VwGH Ro 2022/03/0039

VwGHRo 2022/03/003927.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. K H in W, vertreten durch die Stibi Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Wipplingerstraße 32, gegen den Beschluss und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2021, Zl. W249 2227773‑1/39E, betreffend eine Maßnahmebeschwerde in einer Angelegenheit nach dem EisbG 1957 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie),

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z2
EisenbahnG 1957 §30
EisenbahnG 1957 §30 Abs3
EisenbahnG 1957 §46
EisenbahnG 1957 §47b
EisenbahnG 1957 §47b Abs1
VwGVG 2014 §9 Abs1
VwGVG 2014 §9 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §9 Abs4
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022030039.J00

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde betreffend die Identitätsfeststellung wendet;

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis nahm ein Zugbegleiter der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zu einem näher bestimmten Zeitpunkt im Dezember 2019 während einer Zugfahrt eine Fahrausweiskontrolle vor. Dabei stellte er fest, dass ein Fahrgast einen ermäßigten Fahrschein gelöst hatte, obwohl die Ermäßigungskarte bereits abgelaufen und damit ungültig war. Der Revisionswerber, der sich ebenfalls im Zug aufhielt, wollte den Zugbegleiter überzeugen, vom betroffenen Fahrgast lediglich den Differenzbetrag auf den vollen Fahrpreis zu verlangen, was dieser ablehnte und den Revisionswerber mehrere Male aufforderte, sich aus dem Kundengespräch herauszuhalten. Dieser kündigte daraufhin eine Beschwerde an, fotografierte das Namensschild des Zugbegleiters und forderte ihn auf, sich auszuweisen. Dem entgegnete der Zugbegleiter, zunächst den Ausweis des Revisionswerbers sehen zu wollen, der sich daraufhin unverzüglich auswies. Es erfolgte eine Aufnahme der Daten des Revisionswerbers für eine Meldung. Danach forderte der Revisionswerber den Zugbegleiter nochmals auf, sich auszuweisen, woraufhin sich dieser durch Vorweis seines Berechtigungsausweises als Eisenbahnaufsichtsorgan zu erkennen gab. Im Zuge des fortgesetzten Streitgesprächs (im Erkenntnis bezeichnet als eine „hitzige Diskussion“, die etwa 15 bis 29 Minuten dauerte und von Seiten des Revisionswerbers sehr laut geführt wurde) forderte der Eisenbahnbedienstete den Revisionswerber zweimal auf, den Zug bei nächster Gelegenheit zu verlassen und kündigte an, dass die Polizei bei Zuwiderhandeln in der Station auf den Revisionswerber warten könne.

2 Das Verwaltungsgericht stellte weiters fest, dass der Revisionswerber mit seiner lautstarken Ausdrucksweise das Wohlbefinden der anderen Fahrgäste im Zugabteil (ca. 10 bis 15 Personen) gestört habe, was diese auch kundgetan hätten. Er habe auch die Konzentration des Eisenbahnbediensteten bei der Arbeitsverrichtung beeinträchtigt. Infolge der Diskussion mit dem Revisionswerber, der sich der Eisenbahnbedienstete nur schwer habe entziehen können, sei letzterer überdies in der Wahrnehmung seiner sonstigen Aufgaben behindert worden.

3 Gegen die Identitätsfeststellung und die zweimaligen Aufforderungen zum Verlassen des Zuges erhob der Revisionswerber eine Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), die mit der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Identitätsfeststellung zurückgewiesen und in Bezug auf die Anordnungen zum Verlassen des Zuges als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das BVwG für zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, der Eisenbahnbedienstete habe im konkreten Fall eine Doppelfunktion in sich vereint, die es rechtlich zu trennen gelte: Er sei einerseits privatrechtlicher Gehilfe der ÖBB bei Erfüllung des Beförderungsvertrages (mit dem Revisionswerber) gewesen. Zum anderen habe er als Eisenbahnaufsichtsorgan im Sinne des § 30 EisbG auch behördliche Aufgaben wahrgenommen.

