeakt zu gewähren, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, die rechtswidrig abgeschlossene Rahmenvereinbarung samt Leistungsabruf für absolut nichtig zu erklären sowie die Aufraggeberin zu verpflichten, der Revisionswerberin sämtliche Pauschalgebühren zu ersetzen.

Zur Begründung trug die Revisionswerberin ‑ zusammengefasst ‑ vor, in der Teilnahmeunterlage werde unter Punkt 2.1.3.5 zur Verfügbarkeit vor Ort/Reaktionszeit wie folgt gefordert:

Die Reaktionszeit (Verfügbarkeit vor Ort der Leistungserbringung im Fall kurzfristigem Prüfungs‑ und Kontrollbedarf) darf maximal zwei (2) Stunden betragen. Sollte der AG hierüber Zweifel haben, sind ihm, über Aufforderung, entsprechende Nachweise (Verfügbarkeitskonzepte OE) vorzulegen.

Die Auftraggeberin habe bei der Fragebeantwortung darauf hingewiesen, dass der Bieter binnen zwei Stunden am Ort der Leistungserbringung „im Ausland“ verfügbar sein müsse. Dies setze Kenntnis des Bewerbers über den Umfang der verlangten Anforderung ‑ konkret den Ort der Leistungserbringung voraus ‑ weil nur so eine Erklärung über deren Erfüllung abgegeben werden könne.

Zudem brachte die Revisionswerberin vor, gemäß § 3 Zustellgesetz könne ein Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 Zustellgesetz ein Universaldienstbetreiber (§ 3 Z 4 PMG) oder gemäß § 12 Abs. 1 PMG ein benannter Postdienstanbieter sein. Es liege daher ein ausschließliches Recht im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 vor, das im Rahmen eines Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden könne; daraus ergebe sich, dass zur Durchführung des Vergabeverfahrens die Vergabeabsicht gemäß § 19 Abs. 4 BVergG 2006 fehle.

Es stehe ferner fest, dass die Auftraggeberin die Rahmenvereinbarung nicht mit der Zuschlagsempfängerin hätte abschließen dürfen. Eine Interessenabwägung müsse zur Nichtigerklärung der Rahmenvereinbarung führen, weil eine Bestbieterermittlung mangels Prüfung der Eignung ausgeschlossen gewesen sei.

11 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Anträge auf Feststellung gemäß § 32 Abs. 1 S.VKG 2007 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt I.).

Ferner wurde die beantragte Erstattung der Pauschalgebühren als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

12 3.1. Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst folgenden Sachverhalt fest:

Bei der Auftraggeberin handle es sich um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 1 Abs. 1 S.VKG 2007. Diese habe ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Oberschwellenbereich über Postdienstleistungen im Ausland durchgeführt. Die Bekanntmachung zur Veröffentlichung im EU‑Amtsblatt sei am 24. Juli 2018 versendet worden. Die Frist für die Abgabe der Teilnahmeanträge sei mit 27. August 2018 festgelegt worden. Aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2019, mit welchem die abweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts betreffend den Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin, der sich gegen die Teilnahmeunterlagen gerichtet hatte, aufgehoben worden sei, habe die Revisionswerberin die gegenständlichen Feststellungsanträge beim Verwaltungsgericht gestellt.

Die Revisionswerberin habe am 2. Juli 2018 einen Teilnahmeantrag bei der ausschreibenden Stelle eingebracht. Am 15. Oktober 2018 sei in einem Prüfbericht betreffend die eingelangten Teilnahmeanträge festgehalten worden, dass sämtliche Teilnehmer geeignet seien. Die Revisionswerberin sei mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 zur Abgabe des Erstangebotes in der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens aufgefordert worden. Die Revisionswerberin habe in der Folge kein Angebot abgegeben.

Nach Bieterverhandlungen und Angebotsprüfung des Letztanbotes sei am 7. Mai 2019 der beabsichtigte Abschluss der Rahmenvereinbarung den verbliebenen Bietern mitgeteilt und die gegenständliche Rahmenvereinbarung am 18. Mai 2019 abgeschlossen worden.

3.2. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, auf das gegenständliche Vergabeverfahren seien gemäß § 30 Abs. 2 S.VKG 2018, LGBl. Nr 63, die Bestimmungen des Salzburger Vergabekontrollgesetzes 2007 (S.VKG 2007) anzuwenden.

