VwGH Ro 2022/13/0002

VwGHRo 2022/13/000228.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der M in D (Vereinigte Arabische Emirate), vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Juli 2021, Zl. RV/7102008/2017, betreffend Rückerstattung von Kapitalertragsteuer für das Jahr 2013, zu Recht erkannt:

Normen

AktG 1965 §104 Abs2 Z2
AktG 1965 §104 Abs4
BAO §24
BAO §77 Abs1
DBAbk Vereinigte Arabische Emirate 2004 Art10
EStG 1988 §2 Abs3
EStG 1988 §2 Abs3 Z5
EStG 1988 §27 Abs2 Z1 lita
EStG 1988 §95 Abs1
GmbHG §35 Abs1 Z1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022130002.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingaben vom 19. Mai 2013 und vom 12. August 2013 beantragte die Revisionswerberin, eine in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Kapitalgesellschaft, die im Jahr 2013 Aktien österreichischer Gesellschaften erworben hatte, unter Bezugnahme auf die Freistellung von Dividenden nach Art. 10 DBA Vereinigte Arabische Emirate gemäß § 240 Abs. 3 BAO die Rückzahlung von Kapitalertragsteuer, die im Jahr 2013 in Österreich auf ihre inländischen Dividendeneinkünfte erhoben worden sei, im Betrag von 1,106.250 € und 1,245.000 €.

2 Mit Ergänzungsersuchen vom 2. April 2014 forderte das Finanzamt die Revisionswerberin auf, einen Wertpapierdepotauszug für das Jahr 2013 sowie Nachweise dafür vorzulegen, dass Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt worden sei. Weiters wurde die Revisionswerberin um Beantwortung der nachstehenden Fragen und um Beibringung von bezughabenden Unterlagen ersucht:

„Wer war wirtschaftlicher Eigentümer [der gegenständlichen Wertpapiere] zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Ausschüttungen und zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ausschüttungen?

Ab welchem Zeitpunkt sind Sie ständiger Eigentümer, Besitzer oder Inhaber der gegenständlichen Wertpapiere geworden und durch welchen Rechtsvorgang haben sie diese Rechtsstellung erworben?

Waren Sie schon vor diesem Rechtsvorgang einmal ständiger Eigentümer, Besitzer oder Inhaber der gegenständlichen Wertpapiere?

Wurden die gegenständlichen Wertpapiere zwischen dem Zeitpunkt der Beschlussfassung und dem Zeitpunkt der Ausschüttung verkauft, verliehen oder haben Sie auf andere Weise den Eigentümer, Besitzer oder Inhaber gewechselt?

Durch welchen Vorgang erwarben Sie die gegenständlichen Wertpapiere oder etwaige Rechte daran?

Sind Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch Eigentürmer, Besitzer oder Inhaber der gegenständlichen Wertpapiere? Wenn Nein, welche Rechtsvorgänge wurden von Ihnen oder anderen Personen mit den gegenständlichen Wertpapieren durchgeführt?“

3 Mit Eingaben vom 11. April 2014 gab die Revisionswerberin bekannt, die gegenständlichen Wertpapiere seien außerbörslich („Over The Counter“ ‑ OTC) über Broker erworben, via Oesterreichischer Kontrollbank AG (OeKB) „gesettelt“ und von der Depotbank der Revisionswerberin abgewickelt worden. Die vorherigen wirtschaftlichen Eigentümer seien nicht bekannt. Der Erwerb der Wertpapiere sei jeweils vor dem Ex‑Tag erfolgt, welcher jener Tag sei, der für die Ermittlung des Dividendenanspruchs maßgeblich sei. Ab dem Erwerb seien der Revisionswerberin sämtliche Rechte, Chancen und Risiken aus den Wertpapieren zugestanden, womit das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren bei der Revisionswerberin gelegen sei. Die Dividenden seien von der Revisionswerberin in eigenem Namen und auf eigene Rechnung sowie auf eigenes Risiko vereinnahmt worden. Derzeit sei die Revisionswerberin nicht mehr Eigentümerin, Besitzerin oder Inhaberin der gegenständlichen Wertpapiere. Es sei ihr „Tradingansatz“, Wertpapiere „nach Beschluss einer Ausschüttung aber noch vor dem Ex‑Tag zu kaufen und in der Folge kurzfristig innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (je nach Marktentwicklung, Liquiditätsbedarf und alternativen Investmentmöglichkeiten) wieder zu veräußern“. Die Verkäufe seien außerbörslich (OTC) erfolgt. Zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs und der Veräußerung seien die Wertpapiere ‑ wie aus den Bestätigungen auf den Depotauszügen der Depotbank ersichtlich sei ‑ nicht verliehen worden, sie hätten auch auf keine andere Weise den Eigentümer, Besitzer oder Inhaber gewechselt.