5 Die Identitätsfeststellung habe nicht im Rahmen der hoheitlichen Aufgaben als Eisenbahnaufsichtsorgan stattgefunden. Der Zugbegleiter habe sich vor der Ausweisleistung nicht als Eisenbahnaufsichtsorgan zu erkennen gegeben und es hätten keine Umstände vorgelegen, die auf ein Tätigwerden als Organ der öffentlichen Aufsicht hätten schließen lassen. Auch in objektiver Hinsicht habe sein Verhalten nicht darauf abgezielt, in staatlicher Funktion zu handeln. Er habe keine unverzüglich einsetzende physische Sanktion bei Nichtbefolgung angedroht bzw. sei auch nicht erkennbar gewesen, dass eine solche gedroht hätte, sofern der Revisionswerber nicht freiwillig mitwirke. Es habe daher kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt vorgelegen, weshalb die Maßnahmenbeschwerde insoweit unzulässig sei.

6 Anders sei der Sachverhalt in Bezug auf die Aufforderungen zum Verlassen des Zuges zu bewerten: Der Eisenbahnbedienstete habe sich zuvor als Eisenbahnaufsichtsorgan zu erkennen gegeben. Zusammen mit der Ankündigung, bei Zuwiderhandeln die Polizei hinzuzuziehen, habe sich das Gesamtbild eines Aktes unmittelbarer Befehls‑ und Zwangsgewalt ergeben. Allerdings sei das Eisenbahnaufsichtsorgan zu diesem hoheitlichen Akt berechtigt gewesen, weil der Revisionswerber durch sein Verhalten die Sicherheit und Ordnung des Eisenbahnbetriebs und ‑verkehrs sowie des Schienenfahrzeugs im Sinne des § 47b Abs. 1 zweiter Halbsatz EisbG in Verbindung mit § 6 Abs. 4 der Verordnung der Bundeministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über den Schutz auf Eisenbahnanlagen und in Schienenfahrzeugen (Eisenbahnschutzvorschriften ‑ EisSV) gefährdet habe. Durch die lautstarke Ausdrucksweise des Revisionswerbers und die längere Diskussion sei der Eisenbahnbedienstete an der Wahrnehmung seiner sonstigen Aufgaben (Unterstützung des Lokführers bei der Zugabfertigung, Fahrkartenkontrollen; Kundenbetreuung im Zug und am Gleis, etc.) gehindert worden. Die Maßnahme des Fahrtausschlusses sei ‑ aus näher genannten Gründen ‑ auch verhältnismäßig gewesen.

7 Zur Zulässigkeit der Revision führte das BVwG aus, es fehle bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47b Abs. 1 EisbG, insbesondere dazu, was der Gesetzgeber unter einem Verhalten, „wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn, des Verkehrs auf der Eisenbahn sowie die Rücksicht auf andere gebieten“, verstanden wissen wolle. Die Rechtslage sei auch nicht eindeutig.

8 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 1. März 2022, E 3302/2021‑10, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidung abgetreten wurde.

9 Die vorliegende Revision ficht das „Erkenntnis“ zu Gänze an und wendet sich im Folgenden gegen die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde in Bezug auf die Identitätsfeststellung und gegen die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde betreffend die zweimaligen Aufforderungen an den Revisionswerber, den Zug zu verlassen.

10 Zu dieser Revision hat die zuständige Bundesministerin, vertreten durch die Finanzprokuratur, eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision beantragt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.:

12 Die Revision ist teilweise nicht zulässig.

13 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Rechtsauffassung, die Revision sei schon wegen eines zweifelhaften Anfechtungsgegenstandes unzulässig und deshalb zurückzuweisen. Sie verweist darauf, dass das BVwG im gegenständlichen Fall einen Beschluss gefasst habe, mit dem die Maßnahmenbeschwerde hinsichtlich der Identitätsfeststellung zurückgewiesen worden sei, und ein Erkenntnis erlassen habe, mit dem die Maßnahmenbeschwerde im Übrigen als unbegründet abgewiesen worden sei. Die Revision wende sich ausdrücklich nur gegen das „Erkenntnis“, in der Folge ziehe sie aber entgegen der ausdrücklichen Rechtsmittelbezeichnung und ihres Rechtsmittelbegehrens die gesamte Entscheidung in Revision.