Die Revisionswerberin habe beantragt, die Feststellung gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 S.VKG 2007 zu treffen, dass der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung erteilt worden sei. Kein Bieter habe den vergaberechtmäßigen Zuschlag erhalten können, weil die Eignungsanforderungen nicht hinreichend bestimmt gewesen seien. Es hätten sich im Verfahren jedoch die Ausführungen der Auftraggeberin bestätigt, dass gemäß Punkt 3.4. der Teilnahmeunterlagen der „Ort der Leistungserbringung“ zweifelsfrei Österreich sei und mit der Reaktionszeit eine Verbesserung der Nachverfolgung von Zustellungen ab Bekanntwerden eines Zustellproblems gemeint gewesen sei. Die monierten unklaren Eignungsanforderungen würden lediglich eine bewusste Freistellung seitens der Auftraggeberin darstellen, mit welchen technischen oder faktischen Möglichkeiten die Einhaltung der Reaktionszeit vom jeweiligen Bieter angeboten werde. Die Eigenschaft des Universaldienstleisters und Mitgliedschaft am Weltpostvertrag seien ausreichend als Eignung und sei dies auch mitgeteilt worden. Die Eignungskriterien in den Teilnahmeunterlagen seien daher ausreichend bestimmt vorgegeben gewesen und die Auftraggeberin bei der Prüfung der Teilnahmeanträge nachvollziehbar vorgegangen. Als langjährige Auftragnehmerin sei die Revisionswerberin außerdem über Art und Inhalt der Vergabesache informiert gewesen.

Die Revisionswerberin habe ferner den Antrag gestellt, festzustellen, der Zuschlag sei ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erteilt worden. Es sei zwar der Hinweis der Revisionswerberin richtig, dass einem Bieter die Antragslegitimation zukomme, auch wenn er sich am Vergabeverfahren nicht beteiligt habe, wenn diese Beteiligung deshalb nicht erfolgt sei, weil sich der betreffende Bieter aufgrund angeblich diskriminierender Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen nicht dazu in der Lage gesehen habe, die Gesamtheit der ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen. Die Revisionswerberin habe jedoch wiederholt vorgebracht, dass aufgrund des bestehenden Ausschließlichkeitsrechts gerade nur die Revisionswerberin die ausgeschriebene Postdienstleistung erbringen könne. Im Sinne der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) begründe lediglich die faktische Unmöglichkeit der Anbotslegung eine Antragslegitimation trotz fehlender Beteiligung am Vergabeverfahren. Daher war verfahrensgegenständlich der beantragten Feststellung der Antragstellerin, rechtswidrigerweise keine Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erhalten zu haben, nicht zu folgen.

Ferner habe die Revisionswerberin die Feststellung beantragt, das Vergabeverfahren sei rechtswidrig gewesen, weil die Durchführung ohne vorherige Bekanntmachung erfolgt sei. Das Vergabeverfahren sei jedoch zweifelsfrei ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

Nach dem oben Gesagten seien die beantragte Nichtigerklärung und die Verhängung von Sanktionen als unbegründet abzuweisen.

Zu dem Vorbringen, die Auftraggeberin greife durch die Option über die Zustellungen im Inland in Ausschließlichkeitsrechte der Revisionswerberin ein, sei festzuhalten, dass die Zustellung von behördlichen Dokumenten gemäß § 3 Zustellgesetz unstrittig durch einen Zustelldienst zu erfolgen habe. Unter einem Zustelldienst sei ein Universaldienstbetreiber zu verstehen. Gemäß § 17 PMG zähle die Zustellung von Schriftstücken der Gerichte und Verwaltungsbehörden nach dem Zustellgesetz zu den im Rahmen des Universaldienstes zu erbringenden Leistungen. Die Revisionswerberin sei im Jahr 2016 mit Bescheid der zuständigen Regulierungsbehörde zum weiteren Male für fünf Jahre zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet worden. Jedoch seien mit der gegenständlichen Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen als Hauptgegenstand der ersten Stufe des Verhandlungsverfahrens die Postdienstleistungen im Ausland festgelegt und lediglich als Option der Verhandlungsgegenstand über Postdienstleistungen im Inland eingefügt worden. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin könne sich aus der Verpflichtung zum Universaldienstleister kein Ausschließlichkeitsrecht im Sinne des § 30 BVergG 2006 ableiten. Die Voraussetzungen für diesen Ausnahmetatbestand im Sinne des § 10 Z 6 BVergG 2006 lägen nicht vor. Zudem könne der Auftraggeber im Falle eines Ausschließlichkeitsrechts ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchführen, es bestehe hierzu jedoch keine Verpflichtung. Die Auftraggeberin habe aus wirtschaftlichen Überlegungen die Option der Inlandszustellungen aus dem zwischenzeitig abgeschlossenen Rahmenvertrag nicht „gezogen“.