4 Die Daten betreffend den Ausschüttungsbeschluss, Kauf des jeweiligen Wertpapiers durch die Revisionswerberin, Ex‑Tag, Zahltag und Verkauf des jeweiligen Wertpapiers durch die Revisionswerberin, stellen sich gemäß den Eingaben der Revisionswerberin vom 11. April 2014 wie folgt dar:

Aktie

Beschluss

Kauf

Ex-Tag

Zahltag

Verkauf

Andritz AG

22.03.2013

25.03.2013

26.03.2013

28.03.2013

02.04.2013

Österreichische Post AG

18.04.2013

30.04.2013

02.05.2013

02.05.2013

08.05.2013

Vienna Insurance Group AG

03.05.2013

10.05.2013

13.05.2013

13.05.2013

21.05.2013

OMV AG

15.05.2013

21.05.2013

22.05.2013

23.05.2013

28.05.2013

voestalpine AG

03.07.2013

05.07.2013

08.07.2013

15.07.2013

12.07.2013

      

5 Mit Bescheiden vom 28. April 2014 wies das Finanzamt die Rückzahlungsanträge vom 19. Mai 2013 und vom 12. August 2013 ab und führte zur Begründung aus, laut den vorgelegten Urkunden seien die Aktien von der Revisionswerberin zwar vor dem Dividendenstichtag (Ex‑Tag) gekauft, aber erst nach diesem Stichtag auf dem Wertpapierdepot eingeliefert worden. Die Dividenden seien daher dem bisherigen Anteilseigner zuzurechnen.

6 Die Revisionswerberin brachte gegen die Bescheide vom 28. April 2014 Beschwerden ein und führte aus, die angefochtenen Bescheide beruhten inhaltlich auf einer Information des Bundesministers für Finanzen vom 18. September 2014, BMF‑010203/0314‑VI/1/2014. Darin werde zwar eingeräumt, dass der Zeitpunkt der „Einlieferung“ für den Anspruch auf Dividendenzahlungen grundsätzlich keine Rolle spiele, es werde aber trotzdem davon ausgegangen, dass eine steuerliche Zurechnung der Dividendenzahlung ‑ und in der Folge der Anspruch auf Rückerstattung ‑ nur möglich sei, wenn die Aktien bereits vor dem Ex‑Tag auf dem Depot des Steuerpflichtigen eingeliefert seien.

7 Im österreichischen Steuerrecht erfolge die Zurechnung von Einkünften nach der von Ruppe entwickelten Markteinkommenstheorie. Danach seien Einkünfte demjenigen zuzurechnen, der die Möglichkeit habe, Marktchancen zu nutzen und den Erfolg oder Misserfolg der Disposition treffe. Auch der deutsche Bundesfinanzhof führe zum wirtschaftlichen Eigentum an Aktien aus, dass der Erwerber wirtschaftliches Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt erlange, ab dem er nach dem Willen der Vertragspartner über die Aktien verfügen könne (Hinweis auf BFH 15.12.1999, I R 29/97).

8 Die Revisionswerberin habe ab dem Kaufdatum eine Position innegehabt, mit der ihr die Ausübung der wesentlichen Eigentümerfunktionen zugestanden sei. So seien ihr ab dem Kaufdatum sämtliche Rechte, Chancen und Risiken aus den Aktien zugestanden. Der Kaufvertrag sei durchsetzbar gewesen und die Käuferstellung habe ihr nicht mehr entzogen werden können. Die Aktien seien von der Revisionswerberin am für die Feststellung des Dividendenanspruchs maßgeblichen Cum‑Tag erworben worden und sie habe die Dividenden nachweislich selbst vereinnahmt, wobei keine Verpflichtung (z.B. durch Fruchtgenuss oder ähnlichem) bestanden habe, diese weiterzuleiten. Auch andere Rechte, Möglichkeiten, Chancen und Risiken aus den Aktien seien ab dem Zeitpunkt des Erwerbs der Revisionswerberin zugefallen. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten sowie insbesondere die mit Aktien gemeinhin verbundenen Kursrisiken und Kurschancen würden bei ihr liegen.