14 Dem ist zu erwidern, dass die Revision insgesamt keine Zweifel daran lässt, die gesamte ‑ einen Beschluss und ein Erkenntnis umfassende ‑ Entscheidung des BVwG in Revision ziehen zu wollen. Dass sie erklärt, das „Erkenntnis“ anzufechten bzw. das „Erkenntnis“ im Sinne der Stattgebung der gesamten Maßnahmenbeschwerde abzuändern oder dieses aufzuheben, schadet bei dieser eindeutigen Ausgangslage nicht.

15 Ungeachtet dessen erweist sich die Revision gegen die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde betreffend die Identitätsfeststellung als unzulässig:

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ro 2020/03/0004, mwN).

18 Im vorliegenden Fall hat das BVwG die Revision zugelassen, weil es rechtliche Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von § 47b Abs. 1 EisbG, insbesondere zu den Verhaltensweisen von Bahnbenützenden, die von einem Eisenbahnaufsichtsorgan geahndet werden können, vermisst. Dieser Rechtsfrage kommt jedoch im Zusammenhang mit der Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde betreffend die Identitätsfeststellung keine Bedeutung zu. Insoweit nahm das BVwG nämlich keine inhaltliche Beurteilung eines hoheitlichen Aktes des Eisenbahnaufsichtsorgans vor, sondern verneinte unter Bezugnahme auf vorhandene Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts bereits das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer Befehls‑ und Zwangsgewalt. Von der vom BVwG identifizierten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hängt die Revision somit nicht ab.

19 Es läge daher am Revisionswerber, in der Zulassungsbegründung andere Rechtsfragen aufzuzeigen, die eine Revision auch insoweit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig machen würden. Die Revision umschreibt dazu im Wesentlichen drei Fragen, nämlich erstens die Frage, unter welchen Voraussetzungen genau Akte eines Eisenbahnbediensteten seiner hoheitlichen Tätigkeit als Eisenbahnaufsichtsorgan zuzurechnen sind; zweitens die Frage, ob der Eisenbahnbedienstete bei Annahme sowohl der Voraussetzungen für hoheitliches Handeln als auch für privatrechtliches Handeln verpflichtet sei, hoheitlich tätig zu werden; drittens, ob eine Legitimationspflicht des Eisenbahnaufsichtsorgans besteht, deren Verletzung dazu führt, dass sämtliche seiner Akte als hoheitlich zu qualifizieren sind.

20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erkennen die Verwaltungsgericht nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B‑VG über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt. Die Erhebung einer solchen Maßnahmenbeschwerde ist dann zulässig, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Maßnahmenbeschwerde an das Verwaltungsgericht kann sich demnach nur gegen die Ausübung von Befehls‑ und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden oder durch Organe in ihrem Dienst richten. Das Recht auf Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde setzt jedoch nicht das Handeln eines Verwaltungsorgans im organisatorischen Sinn voraus. Für die Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde genügt vielmehr die funktionelle Zuordnung des handelnden Organs zur Hoheitsverwaltung. In diesem Sinne kommen auch Akte von Organen beliehener oder in Pflicht genommener privater Rechtsträger als Anfechtungsgegenstand nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B‑VG in Betracht (vgl. VwGH 13.9.2016, Ro 2014/03/0062, mwN).

21 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt, dass der Eisenbahnbedienstete den Revisionswerber zur Ausweisleistung aufforderte, ohne dabei in seiner Funktion als Eisenbahnaufsichtsorgan zu handeln und es zu diesem Zeitpunkt auch keinerlei Anhaltspunkte für ein hoheitliches Tätigwerden des Zugbegleiters gegeben hat. Dieser Annahme wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entgegengetreten.