Die Revisionswerberin habe moniert, dass bereits in den Teilnahmeunterlagen die Mindestanforderungen betreffend den Leistungsgegenstand des Verfahrens bekannt zu geben seien und mit dem lediglich undefinierten Begriff „Ausland“ die Anforderung der unmittelbar anzuwendenden Richtlinie 2014/24/EU nicht eingehalten worden seien. Unter „Ausland“ seien laut Erwägungen des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 17.12.2019, Ra 2018/04/0199) alle Länder außerhalb von Österreich zu verstehen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Die Revision erweist sich in Hinblick auf das zur Begründung der Zulässigkeit vorgebrachte Fehlen von Rechtsprechung zu den Rechtsfragen im Zusammenhang mit der der Revisionswerberin zukommenden Stellung als einzige für Zustellungen behördlicher Schriftstücke im Inland bestellten Universaldienstleisterin als zulässig, jedoch im Ergebnis als nicht berechtigt.

4.1. Zur maßgeblichen Rechtslage

14 4.1.1. Die gemäß § 30 Abs. 2 S.VKG 2018 vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Vergabekontrollgesetzes 2007 (S.VKG 2007), LGBl. Nr. 28 idF LGBl. Nr. 120/2015, lauteten auszugsweise:

„4. Unterabschnitt

Feststellungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 32

(1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes 2006 unterliegenden Vertrages hatte, kann, wenn ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass

1. der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde;

2. die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war;

3. die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 bzw. § 272 BVerG 2006 wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war;

(...)“

15 4.1.2. Das Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz ‑ ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 33/2018, lautet auszugsweise:

„1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt die Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Dokumente sowie die durch sie vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

(...)

7. ‚Zustelldienst‘: ein Universaldienstbetreiber (§ 3 Z 4 PMG) sowie ein Zustelldienst im Anwendungsbereich des 3. Abschnitts;

(...)

Durchführung der Zustellung

§ 3. Soweit die für das Verfahren geltenden Vorschriften nicht eine andere Form der Zustellung vorsehen, hat die Zustellung durch einen Zustelldienst, durch Bedienstete der Behörde oder, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Raschheit gelegen ist, durch Organe der Gemeinden zu erfolgen.“

16 4.1.3. Das Bundesgesetz über die Regulierung des Postmarktes (Postmarktgesetz ‑ PMG), BGBl. I Nr. 123/2009 idF BGBl. 78/2018, lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 3. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

1. ‚Österreichische Post‘ die Österreichische Post Aktiengesellschaft;

2. ‚Postdienste‘ die Dienste im Zusammenhang mit der Abholung, dem Sortieren, dem Transport und der Zustellung von Postsendungen;

3. ‚Postdiensteanbieter‘ Unternehmen, die einen oder mehrere Postdienste erbringen;

4. ‚Universaldienstbetreiber‘ ein oder mehrere benannte Universaldienstbetreiber gemäß § 12 Abs. 1 oder ein oder mehrere benannte Postdiensteanbieter gemäß § 12 Abs. 2;

(...)