9 Das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien sei ab dem Tag des Erwerbs bei der Revisionswerberin gelegen, die auch einen Anspruch auf Rückerstattung der einbehaltenen österreichischen Quellensteuer habe. Die technische Abwicklung des Aktienhandels (Einbuchung erst nach dem Handelstag an dem durch die Clearingregeln der jeweiligen Börse definierten „Settlement‑Tag“ in das Depot) könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Die Einbuchung im Depot diene lediglich als ex‑post Nachweis des tatsächlichen Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums und entfalte keine konstitutive Wirkung. Auch beim Erwerb von Grundstücken könne es zum Auseinanderfallen der Übergabe mit der Eintragung kommen. Aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch davon auszugehen, dass der Erwerber eines Grundstücks in der Zeit zwischen der tatsächlichen Übergabe und der Eintragung im Grundbuch bereits wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstückes sei (Hinweis auf VwGH 17.2.1992, 90/15/0117). Auch hier werde nicht auf die formale Eintragung im Grundbuch abgestellt.

10 Im Revisionsfall liege keine missbräuchliche Gestaltung vor und das Abstellen auf die Einlieferung der Aktien in das Depot der Revisionswerberin stehe im Widerspruch zur Markteinkommenstheorie. Es hätte auch zur Folge, dass die Dividenden im gegenständlichen Fall niemandem zurechenbar wären und niemand ein Recht auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer hätte.

11 Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom 20. Jänner 2015 ab, woraufhin die Revisionswerberin deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.

12 Nach Ergehen eines weiteren Vorhalts vom 23. April 2015, der von der Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 6. August 2015 beantwortet wurde, legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ keine Folge.

14 Es stellte fest, dass die Revisionswerberin im Jahr 2013 Aktien börsenotierter inländischer Unternehmen „cum“ Dividendenanspruch über einen Broker im außerbörslichen Handel (OTC) erworben habe. Die Lieferung der Aktien sei jeweils nach vollständigem Abschluss des Settlements durch die OeKB, somit nach dem Dividendenstichtag ‑ dem für den Depotstand zum Erhalt der Dividendenzahlung maßgeblichen Tag ‑ „ex“ Dividendenanspruch in das Depot der Revisionswerberin erfolgt.

15 Der Grund für die Lieferung „ex“ Dividende sei darin zu erblicken, dass die Unternehmen die Ausschüttung ihrer Gewinne beschlossen hätten, die Dividenden aber noch nicht der Revisionswerberin, sondern dem bisherigen rechtlichen Anteilseigner zuzurechnen gewesen seien. Als Ersatz für die entgangenen Dividenden habe die Revisionswerberin Kompensationszahlungen in Höhe der Nettodividenden erhalten, für die ihr keine Erstattung der Kapitalertragsteuer zustünde. Dass es sich bei den als „Dividendengutschriften“ bezeichneten Zuflüssen nur um Kompensationszahlungen und nicht um mit Kapitalertragsteuer behaftete Dividendenzahlungen handeln könne, sei daraus ableitbar, dass die Aktien im Depot der Revisionswerberin am Settlementtag „ex“ Dividende eingeliefert worden seien. Erst zu diesem Zeitpunkt hätte die Revisionswerberin ihren Dividendenanspruch ‑ soweit vorhanden ‑ geltend machen können. Für Aktien „ex“ Dividende, über welche die Revisionswerberin verfügt habe, bestehe kein Dividendenanspruch.