22 Ob der Eisenbahnbedienstete, wie die Revision vermeint, verpflichtet gewesen wäre, anders zu agieren und sich von Anfang an als Eisenbahnaufsichtsorgan zu legitimieren bzw. die Identitätsfeststellung in Form eines Hoheitsaktes vorzunehmen, ist hier nicht zu beantworten. Tatsächlich hat er nämlich keinen Hoheitsakt gesetzt und entzieht sich sein Handeln deshalb nach der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung einer Prüfung mittels einer Maßnahmenbeschwerde.

23 Die Revision war daher insoweit, als sie sich gegen die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde hinsichtlich der Identitätsfeststellung wendet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurückzuweisen.

Zu II.:

24 Im Übrigen ist die Revision im Sinne der vom BVwG angesprochenen Rechtsfrage zwar zulässig, aber nicht begründet.

25 Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG), BGBl. Nr. 60/1957 idF BGBl. I Nr. 125/2006 (zu den §§ 46, 47b und 47c) bzw. BGBl. I Nr. 124/2011 (zu § 30), lauten wie folgt:

„Eisenbahnaufsichtsorgane

§ 30. (1) Eisenbahnunternehmen haben Eisenbahnbedienstete zur Überwachung des Verhaltens von Personen gegenüber Eisenbahnanlagen einer öffentlichen Eisenbahn, in auf öffentlichen Eisenbahnen betriebenen Schienenfahrzeugen und im Verkehr auf einer öffentlichen Eisenbahn zu bestimmen (Eisenbahnaufsichtsorgane). Die Überwachung schließt die der Ordnung auf den Bahnhofvorplätzen mit ein, sofern nicht die sonst zuständigen Organe zur Stelle sind. Bei Eisenbahnen, auf denen Zugangsrechte ausgeübt werden, hat die Überwachung auch das Verhalten der Eisenbahnbediensteten von Zugang ausübenden Eisenbahnunternehmen einzuschließen, soweit das für die Gewährung der Sicherheit und Ordnung der Abwicklung des jeweiligen Betriebes der Eisenbahn und des jeweiligen Verkehrs auf der Eisenbahn insgesamt erforderlich ist.

(2) Die Eisenbahnaufsichtsorgane sind von der Behörde oder von Organen des Eisenbahnunternehmens, die von dieser hiezu ermächtigt wurden, in Eid zu nehmen. Eisenbahnaufsichtsorgane müssen bei Ausübung ihrer Überwachungstätigkeit mit einem Ausweis versehen sein, aus dem ihre Eigenschaft und ihre Überwachungsbefugnisse hervorgehen. Eisenbahnaufsichtsorgane, die sich zur Ausübung ihrer Befugnisse als nicht mehr geeignet erweisen, sind unverzüglich abzuberufen; dies ist der Behörde anzuzeigen.

(3) Eisenbahnaufsichtsorgane dürfen Personen festnehmen, die sie bei einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1, 46, 47 Abs. 1, 47a und 47b einschließlich derjenigen, die auf Grund einer Verordnung gemäß § 47c erlassen sind, auf frischer Tat betreten, sofern auch die übrigen Voraussetzungen des § 35 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52, vorliegen, aber kein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einschreiten kann. Festgenommene Personen sind, wenn der Grund der Festnahme nicht schon vorher entfallen ist, von den Eisenbahnaufsichtsorganen dem nächsten Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes so bald wie möglich vorzuführen.

...

2. Hauptstück

Verhalten innerhalb der Eisenbahnanlagen und in Schienenfahrzeugen

Verhalten innerhalb der Eisenbahnanlagen

§ 46. Innerhalb der Eisenbahnanlagen ist ein den Betrieb einer Eisenbahn, den Betrieb von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn und den Verkehr auf einer Eisenbahn störendes Verhalten verboten. Insbesondere ist verboten, Eisenbahnanlagen, eisenbahntechnische Einrichtungen und Schienenfahrzeuge zu beschädigen, zu besteigen oder zu verunreinigen, unbefugt Gegenstände auf die Fahrbahn zu legen, sonstige Fahrthindernisse anzubringen, Weichen umzustellen, Fahrleitungsschalter zu betätigen, Alarm zu erregen oder Signale zu geben.

...