Universaldienstbetreiber

§ 12. (1) Mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes wird die Österreichische Post als Universaldienstbetreiber benannt. Fünf Jahre nach Inkrafttreten hat die Regulierungsbehörde zu prüfen, ob es auch andere Postdiensteanbieter gibt, welche den bundesweiten Universaldienst erbringen können. Ist dies der Fall, so hat die Regulierungsbehörde den bundesweiten Universaldienst öffentlich auszuschreiben und nach Durchführung eines transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahrens an den bestgeeigneten Postdiensteanbieter zu vergeben. Soweit dadurch eine Senkung der Gesamtkosten des Universaldienstes zu erwarten ist, kann die Regulierungsbehörde auch mehrere Postdiensteanbieter mit der Erbringung des Universaldienstes für einzelne Regionen oder Leistungen des Universaldienstes betrauen. Diesem Postdiensteanbieter ist die Erbringung des Universaldienstes mit Bescheid zu übertragen und die Österreichische Post mit Bescheid von der Verpflichtung zur Erbringung des Universaldienstes zu entbinden. Im Übertragungsbescheid ist zu bestimmen, welche der in diesem Bundesgesetz der Österreichischen Post eingeräumten Rechte und auferlegten Verpflichtungen auch für diesen Betreiber gelten. Spätestens nach weiteren fünf Jahren ist die Prüfung zu wiederholen oder der Universaldienst neu auszuschreiben.

(...)

4.2. Zum Antrag gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 S.VKG 2007

17 Betreffend die Abweisung des Feststellungsantrags, die Durchführung des verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung sei rechtswidrig gewesen, ist festzuhalten, dass die Revision weder die Feststellung des Verwaltungsgerichts betreffend die erfolgte Bekanntmachung bekämpft noch ein gegen die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, „das gegenständliche sei ordnungsgemäß bekannt gemacht“ worden, gerichtetes Vorbringen erstattet.

18 Die Angaben in der Bekanntmachung sollen es potenziellen Interessenten ermöglichen, zu prüfen, ob ein bestimmtes Vergabeverfahren für sie von Interesse sein kann (siehe RV 1171 BlgNR 22. GP , 53). Dafür, dass diese Prüfung für die Revisionswerberin nicht möglich gewesen wäre, liefert das Vorbringen der Revisionswerberin keine Anhaltspunkte.

19 Die Abweisung dieses Antrags ist daher zu Recht erfolgt.

4.3. Zu den Anträgen gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Z 2 S.VKG 2007

20 4.3.1. § 32 Abs. 1 S.VKG 2007 verlangt für die Antragslegitimation im Feststellungsverfahren, dass der Antragsteller ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes 2006 unterliegenden Vertrages hatte und ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Interesse am Vertragsabschluss liegt vor, wenn dargelegt wird, dass der Antragsteller ein Interesse daran hatte, ein Angebot zu legen. Ein dem Antragsteller drohender Schaden liegt bereits dann vor, wenn die Möglichkeit des Antragstellers, am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtswidrigkeit beeinträchtigt werden kann. Dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, wird bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel ist (vgl. VwGH 23.5.2014, 2013/04/0025, mit Verweis auf das ‑ einen Feststellungsantrag gemäß § 331 Abs. 1 BVergG 2006 betreffende ‑ Erkenntnis des VwGH vom 26.2.2014, 2011/04/0134, mwN).

21 Zur Frage der Plausibilität eines Schadens als Voraussetzung für die Antragslegititmation in einem Nachprüfungsverfahren führte der EuGH in seinem Urteil vom 12. Februar 2004, C‑230/02 (Grossmann Air Service) aus, im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 sei es grundsätzlich zulässig, die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren zur Voraussetzung dafür zu machen, dass die betreffende Person sowohl ein Interesse an dem fraglichen Auftrag als auch einen aufgrund der angeblich unrechtmäßigen Zuschlagserteilung drohenden Schaden nachweisen kann. In Ermangelung der Legung eines Angebots könne eine solche Person schwerlich dartun, dass sie ein Interesse an der Anfechtung dieser Entscheidung habe oder dass diese Zuschlagserteilung sie schädige oder zu schädigen drohe. Falls ein Unternehmen jedoch deshalb kein Angebot gelegt habe, weil es sich durch angeblich diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen oder im Pflichtenheft gerade daran gehindert gesehen habe, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, sei es berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen einzuleiten, noch bevor das Vergabeverfahren für den betreffenden öffentlichen Auftrag abgeschlossen sei. Zum einen könne nämlich von einem angeblich durch diskriminierende Klauseln in den Ausschreibungsunterlagen geschädigten Unternehmen als Voraussetzung dafür, mit den in der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren gegen solche Spezifikationen vorzugehen, nicht verlangt werden, im Rahmen des betreffenden Vergabeverfahrens ein Angebot zu legen, obwohl es aufgrund der genannten Spezifikationen keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags habe (vgl. EuGH in Grossmann Air Service, Rn 27 bis 29).