16 Bei den Aktien der Österreichischen Post AG, der Vienna Insurance Group AG und der OMV AG werde bei Zusammenschau des Erwerbszeitpunktes des jeweiligen Wertpapiers mit den für das jeweilige Wertpapier maschinell erstellten Bestätigungen für eine Dividendengutschrift („Income payment from securities“) sowie der von der Depotbank unterschriebenen Bestätigung über Dividendengutschriften offensichtlich, dass die jeweilige Nettodividende bereits vor dem Settlementtag bzw. dem Abschluss des Regulierungsverfahrens durch die OeKB angewiesen worden sei (Ausschüttung der Dividende bzw. Zahltag vor Settlement). Damit stehe eindeutig fest, dass es sich keinesfalls um die Anweisung einer mit Kapitalertragsteuer behafteten Dividende der OeKB handeln könne, zumal für die OeKB der Aktienhandel erst mit dem Settlement abgeschlossen sei und die Dividende von der OeKB daher erst frühestens am Settlementtag angewiesen werden könne.

17 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts führte das Bundesfinanzgericht aus, die Revisionswerberin habe im außerbörslichem Handel (OTC) Aktien börsenotierter Unternehmen erworben. Es handle sich um „Cum‑Ex‑Geschäfte“, weil der Erwerb rund um den Dividendenstichtag erfolgt sei. Bei solchen Geschäften sei zu klären, wer nach objektiven Kriterien berechtigt sei, sich die abgeführte Kapitalertragsteuer rückerstatten zu lassen, zumal bei bestimmter Gestaltung die Gefahr einer doppelten bzw. mehrfachen Anrechnung (Erstattung) der nur einmal erhobenen Kapitalertragsteuer bestehe.

18 Strittig sei, wem die inländischen Dividendeneinkünfte aus den hier in Rede stehenden Aktien zuzurechnen seien bzw. wann das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren vom Aktienverkäufer auf die Revisionswerberin übergegangen sei.

19 Wirtschaftsgüter seien unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums demjenigen zuzurechnen, der über sie die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübe, wobei eine dem zivilrechtlichen Eigentümer vergleichbare wirtschaftliche Stellung iSd § 24 Abs. 1 lit. d BAO angenommen werden dürfe, wenn die Herrschaftssituation der als wirtschaftlicher Eigentümer in Betracht gezogenen Person auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse so geartet sei, dass dem Betreffenden die Ausübung der wesentlichen Eigentümerfunktionen zustehe (Hinweis auf VwGH 9.5.1989, 89/14/0033).

20 Aktien würden an der Börse bis zu einem bestimmten Stichtag (Cum‑Tag) mit Dividendenanspruch („cum“ Dividende) und am Tag danach (Ex‑Tag) ohne Dividendenanspruch („ex“ Dividende) gehandelt. Habe der Erwerber einer Aktie „cum“ Dividende bis zu diesem Tag die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis über die Gesellschaftsanteile erlangt, habe er Anspruch auf die Dividendenzahlung.

21 Die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis und somit das wirtschaftliche Eigentum eines Dividendenbeziehers an den Gesellschaftsanteilen zeige sich somit darin, dass dieser die echte mit Kapitalertragsteuer behaftete Dividende beziehen könne und nicht bloß eine Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende, aber ohne Anspruch auf KESt‑Rückerstattung, erhalte.

22 Sowohl nach der Markteinkommenstheorie als auch iSd wirtschaftlichen Betrachtungsweise seien Einkünfte aus Kapitalvermögen (Dividenden) demjenigen zuzurechnen, dem die Anteile (Wertpapiere) zuzurechnen seien und der die faktische Möglichkeit zur entgeltlichen Nutzung dieses Wirtschaftsguts innehabe.

23 Der bloße Abschluss eines Kaufvertrags über einen Gegenstand verschaffe dem Käufer weder das zivilrechtliche noch das wirtschaftliche Eigentum an einer Sache.

24 Im Fall einer rechtsgeschäftlichen Übereignung girosammelverwahrter Aktien könne der zivilrechtliche Eigentumsübergang nicht bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses stattfinden, weil die mit schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft erworbenen Aktien dem Wertpapierdepot der Revisionswerberin zu diesem Zeitpunkt noch nicht gutgeschrieben worden seien und diese den für den sachenrechtlichen Eigentumsübergang erforderlichen Besitz an den Wertpapieren noch nicht erworben habe. Für den zivilrechtlichen Eigentumsübergang der Wertpapiere auf die Revisionswerberin sei daher das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft, die Depoteinbuchung, maßgeblich.

