VwGH Ro 2022/01/0012

VwGHRo 2022/01/001214.9.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das am 8. März 2022 mündlich verkündete und mit 28. März 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW‑101/V/050/8712/2021‑18, betreffend eine Angelegenheit nach dem Personenstandsgesetz 2013 (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. A M und 2. P Z, beide in W, beide vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Dornbacher Straße 4a/5), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §41
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022010012.J00

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wird dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat:

„I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 6. Mai 2021, Zl. MA 63 ‑ 504478‑2021, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.“

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde, des Magistrats der Stadt Wien (in der Folge: Magistrat), vom 6. Mai 2021 wurde der Antrag der Mitbeteiligten vom 2. April 2021 auf Umwandlung der am 24. April 2019 begründeten eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe mangels gesetzlicher Grundlage zurückgewiesen.

2 Begründend führte der Magistrat aus, die Erstmitbeteiligte sei österreichische Staatsbürgerin, der Zweitmitbeteiligte peruanischer Staatsangehöriger. Die von den Mitbeteiligten am 24. April 2019 begründete eingetragene Partnerschaft sei weiterhin aufrecht. Ein rechtskräftiger Gerichtsbeschluss über die Auflösung liege nicht vor.

Gemäß § 9 Ehegesetz (EheG) dürfe eine Person keine Ehe eingehen, bevor ihre eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden sei.

Mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2017, G 258/2017 ua., habe der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge „verschiedenen Geschlechtes“ in § 44 ABGB und im Eingetragene Partnerschaft‑Gesetz (EPG) die Wortfolgen „gleichgeschlechtlicher Paare“ in § 1, „gleichen Geschlechts“ in § 2 sowie die Ziffer 1 des § 5 Abs. 1 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung sei mit Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft getreten. Seit 1. Jänner 2019 stehe somit österreichischen Staatsbürgern wahlweise die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft offen. Die Möglichkeit, bis zum Inkrafttreten der Aufhebung das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes umzusetzen und die durch die Aufhebung der Wortfolgen entstandenen Regelungslücken zu beseitigen, habe der Gesetzgeber bis dato nicht in Anspruch genommen.

Es stelle sich daher die Frage, ob und wie ein Wechsel von einem Rechtsinstitut in das andere mangels ausdrücklicher Rechtsgrundlage möglich sei.

Im Unterschied zu jenen österreichischen Staatsbürgern, die vor dem 1. Jänner 2019 geheiratet bzw. sich verpartnert hätten, sei jenen, die nach dem 1. Jänner 2019 (gemeint wohl: nach dem 31. Dezember 2018) geheiratet oder sich verpartnert hätten, die Wahl des Rechtsinstituts offengestanden und sei davon auszugehen, dass eine Entscheidung für das eine oder andere Rechtsinstitut genauso wohl überlegt sei, wie die Eheschließung oder Verpartnerung mit einer bestimmten Person selbst.

In der aktuellen Durchführungsanleitung des Bundesministeriums für Inneres werde die Rechtsansicht als verbindlich für die Personenstandsbehörden vorgegeben, wonach der Eheschließung von Paaren, die nach dem 1. Jänner 2019 eine eingetragene Partnerschaft begründet hätten, ohne vorangegangene gerichtliche Auflösung der eingetragenen Partnerschaft § 9 EheG entgegenstehe.

Entsprechend näher zitierter höchstgerichtlicher Rechtsprechung liege keine planwidrige Lücke vor. Aufgrund der bestehenden Wahlmöglichkeit beim Abschluss der legalen Verbindung sei der Wortlaut des § 9 EheG nicht überschießend und widersprächen die vom Wortlaut dieser Bestimmung erfassten Fälle nicht der inneren Teleologie der Zielsetzung des Gesetzes.

Eine Person könne nur einen Status besitzen. Ein ungeregeltes Wechseln zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft sei auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht wünschenswert.

Mangels gesetzlicher Grundlage für eine Umwandlung einer nach dem 1. Jänner 2019 begründeten eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe oder einer nach dem 1. Jänner 2019 geschlossenen Ehe in eine eingetragene Partnerschaft ohne vorhergehende gerichtliche Auflösung lägen die Voraussetzungen für die Eheschließung bereits für die Erstmitbeteiligte als österreichische Staatsbürgerin nicht vor, weshalb im Hinblick auf den Zweitmitbeteiligten auf das peruanische Recht nicht mehr eingegangen werden müsse.

3 Über die dagegen von den Mitbeteiligten erhobene Beschwerde entschied das Verwaltungsgericht mit dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wie folgt:

„I. Gemäß §§ 28 Abs. 1 iVm 29 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und ausgesprochen, dass dem Antrag auf Umwandlung der am 24. April 2019 geschlossenen eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe stattgegeben wird.

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.“

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt (III.).

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligten hätten nach Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Dezember 2017, G 258‑259/2017, eingeräumten „Reparaturfrist“ am 24. April 2019 eine eingetragene Partnerschaft unter dem Eindruck begründet, dass eine allfällige Umwandlung in eine Ehe durchaus im Bereich des Möglichen sei.