Bahnbenützende

§ 47b. (1) Bahnbenützende haben den dienstlichen Anordnungen der Eisenbahnaufsichtsorgane (§ 30) Folge zu leisten und sich bei Benützung der Eisenbahnanlagen und der Schienenfahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn, des Verkehrs auf der Eisenbahn sowie die Rücksicht auf andere gebieten.

(2) Bahnbenützende dürfen nur an den dazu bestimmten Stellen und nur an der dazu bestimmten Seite der Schienenfahrzeuge ein‑ und aussteigen.

(3) Solange sich ein Schienenfahrzeug in Bewegung befindet, ist das Öffnen der Außentüren des Schienenfahrzeuges, das Betreten der Trittbretter und das Verweilen auf ungesicherten offenen Plattformen sowie das Ein‑ und Aussteigen verboten.

(4) Es ist verboten, Gegenstände aus dem Schienenfahrzeug zu werfen.

3. Hauptstück

Sonstiges

Schutzvorschriften

§ 47c. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann für alle oder für einzelne Arten von Eisenbahnen durch Verordnung Vorschriften erlassen, in denen das zum Schutze der Eisenbahnanlagen, des Betriebes einer Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn und des Verkehrs auf einer Eisenbahn gebotene Verhalten (§§ 43 Abs. 1, 46, 47, 47a und 47b) näher bestimmt wird.“

26 Gemäß § 30 EisbG haben Eisenbahnunternehmen Eisenbahnbedienstete zur Überwachung des Verhaltens von Personen u.a. im Verkehr auf einer öffentlichen Eisenbahn zu bestimmen (Eisenbahnaufsichtsorgane). Ihre Aufgabe ist eine eisenbahnpolizeiliche. Für die Erfüllung dieser Aufgabe müssen Eisenbahnaufsichtsorgane speziell geschult und vereidigt werden, und sie erhalten besondere Befugnisse, wie etwa das in § 30 Abs. 3 EisbG näher geregelte Recht zur Festnahme von Personen. Im Hinblick auf ihre Befugnisse sind die Eisenbahnaufsichtsorgane als mit hoheitlichen Befugnissen beliehene Organe tätig (vgl. dazu etwa Catharin/Gürtlich, EisbG3, 480).

27 Gemäß § 47b Abs. 1 EisbG haben Bahnbenützende den dienstlichen Anweisungen der Eisenbahnaufsichtsorgane Folge zu leisten und sich bei der Benützung der Eisenbahnanlagen und der Schienenfahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn, des Verkehrs auf der Eisenbahn sowie die Rücksicht auf andere gebieten. Gleiches sieht § 6 Abs. 4 der (auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 47c EisbG erlassenen) Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über den Schutz auf Eisenbahnanlagen und in Schienenfahrzeugen (Eisenbahnschutzvorschriften ‑ EisbSV), BGBl. II Nr. 219/2012, vor.

28 Das BVwG ging in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass das Eisenbahnaufsichtsorgan den Revisionswerber gestützt auf die genannten Vorschriften zu Recht aufgefordert habe, den Zug zu verlassen. Dem tritt die Revision mit dem Argument entgegen, schon aus dem Wortlaut des § 47b EisbG folge, dass die Norm nur Handlungen von Bahnbenützenden verbiete, die unmittelbar die Sicherheit und Ordnung des Betriebs oder des Verkehrs störten. Zu denken sei insbesondere an Beeinträchtigungen der technischen Funktionsfähigkeit des Zuges wie etwa das unbefugte Ziehen der Notbremse oder das Blockieren von Türen. Dafür spreche auch der systematische Zusammenhang mit § 46 EisbG und die dort angeführten Beispiele für Handlungen, die jedermann in Bezug auf Eisenbahnanlagen, eisenbahntechnische Einrichtungen und Schienenfahrzeuge verboten seien. Nur unmittelbare Einwirkungen auf den Zugbetrieb bzw. Eisenbahnverkehr seien also zu unterlassen, weil es sich dabei durchwegs um gravierende Handlungen handle, denen ein großes Gefährdungspotential gegenüber Menschen oder Sachen innewohne. Die gegenteilige Annahme des BVwG, die auch bloß mittelbare Beeinträchtigungen des Zugbetriebs für relevant erachte, sei mit dem klaren Gesetzeswortlaut des § 47b EisbG keinesfalls vereinbar und klar rechtswidrig.