25 Vor Einlieferung der Aktien auf ihrem Depot habe die Revisionswerberin in Ermangelung der Dispositionsbefugnis über die Wertpapiere keinen Anspruch auf Dividendenzahlung geltend machen können. Erst mit der Depoteinlieferung habe sie die volle Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle gehabt. Auf dem Depot seien aber Aktien „ex“ Dividende eingeliefert worden, weshalb die Revisionswerberin keinen Anspruch auf die originäre Dividendenzahlung, sondern lediglich einen Anspruch auf eine Dividendenkompensationszahlung, gehabt habe.

26 Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die Revisionswerberin vor Einlieferung der Aktien auf ihrem Depot mangels Dispositionsbefugnis weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum an den streitgegenständlichen Wertpapieren erworben habe. Dies ergebe sich daraus, dass sie zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Dividendenzahlung habe geltend machen können. Der Umstand, dass die Wertpapiere „ex“ Dividende auf das Depot der Revisionswerberin eingeliefert worden seien und diese zum Zeitpunkt der Einlieferung keinen Anspruch auf originäre Dividendenzahlung gehabt habe, sei ein klarer Hinweis darauf, dass sie keinemit Kapitalertragsteuer behafteten Dividenden, sondern lediglich Kompensationszahlungen erhalten habe, die von der Depotbank als Dividendenzahlungen bestätigt worden seien.

27 Die „cum“ Dividende erworbenen und „ex“ Dividende gelieferten Aktien begründeten daher keinen Anspruch auf Anrechnung der auf die originäre Dividende erhobenen Kapitalertragsteuer.

28 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil zur Frage, in welchem Zeitpunkt bei „Cum‑Ex‑Geschäften“ das wirtschaftliche Eigentum auf den Aktienkäufer übergehe, keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

29 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das Finanzamt erwogen hat:

30 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

31 Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (im Folgenden: DBA Vereinigte Arabische Emirate), BGBl. Nr. III 88/2004, lautet:

„(1) Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, dürfen nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden.“

32 Art. 23 DBA Vereinigte Arabische Emirate lautet samt Überschrift:

„Rückerstattung

Den Rückerstattungsanträgen, die innerhalb jener Frist zu stellen sind, die die gesetzlichen Bestimmungen des zur Rückerstattung verpflichteten Vertragsstaats vorsehen, ist eine amtliche Bescheinigung des Vertragsstaats anzuschließen, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, in der das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen bestätigt wird, die zur Anwendung der in diesem Abkommen vorgesehenen Begünstigungen berechtigen.“

33 Gemäß § 240 Abs. 3 BAO ist eine Rückzahlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer ‑ unter weiteren Voraussetzungen ‑ auf Antrag des Abgabepflichtigen vorgesehen. Gemäß § 77 Abs. 1 BAO ist Abgabepflichtiger, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt. Schuldner der Kapitalertragsteuer ist gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 der Empfänger der Kapitalerträge.

34 Die Erstattung der Kapitalertragsteuer setzt im gegenständlichen Fall somit voraus, dass die Revisionswerberin Abgabenschuldnerin ist, dass ihr also die Kapitalerträge (Dividenden) ertragsteuerlich zuzurechnen sind.

35 Zurechnungssubjekt von Dividenden ist, wer im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 21. November 1995, 95/14/0035, ausgesprochen hat, kommt einem Aktionär nach § 126 Abs. 1 AktG (nunmehr § 104 Abs. 2 Z 2 AktG) oder dem Gesellschafter einer GmbH nach § 35 Abs. 1 Z 1 GmbHG die Mitwirkung bei der Verteilung des Reingewinns zu, was entscheidend für die Zurechnung der Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft ist (Hinweis auf Zorn, RdW 1994, 291).

36 Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Einkunftstatbestand erfüllt (vgl. VwGH 5.7.1994, 91/14/0064). Einkünfte werden also ausschließlich demjenigen zugerechnet, der den Tatbestand verwirklicht hat, wobei es für die Frage der Zurechnung nicht darauf ankommt, wer im Zeitpunkt des Zuflusses über die Einkunftsquelle verfügt. Es ist nicht möglich, durch den Ankauf einer bereits entstandenen Forderung vom bisherigen Einkünftezurechnungssubjekt auch die Stellung als Zurechnungssubjekt der Einkünfte, die zu dieser Forderung geführt haben, zu erwerben (vgl. dazu nochmals VwGH 5.7.1994, 91/14/0064).

