VwGH Ra 2022/20/0230

VwGHRa 2022/20/023025.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des K R in G, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2022, I412 2148488‑2/33E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §52

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200230.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber stellte nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich am 6. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Er gab an, somalischer Staatsangehöriger zu sein. Allerdings sei er ab seinem ersten Lebensjahr in der Türkei bei einem Türken aufgewachsen.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das davon ausging, die Angaben des Revisionswerbers zu seiner Staatsangehörigkeit seien unrichtig und er sei in Wahrheit Staatsangehöriger von Nigeria, wies den von ihm gestellten Antrag mit Bescheid vom 31. Jänner 2017 ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3 Über Beschwerde des Revisionswerbers hob das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. März 2017 den Bescheid vom 31. Jänner 2017 auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück. Das Verwaltungsgericht sah die bisherige Ermittlungstätigkeit der Behörde zur Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers als unzureichend an.

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl setzte daraufhin weitere Ermittlungsschritte, im Besonderen durch Einholung eines den Revisionswerber betreffenden linguistischen Gutachtens. Der Gutachter kam darin zum Ergebnis, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Hauptsozialisierung des Revisionswerbers in der Türkei auszuschließen sei. Seine Hauptsozialisierung habe sehr wahrscheinlich in Nigeria stattgefunden.

5 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers im zweiten Rechtsgang mit Bescheid vom 5. Juni 2018 erneut ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde auch mit diesem Bescheid nicht gewährt und neuerlich einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

6 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht, das zuvor ‑ der Sache nach ‑ den behördlichen Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos behoben hatte, die gegen die übrigen Spruchpunkte gerichtete Beschwerde im Wesentlichen als unbegründet ab. Lediglich den Ausspruch über die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise änderte es dahingehend ab, dass für diese eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wurde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung für die Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision gegen die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Feststellung, er sei Staatsangehöriger von Nigeria.

11 Der Revisionswerber ist insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 24.6.2022, Ra 2021/20/0052, mwN). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass die Beurteilung, ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung vom Verwaltungsgericht zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde, keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung darstellt, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision zu begründen vermag, wenn sie zumindest vertretbar ist (vgl. VwGH 8.6.2022, Ra 2022/11/0060, mwN).

12 Es gelingt dem Revisionswerber mit seinen gegen das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholte Gutachten gerichteten Ausführungen nicht darzutun, dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre.

13 Soweit der Revisionswerber meint, das Bundesverwaltungsgericht hätte sich ‑ obgleich er weiterhin bestreite, Staatsangehöriger von Nigeria zu sein ‑ des Näheren mit einer ihm in Nigeria drohenden Verfolgung auseinandersetzen müssen, kann es hier sein Bewenden haben, den Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass er solches bislang nie geltend gemacht hat. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu sehen, dass dem Bundesverwaltungsgericht ein Verfahrensfehler zum Vorwurf zu machen wäre. Das gilt umso mehr, als der Revisionswerber im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25. April 2018 ausdrücklich zu einer etwaigen Verfolgung in Nigeria befragt und ihm auch in der vom Bundesverwaltungsgericht am 5. April 2022 durchgeführten Verhandlung Gelegenheit gegeben wurde, Gründe für eine Verfolgung im Herkunftsstaat darzulegen (vgl. dazu, dass dem Vorbringen des Asylwerbers im Verfahren zentrale Bedeutung zukommt, etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330, 0331, mwN).

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. August 2022

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