29 Dieser von der Revision vertretenen einschränkenden Auslegung von Verhaltenspflichten von Bahnbenützenden gemäß § 47b Abs. 1 EisbG ist nicht zuzustimmen.

30 Während sich die Verhaltensanordnungen gemäß § 46 EisbG an jegliche Personen richten und generell das Verbot enthalten, innerhalb der Eisenbahnanlagen ein bahnstörendes Verhalten zu setzen, richten sich die Gebots‑ und Verbotsbestimmungen im § 47b EisbG an die Bahnbenützenden (vgl. dazu Catharin/Gürtlich, EisbG3, 597).

31 Schon der Wortlaut der beiden Normen unterscheidet sich deutlich: § 46 EisbG verbietet Verhalten, dass den Betrieb der Eisenbahn, den Betrieb von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und den Verkehr auf einer Eisenbahn stört. Im Folgenden werden demonstrativ (arg.: „insbesondere“) verbotene Verhaltensweisen aufgezählt, die unmittelbar auf Eisenbahnanlagen, eisenbahntechnische Einrichtungen und Schienenfahrzeuge einwirken. Ob damit, wie die Revision argumentiert, mittelbare Beeinträchtigungen des Betriebes der Eisenbahn, von Schienenfahrzeugen oder des Eisenbahnverkehrs im Allgemeinen aus dem Anwendungsbereich von § 46 EisbG fallen, braucht hier nicht behandelt zu werden.

32 § 47b Abs. 1 EisbG sieht für Bahnbenützende Verhaltenspflichten vor, die eine Einschränkung auf unmittelbare Beeinträchtigungen der technischen Eisenbahnanlagen, eisenbahntechnischen Einrichtungen oder Schienenfahrzeuge nicht rechtfertigen. So legt die Norm fest, dass sich Bahnbenützende bei Benützung der Eisenbahnanlagen und der Schienenfahrzeuge so zu verhalten haben, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn, des Verkehrs auf der Eisenbahn sowie die Rücksicht auf andere gebieten.

33 Vor allem die letztgenannten Verhaltensanforderungen, sich bei Benützung von Schienenfahrzeugen so zu verhalten, wie es (u.a.) die Ordnung des Eisenbahnverkehrs sowie die Rücksicht auf andere gebieten, lassen die Sichtweise des Revisionswerbers, nur unmittelbare Einwirkungen auf den Zugbetrieb und Eisenbahnverkehr mit gravierendem Gefährdungspotential für Menschen oder Sachen seien von Bahnbenützenden zu unterlassen, nicht zu. Ohne Zweifel beziehen sich die Verhaltensgebote bzw. ‑verbote des § 47b Abs. 1 EisbG auch auf die von der Revision angesprochenen bahngefährdenden Handlungen. Die Verhaltenspflichten nach § 47b Abs. 1 EisbG sind aber sowohl nach dem Wortlaut der Norm als auch ihrem Sinn, einen geordneten Eisenbahnbetrieb (unter Rücksichtnahme auch auf andere Verkehrsteilnehmer) sicherzustellen, nicht nur auf solche zu beschränken, sondern sie dienen auch der Sicherheit und Ordnung des Eisenbahnverkehrs im Allgemeinen.