37 Der Aktionär hat ab dem Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses der Hauptversammlung die ‑ wenn auch noch nicht fällige ‑ vermögensrechtliche Forderung auf Dividendenausschüttung; tritt er in der Folge diese Forderung (in der Regel zusammen mit der Aktie) einem Dritten ab, kann der Dritte nicht Zurechnungssubjekt für den bereits vorher entstandenen Dividendenanspruch sein. Dem Dritten obliegt es lediglich, die angekaufte Forderung (auf Dividendenbezug) einzuziehen (siehe auch Beiser, ÖStZ 2022, 52 ff).

38 Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des deutschen BFH, dass Zurechnungssubjekt von Dividenden derjenige ist, der im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses wirtschaftlicher Eigentümer des Anteils ist (vgl. zuletzt BFH 1.2.2022, I R 22/20, Rn. 26, mwN).

39 Im Revisionsfall steht sachverhaltsmäßig fest, dass die Revisionswerberin im Jahr 2013 Aktien börsenotierter inländischer Unternehmen nach dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses der Hauptversammlung der jeweiligen AG, also mit bereits entstandenem Dividendenanspruch („cum“ Dividende) erworben hat.

40 Auch in der Revision wird ausdrücklich betont (Seite 21), dass die Revisionswerberin die Aktien mit Dividendenanspruch gekauft habe, und vorgebracht: „Das bedeutet, der Verkäufer hat die entsprechenden Aktien noch am Cum‑Tag inklusive Dividendenanspruch verkauft.“ Auf der Grundlage dieses Sachverhalts ergibt sich bereits, dass die Revisionswerberin nicht Zurechnungssubjekt der Dividenden gewesen ist. Der entgeltliche Erwerb eines bereits bestehenden Dividendenanspruchs bewirkt nicht, dass die Einkunftserzielung dem Käufer zugerechnet wird.

41 Das Bundesfinanzgericht vertritt die Ansicht, die Revisionswerberin habe wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erst mit deren Einlieferung auf dem Wertpapierdepot erworben. Demgegenüber bringt die Revisionswerberin mit umfassender Begründung vor, sie habe das wirtschaftliche Eigentum bereits mit Abschluss der schuldrechtlichen Kaufvereinbarung, wonach Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf sie übergingen, erworben, und dem Umstand, dass in Österreich im Jahr 2013 die technische Einlieferung in das Depot erst drei Tage nach dem schuldrechtlichen Geschäft (Ankauf) erfolgt sei, könne keine Bedeutung zukommen.

42 Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der Kauf der Aktien stets erst nach der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Gewinnausschüttung erfolgt ist und die Revisionswerberin zum Zeitpunkt dieser Beschlussfassung noch nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien gewesen ist. Ob das wirtschaftliche Eigentum entsprechend dem Standpunkt der Revisionswerberin mit Abschluss der schuldrechtlichen Kaufvereinbarung oder, wie vom Bundesfinanzgericht vertreten, mit der Einlieferung der Aktien in das Depot der Revisionswerberin übergegangen ist, erweist sich im gegenständlichen Fall als nicht relevant und kann daher dahingestellt bleiben.

43 Vor diesem Hintergrund ist auch die Rüge betreffend die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts unberechtigt, weil sie sich auf für die Entscheidung nicht relevante Umstände bezieht.

44 Die Revisionswerberin hält auch für entscheidend, dass bei börsenotierten Aktiengesellschaften nur die OeKB die „Originaldividende“ erhalte, diese aufteile und an die Depotbanken der Aktionäre weiterleite. Es werde dabei stets nur die Nettodividende nach Abzug der Kapitalertragsteuer ausbezahlt, da weder die OeKB noch die Depotbank die Kapitalertragsteuer an das Finanzamt abführe, sondern die börsenotierte (österreichische) AG selbst. Außerdem erhalte dadurch der Aktionär nie die „Originaldividende“ direkt von der börsenotierten Gesellschaft, sondern nur eine „regulierte Zahlung“ von der OeKB im Wege der depotführenden Bank des Aktionärs. Es sei daher für den Aktionär nicht ersichtlich und auch rechtlich nicht relevant, ob er eine weitergeleitete „Originaldividende“ oder eine „regulierte Kompensationszahlung“ erhalte.

