European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030165.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21. Oktober 2021 wurde dem Revisionswerber angelastet, am 29. Jänner 2021, um 21.40 Uhr, an einem näher genannten Ort an einer Zusammenkunft zur Unterhaltung (Kartenspiel) teilgenommen zu haben, obwohl das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb dessen zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen nur für die in § 12 Abs. 1 Z 1 bis 9 der 3. COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 27/2021, genannten ‑ im Straferkenntnis auch angeführten ‑ Veranstaltungen zulässig sei. Der Revisionswerber habe dadurch „§ 12 Abs. 1 3. COVID‑19‑NotMaV, BGBl. II Nr. 27/2021 i.V.m. § 15 Abs. 1, § 40 Abs. 1 lit. c Epidemiegesetz 1950“ verletzt, weshalb über ihn „gemäß § 40 Abs. 1 Epidemiegesetz 1950“ eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er (zusammengefasst) vorbrachte, die angelastete Verwaltungsübertretung könne ihm weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht vorgeworfen werden. Aus der Aktenlage ergebe sich kein Hinweis auf die angelastete Verwaltungsübertretung. Er habe weder an einer Zusammenkunft zur Unterhaltung teilgenommen noch den privaten Wohnbereich zum Zweck der Teilnahme an der Veranstaltung verlassen; vielmehr seien in der Werkstatt des M dringende Reparaturarbeiten am Fahrzeug des Revisionswerbers durchgeführt worden.
Zuletzt führte der Revisionswerber ‑ unter Hinweis auf näher zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, aber ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall ‑ aus, er habe das Recht, dass im Spruch nur die richtige verletzte Vorschrift aufscheine, dies gelte auch für die Strafnorm gemäß § 44a Z 3 VStG.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
4 Dem legte das Verwaltungsgericht ‑ soweit entscheidungserheblich ‑ Folgendes zu Grunde:
Der Revisionswerber habe sich zum Tatzeitpunkt bei seinem Nachbarn M in der Werkstatt zum Kartenspiel befunden. Von den anwesenden Personen, nämlich dem Revisionswerber und weiteren näher Genannten, sei „UNO“ gespielt worden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber mit seinem Nachbarn eine dringende Autoreparatur durchgeführt habe.
Der Revisionswerber habe also am 29. Jänner 2021, zumindest um 21:40 Uhr, eine Verwaltungsübertretung begangen, weil er seinen privaten Wohnbereich verlassen habe, obwohl ein Ausgangsverbot verordnet gewesen und keine der Ausnahmen des § 12 Abs. 1 der 3. COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung (3. COVID‑19‑NotMV) vorgelegen sei.
Bei der angelasteten Übertretung ‑ der Nichtbefolgung des Ausgangsverbots ‑ handle es sich um ein Dauerdelikt, das erst mit Beendigung des rechtswidrigen Zustands ende; die Anführung eines (näheren) Tatzeitraumes sei daher nicht erforderlich gewesen.
Da gemäß § 12 der 3. COVID‑19‑NotMV in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb desselben zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen nur für bestimmte (näher genannte) Veranstaltungen zulässig gewesen sei und der Revisionswerber erwiesenermaßen an einer unzulässigen Veranstaltung teilgenommen habe, habe er gegen die im Tatzeitpunkt geltenden Ausgangsregelungen verstoßen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche - Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht (zusammengefasst) Folgendes geltend:
Die angefochtene Entscheidung weiche von der ständigen (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 2 VStG, wonach im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheinen müsse, ab, weil die Fundstelle der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift nicht angeführt worden sei.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
11 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017).
Ein solcher Fall liegt hier vor:
12 Im Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 27. Juni 2022, Ra 2021/03/0328, ist der Verwaltungsgerichtshof von bisheriger Rechtsprechung zu § 44a Z 2 und 3 VStG abgewichen. Er hat darin ‑ u.a. ‑ Folgendes ausgeführt (im Übrigen wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen):
„19 Wie auch bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat gemäß § 44a Z 1 VStG kommt es bei der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Sanktionsnorm gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG daher darauf an, dass die Norm (lediglich) unverwechselbar konkretisiert wird, damit die beschuldigte Person in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. zu § 44a Z 1 VStG etwa VwGH 25.11.2021, Ra 2020/11/0134, m.w.N.). Maßgeblich ist daher, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG) bzw. nachvollziehen zu können, welche konkrete Sanktionsnorm herangezogen wurde, um die Zulässigkeit und die Höhe der über ihn verhängten Strafe überprüfen zu können (im Hinblick auf § 44a Z 3 VStG).“
13 Von der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird nicht dargelegt, dass das angefochtene Erkenntnis den danach entscheidenden Maßstäben nicht genügen würde:
14 Mit dem das entsprechende Straferkenntnis der belangten Behörde bestätigenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war dem Revisionswerber angelastet worden, am 29. Jänner 2021 um 21.40 Uhr entgegen den Ausgangsregelungen der 3. COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung den eigenen privaten Wohnbereich verlassen und an einer Zusammenkunft zur Unterhaltung, nämlich einem Kartenspiel, teilgenommen zu haben. Als verletzte Rechtsvorschrift wurde „§ 12 Abs. 1 3. COVID‑19‑NotMaV, BGBl. II Nr. 27/2021 i.V.m. § 15 Abs. 1, § 40 Abs. 1 lit. c Epidemiegesetz 1950“ genannt, die Strafnorm mit „§ 40 Abs. 1 Epidemiegesetz 1950“ angegeben.