22 4.3.2. Unstrittig ist, dass die Revisionswerberin, die fristgerecht einen Teilnahmeantrag gestellt hatte, trotz entsprechender Aufforderung zur Angebotslegung seitens der Auftraggeberin kein Angebot gelegt und sich somit nicht weiter am Verhandlungsverfahren beteiligt hat.

23 Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, in Hinblick auf die oben genannte Rechtsprechung des EuGH sei davon auszugehen, dass nur die faktische Unmöglichkeit der Anbotslegung eine Antragslegitimation trotz fehlender Beteiligung am Vergabeverfahren begründe. Die Revisionswerberin habe im Verfahren jedoch mehrfach vorgebracht, aufgrund des ihr zustehenden Ausschließlichkeitsrechts als Universaldienstleisterin alleine in der Lage zu sein, die ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen. Es sei daher der Revisionswerberin nicht darin zu folgen, dass sie rechtswidrigerweise keine Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erhalten habe.

24 4.3.3. Nach dem oben Gesagten ist zunächst festzuhalten, dass die Antragslegitimation der Revisionswerberin für Feststellungsanträge gemäß § 32 Abs. 1 S.VKG 2007 fraglich scheint, weil diese trotz Aufforderung im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren kein Angebot gelegt hat und sie daher die für die Antragslegitimation erforderliche Tatsache eines entstandenen oder drohenden Schadens nicht auf diesem Weg plausibel dargetan hat.

25 Aufgrund des Vorbringens der Revisionswerberin ist jedoch zu prüfen, ob diese im Sinne der unter 4.3.1. wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH trotz unterlassener Anbotslegung im vorliegenden Feststellungsverfahren als antragslegitimiert anzusehen ist.

26 4.3.3.1. Zu dem von der Auftraggeberin vorgebrachten Argument, die Inlandszustellung sei lediglich als Option ausgeschrieben gewesen und in der Folge nicht abgerufen worden, weshalb diese nicht in die Beurteilung des vorliegenden Vergabeverfahrens einzufließen habe, ist vorauszuschicken, dass eine Option als Bestandteil des Auftrags anzusehen ist und als solcher der Nachprüfung unterliegt (vgl. VwGH 26.4.2007, 2005/04/0189, 0190). Es schadet auch nicht, wenn es allein im Willen des Auftraggebers liegt, ob dieser von der Option Gebrauch macht, zumal hier Verfahrensgegenstand der Abschluss einer Rahmenvereinbarung ist, bei der nach der Definition des § 25 Abs. 7 BVergG 2006 ohnehin insgesamt keine Abnahmeverpflichtung des Auftraggebers besteht (vgl. dazu auch VwGH 16.3.2016, Ro 2014/04/0070). Der Rechtsansicht der Auftraggeberin, das Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die Vergaberechtswidrigkeit der Ausschreibung der Inlandszustellungen sei von vornherein unbeachtlich, ist daher nicht zu folgen.

27 4.3.3.2. Gemäß § 3 iVm § 1 Zustellgesetz hat ‑ sofern für ein bestimmtes Verfahren nicht eine andere Form der Zustellung vorgesehen ist ‑ eine Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Dokumente durch einen „Zustelldienst“ zu erfolgen. Gemäß § 2 Z 7 ZustG bezeichnet „Zustelldienst“ einen „Universaldienstbetreiber“ gemäß § 3 Z 4 PMG. Demzufolge sind Zustellungen von Behördensendungen, welche in Vollziehung der Gesetze erfolgen, der Zustellung durch den Universaldienstbetreiber vorbehalten.

Der einzige im maßgeblichen Zeitpunkt bestehende Universaldienstbetreiber war die Revisionswerberin.