34 Das BVwG ging fallbezogen davon aus, dass der Revisionswerber mit seinem Verhalten Anlass zum Tätigwerden des Eisenbahnaufsichtsorgans und zum Ausschluss von der Weiterfahrt gegeben habe. Er habe die Sicherheit und Ordnung des Eisenbahnbetriebes und ‑verkehrs sowie des Schienenfahrzeuges gefährdet, indem er die Konzentration des Eisenbahnbediensteten durch seine lautstarke Ausdrucksweise und Diskussion bei seiner Arbeit beeinträchtigte (und zwar insbesondere bei der Unterstützung des Lokführers hinsichtlich der Zugabfertigung), wodurch ein Risiko für eine Fehlhandlung geschaffen worden sei. Darüber hinaus habe er den Zugbegleiter über einen längeren Zeitraum durch das Streitgespräch, dem sich dieser nur schwer habe entziehen können, an der Erfüllung seiner sonstigen Aufgaben gehindert. Die Aufforderung an den Revisionswerber, den Zug zu verlassen, sei eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme gewesen, diese Situation zu beenden. Zuvor ergangene Versuche der Deeskalation (etwa mehrfache Ersuchen des Eisenbahnbediensteten, sich aus dem fremden Kundengespräch herauszuhalten) seien erfolglos geblieben. Der Ausstiegsort sei so gewählt worden, dass dem Revisionswerber eine Weiterfahrt mit einem nachfolgenden Zug binnen kurzer Zeit möglich gewesen sei.

35 Dem hält die Revision entgegen, eine allfällige Beeinträchtigung der betrieblichen Aufgaben des Eisenbahnbediensteten sei für den Revisionswerber nicht erkennbar gewesen bzw. sei es am Zugbegleiter gelegen gewesen, in eigener Verantwortung seinen Dienstpflichten nachzukommen. Damit zeigt die Revision eine Fehlbeurteilung durch das BVwG nicht auf, lässt sich den (insofern unstrittigen) Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis doch entnehmen, dass der Revisionswerber den Zugbegleiter über einen längeren Zeitraum und in „hitziger“ Art und Weise in Beschlag genommen und dessen Aufforderungen, sich aus den Kundengesprächen mit anderen herauszuhalten, keine Folge geleistet hat. Dass das Eisenbahnaufsichtsorgan ‑ wie die Revision impliziert ‑ dem Fehlverhalten des Revisionswerbers weichen hätte sollen, um sich anderen Aufgaben zuzuwenden, ist nicht nachzuvollziehen.

36 Soweit der Revisionswerber die verbale Auseinandersetzung mit dem Eisenbahnaufsichtsorgan als bloßen Austausch von Meinungen zu relativieren versucht und die an ihn ergangene Aufforderung zum Verlassen des Zuges als Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK erachtet, entfernt er sich von den maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen, die für diese Sichtweise keine Rechtfertigung bieten. Dass der Verfassungsgerichtshof die an ihn gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers abgelehnt und daher ebenfalls keinen Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützten Rechte des Revisionswerbers erblickt hat, sei hier nur angemerkt.

37 Wenn die Revision argumentiert, im gegenständlichen Fall sei auch unmittelbar anwendbares Unionsrecht in Betracht zu ziehen gewesen (und zwar die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr) ist ihr zu erwidern, dass dieses nicht die hoheitlichen Aufgaben von Eisenbahnaufsichtsorganen determiniert und insoweit fallbezogen nicht relevant ist. Der Anregung des Revisionswerbers, den gegenständlichen Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen, wird aus diesem Grund nicht nähergetreten.

38 Die Revision macht außerdem geltend, das angefochtene Erkenntnis sei „mit Rechtswidrigkeit aufgrund der Unklarheit darüber, ob ... über einen oder zwei Hoheitsakte (Fahrtausschlüsse) abgesprochen wurde“, belastet. Dem ist entgegen zu halten, dass das BVwG in der Begründung seiner Entscheidung klar zu verstehen gegeben hat, dass es sich bei den beiden Anordnungen zum Verlassen des Zuges, auf die sich der Spruch seines Erkenntnisses bezieht, um einen einzigen zusammenhängenden Verwaltungsakt gehandelt habe, weil eine sachliche sowie zeitliche Verbindung bestanden habe, der Zweck der Anordnungen derselbe gewesen sei und sie auf dieselbe gesetzliche Grundlage gestützt worden seien. Die vom Revisionswerber vorgebrachte Unklarheit der Entscheidung ist daher nicht zu erkennen.

39 Insgesamt erweist sich die Revision somit inhaltlich als nicht berechtigt und war daher, soweit sie sich gegen die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde durch das BVwG wendet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

40 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Juni 2022

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