15 § 15 Abs. 1 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950 (EpiG), ermöglichte in der im Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung (unverändert wie auch heute) die Beschränkung sowie Untersagung von Veranstaltungen durch Verordnung.
16 § 12 Abs. 1 der u.a. auf § 15 EpiG gestützten, am 25. Jänner 2021 in Kraft und mit Ablauf des 3. Februar 2021 außer Kraft getretenen, 3. COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 27/2021, lautete:
„Veranstaltungen
§ 12. (1) Das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen ist nur für folgende Veranstaltungen zulässig:
1. unaufschiebbare berufliche Zusammenkünfte, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeiten erforderlich sind und nicht in digitaler Form abgehalten werden können,
2. Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953,
3. Veranstaltungen im Spitzensport gemäß § 13,
4. unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen politischer Parteien, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,
5. unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,
6. unaufschiebbare Zusammenkünfte gemäß dem Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,
7. Begräbnisse mit höchstens 50 Personen,
8. Proben und künstlerische Darbietungen ohne Publikum, die zu beruflichen Zwecken erfolgen,
9. Zusammenkünfte zu unbedingt erforderlichen beruflichen Aus- und Fortbildungszwecken, zur Erfüllung von erforderlichen Integrationsmaßnahmen nach dem Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017, und zu beruflichen Abschlussprüfungen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist.“
17 Nach § 40 Abs. 1 lit. c EpiG machte sich im Tatzeitpunkt (ebenso wie auch heute) einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer durch Handlungen oder Unterlassungen den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist. Im Tatzeitpunkt war für solche Übertretungen eine Geldstrafe bis zu 1.450 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu vier Wochen vorgesehen. Erst nach Erlassung des Straferkenntnisses wurde mit BGBl. I Nr. 255/2021 (in Kraft seit 1. Jänner 2022) eine Mindeststrafe von 145 Euro und mit BGBl. I Nr. 6/2022 (in Kraft seit 6. Februar 2022) zudem eine Höchststrafe für den Wiederholungsfall von 2.900 Euro festgesetzt.
18 § 12 Abs. 1 der 3. COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung untersagte also das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und den Aufenthalt außerhalb desselben zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen, soweit es sich nicht um eine der in Z 1 bis Z 9 genannten Veranstaltungen handelt; die Veranstaltung eines Kartenspiels fiel nicht darunter. Durch § 40 Abs. 1 lit. c EpiG wird ein Verstoß dagegen zur Verwaltungsübertretung erklärt.
19 Der Rechtfertigung des Revisionswerbers im Verwaltungsverfahren ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass ihm die zur Anwendung gelangenden Rechtsvorschriften, insbesondere im Hinblick auf ihren zeitlichen Anwendungsbereich, unklar gewesen wären. Er behauptet auch nicht, dass eine Norm herangezogen worden wäre, die zum Tatzeitpunkt (bzw. hinsichtlich der Sanktionsnorm auch zum Entscheidungszeitpunkt) nicht mehr oder noch nicht in Geltung gestanden wäre.
20 Warum also die von der belangten Behörde gewählte und vom Verwaltungsgericht bestätigte Formulierung der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift und der angewendeten Gesetzesbestimmung geeignet gewesen wäre, die Verteidigungsrechte des Revisionswerbers zu beeinträchtigen oder ihn der Gefahr einer Doppelbestrafung auszusetzen, ist nicht ersichtlich (nur der Vollständigkeit halber: entgegen der Revision wurde ‑ schon im Straferkenntnis der belangten Behörde ‑ die Fundstelle der durch die Tat verletzen Verwaltungsvorschrift, nämlich BGBl. II Nr. 27/2021, richtig angegeben).
21 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. August 2022
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