Sofern nun die Teilnahmeunterlagen als Leistungsgegenstand unter „3.5.2. Versand innerhalb Österreich“ als zu beschaffende Dienstleistungen „Post mit gleichwertiger Zustellqualität eigenhändig mit Rückschein (vgl. RSa)“ und „Post mit gleichwertiger Zustellqualität mit Rückschein (vgl. RSb)“ nannte, sind diese Festlegungen der Rechtsprechung zufolge nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei der Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen auszulegen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an (vgl. VwGH 14.12.2021, Ro 2021/04/0014).

Im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständliche Ausschreibung die Zustellung behördlicher Sendungen, soferne diese in Vollziehung der Gesetze geschieht, nicht zum Gegenstand einer Beschaffung von am Markt erhältlichen Dienstleistungen machen konnte, weil es sich dabei um einen gesetzlich geregelten Zustellvorgang handelt. Die Festlegung im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren ist unter Berücksichtigung der Anordnungen des Zustellgesetzes in Verbindung mit den Bestimmungen des Postmarktgesetzes bei im Zweifel vorzunehmender gesetzeskonformer Auslegung dahingehend zu verstehen, dass die ‑ gemäß Zustellgesetz ausschließlich vom Universaldienstbetreiber vorzunehmenden ‑ Zustellungen nicht Teil der im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren zu beschaffenden Postdienstleistungen sein sollten. Es ist nämlich nicht zu unterstellen, die öffentliche Auftraggeberin habe bezweckt, anstelle des gesetzlich angeordneten Zustellvorgangs eine diesen substituierende Dienstleistung am Markt beschaffen zu wollen, welche von vornherein nicht zu einem gesetzeskonformen Zustellvorgang in den von § 1 ZustG bezeichneten Fällen führen kann.

Diese Interpretation der Festlegungen betreffend den ausgeschriebenen Leistungsgegenstand führt dazu, dass die Ausschließlichkeitsrechte der Revisionswerberin von der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung nicht berührt sein konnten. Aus diesem Grund erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage der Auslegung des Kontrahierungszwangs gemäß § 19 PMG, sowie die Frage, ob ein Verstoß gegen § 19 Abs. 4 BVergG 2006 vorliege, weil die Auftraggeberin mangels objektiver Möglichkeit zur Durchführung des beabsichtigten Vergabeverfahrens keine Vergabeabsicht gehabt habe.

Insofern die Revision ferner wie bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren auf die Unklarheit der Teilnahmeunterlagen verweist, ist zum einen festzuhalten, dass bereits mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.12.2019, Ra 2018/04/0199, ausgesprochen wurde, dass unter „Ausland“ alle Länder außerhalb Österreichs zu verstehen seien. Ferner führt das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, es seien die Eigenschaften als Universaldienstleister und Mitglied am Weltpostvertrag als Eignung für die Teilnahme am Vergabeverfahren als ausreichend eingestuft und auch mitgeteilt worden. In der Beweiswürdigung ‑ und insofern disloziert ‑ führte das Verwaltungsgericht ferner aus, dass mit der monierten „Reaktionszeit von zwei Stunden“ nicht der gesamte Zustellvorgang außerhalb von Europa zu verstehen gewesen sei, sondern als Zeitfenster gedacht gewesen sei, innerhalb dessen die notwendigen Prüf‑ und Kontrollmaßnahmen beginnen sollten. Ferner hielt das Verwaltungsgericht fest, dass das von der Revisionswerberin bereits in Verwendung stehende Trackingsystem diese Anforderungen bewerkstelligen könne.

Dass diese einzelfallbezogenen Auslegungen des Verwaltungsgerichts unvertretbar seien, legt die Revision nicht dar. Insbesondere erscheint aufgrund des Vorbringens der Revision nicht nachvollziehbar, inwiefern diese gehindert gewesen wäre, sich trotz der Aufforderung seitens der Auftraggeberin durch eine entsprechende Anbotslegung weiterhin im Vergabeverfahren zu beteiligen. Da die Revisionswerberin aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Antragslegitimation gemäß § 32 Abs. 1 S.VKG 2007 nicht dargetan hat, war sie nicht zur Stellung der Feststellungsanträge legitimiert. Dass das Verwaltungsgericht diese Feststellungsanträge nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat, vermag die Revisionswerberin nicht in ihren Rechten zu verletzen (vgl. VwGH 14.12.2021, Ra 2020/04/0184, Rn. 18, mwN).

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. August 2023

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