45 Nach dem Gesagten ändert sich an der ertragsteuerlichen Beurteilung der Einkünftezurechnung nichts, wenn im Revisionsfall die Abwicklung des Aktienkaufs und der Dividendenauszahlung durch die OeKB erfolgt ist. Es ist auch nicht relevant, ob der Revisionswerberin aufgrund des von ihr angekauften Dividendenanspruchs die Dividende ausgezahlt worden ist oder ob sie, weil die Dividende noch dem Verkäufer ausbezahlt wurde, eine Kompensationszahlung erhalten hat.

46 Für die Zurechnung ist es daher auch nicht von Bedeutung, dass ‑ wie die Revision vorbringt ‑ in Bezug auf zwei Aktiengattungen (Aktien an der voestalpine AG und an der Andritz AG) die Einbuchung der Aktien am Depot der Revisionswerberin nicht erst nach, sondern am oder sogar unmittelbar vor dem Dividendenzahltag erfolgt ist, weil auch in Bezug auf diese Aktien der Erwerb unstrittig erst nach dem Ausschüttungsbeschluss der Hauptversammlung erfolgt ist.

47 Die Revision bringt weiters vor, die „neue“ Interpretation, wonach das wirtschaftliche Eigentum an Aktien erst mit dem Einbuchen am Depot des Käufers und nicht bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrags erworben werde, gehe auf einen Erlass des Bundesministers für Finanzen aus dem Jahr 2014 zurück; dieser Erlass bringe allerdings zum Ausdruck, dass die „neue“, strenge Interpretation nicht für unbeschränkt steuerpflichtige, sondern nur für beschränkt steuerpflichtige Erwerber gelten solle. Somit liege eine nicht im Gesetz gedeckte Diskriminierung von Staatsangehörigen anderer Staaten vor, was zudem einen Verstoß gegen die durch Art. 63 AEUV geschützte Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. Außerdem werde im gegenständlichen Fall gegen Art. 10 DBA Vereinigte Arabische Emirate verstoßen, weil Österreich durch diese Bestimmung verpflichtet sei, die einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten.

48 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die Zurechnung von Dividenden nach Maßgabe des wirtschaftlichen Eigentums bei Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Gewinnausschüttung nicht vom Wohnsitz oder von der Staatsangehörigkeit des Aktionärs abhängt. Das DBA mit den Vereinigten Arabischen Emiraten normiert in Art. 10 die Steuerbefreiung bestimmter Dividendenerträge. Aus dem DBA ergeben sich aber keine Regeln für die Zurechnung der Einkünfte. Soweit die Revision einen Erlass des Bundesministers für Finanzen anspricht, ist darauf zu verweisen, dass derartige Erlässe keine für die Gerichte verbindliche Rechtsquelle darstellen. Gleiches gilt für allgemeine Rechtsauskünfte des Bundesministeriums für Finanzen, wie die in der Revision ebenfalls angesprochenen „EAS‑Auskünfte“.

49 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, sie habe im Vertrauen auf „EAS‑Auskünfte“ und Erlässe des Bundesministers für Finanzen gehandelt, weshalb die Voraussetzungen einer Nachsicht der Kapitalertragsteuer nach § 236 BAO vorlägen, genügt es, darauf hinzuweisen, dass Sache des angefochtenen Erkenntnisses nicht die Nachsicht nach § 236 BAO ist.

50 Dem Revisionsvorbringen, wonach beim Spekulationsgeschäft nach § 30 EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, das schuldrechtliche Rechtsgeschäft maßgebend gewesen sei, ist entgegen zu halten, dass es im gegenständlichen Fall um einen anderen Steuertatbestand geht und aus § 30 EStG 1988 (in der damaligen Fassung) nichts für die Beurteilung der streitgegenständlichen Zurechnung der Kapitaleinkünfte ableitbar ist.

51 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

52 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

53 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. Juni 2022

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