Einer solchen Umwandlung stehe im Wege einer verfassungskonformen Interpretation der Wortlaut des § 24 EheG nicht entgegen. Bis zu einer allfälligen gesetzlichen Regelung sei eine dauerhafte Umwandlung in eine Ehe, um die noch weitergehenderen Verpflichtungen und Rechtsfolgen einer Ehe für sich in Anspruch zu nehmen, für jene, die sich einmal für eine eingetragene Partnerschaft entschieden hätten, unmöglich. Der einzige derzeit gesetzlich geregelte Weg wäre die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft. Dies setze jedoch voraus, dass die heiratswilligen Partner eine unheilbare Zerrüttung ihrer eingetragenen Partnerschaft vortäuschen müssten bzw. das für die Auflösung zuständige Gericht im Wissen der Vortäuschung eine solche Zerrüttung anzunehmen hätte. Dies sei weder den betroffenen Partnern noch dem Gericht zumutbar.

Das Eheverbot des § 9 EheG könne im Lichte des § 24 EheG nur derart gelesen werden, dass ausschließlich das Eingehen einer Ehe mit einer dritten Person nicht erlaubt sei oder eine Nichtigkeit der eingegangenen Ehe nach sich ziehen solle. Nur durch eine verfassungskonforme Interpretation des § 9 EheG im Lichte des § 24 EheG könne eine Diskriminierung eingetragener Partner hinsichtlich des Zeitpunktes des Eingehens der eingetragenen Partnerschaft, und zwar vor oder nach dem 1. Jänner 2019, vermieden werden. Die Motivation für die Begründung der eingetragenen Partnerschaft dürfe keine unterschiedliche Behandlung zulassen, weil dies diskriminierend wirken würde. Auch im Fall der Wahlfreiheit zwischen den beiden Rechtsinstituten könne ein unvorhergesehener Fall eintreten, der das Rechtsinstitut, das weitergehende Rechtsfolgen habe, für beide Partner wünschenswert erscheinen lasse. Angesichts dessen, dass die Mitbeteiligten zwischenzeitig in Deutschland leben und ein gemeinsames Kind erwarten würden, sei genau diese spezielle Konstellation im Hinblick auf die Wahrnehmung des Rechts auf Personenfreizügigkeit einer Unionsbürgerin und deren Familienangehöriger in Betracht zu ziehen. Nach dem deutschen Personenstandsrecht seien eingetragene Partnerschaften in Deutschland nicht beachtlich, weil dort seit 2017 die „Ehe für alle“ gelte. Der Zweitmitbeteiligte werde somit nicht als Ehemann der Erstmitbeteiligten anerkannt. Ebenso wäre deren gemeinsames Kind weder in Österreich noch in Deutschland ex lege mit Geburt als ehelich und vom Zweitmitbeteiligten abstammend zu betrachten. Auch dies sei „ein unhaltbarer Zustand, zumal dies nicht den Intentionen der Mitbeteiligten entspreche und sie genau aus diesem Grund die Umwandlung ihrer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe beantragt hätten. Schließlich garantierten Art. 9 der Grundrechte‑Charta und Art. 12 EMRK ein Grundrecht auf Eheschließung bzw. Familiengründung.

5 Mangels gesetzlicher Grundlage sei der Antrag der Mitbeteiligten, der Stadt Wien den Ersatz der Aufwendungen (Schriftsatzaufwand und Stempelgebühren) aufzutragen, abzuweisen.

6 Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der fallbezogen wesentlichen Rechtsfrage, ob und wie nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2017, G 258 bis 259/2017, eine eingetragene Partnerschaft verschieden geschlechtlicher Partner in eine Ehe umgewandelt werden könne, welche Frage durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht beantwortet worden sei.

7 Erkennbar ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die ordentliche Amtsrevision des Magistrats.

8 Die Mitbeteiligten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung die Abweisung der Amtsrevision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die maßgeblichen Bestimmungen des Personenstandsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 16 (PStG 2013), und zwar § 3 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 jeweils idF BGBl I Nr. 120/2016, § 14 in der Stammfassung und § 27 Abs. 1 idF BGBl I Nr. 32/2018 lauten:

Behörden und Aufgaben der Behörden

§ 3. (1) Die in diesem Bundesgesetz geregelten Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen.

...

Ermittlung der Ehefähigkeit

§ 14. Die Personenstandsbehörde hat vor der Eheschließung die Ehefähigkeit der Verlobten auf Grund der vorgelegten Urkunden in einer mündlichen Verhandlung zu ermitteln; hierüber ist eine Niederschrift aufzunehmen.

...

Inhalt der Eintragung - Eingetragene Partnerschaft

§ 27. (1) Über die allgemeinen und besonderen Personenstandsdaten hinaus sind einzutragen:

...

3.die letzte frühere sowie erste spätere Eheschließungen und eingetragene Partnerschaften sowie

...

Pflicht zur Eintragung

§ 35. (1) Jeder im Inland eingetretene Personenstandsfall sowie Änderungen, Ergänzungen und Berichtigungen des Personenstandes sind einzutragen.

...“

10 Die Amtsrevision ist aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen zulässig; sie ist im Ergebnis auch berechtigt.

11 Im Fall einer zulässigen Revision ist der Verwaltungsgerichtshof nicht auf jene Rechtsfragen beschränkt, die zur Zulässigkeit vorgebracht wurden. Vielmehr kann der Gerichtshof auch eine andere als die in der Revision aufgezeigte Rechtswidrigkeit aufgreifen, wenn die Revision ‑ wie vorliegend ‑ die Zulässigkeitsschwelle überschritten hat (vgl. zu all dem VwGH 25.8.2022, Ra 2021/01/0416, Rn. 15, mwN).

12 Gegenstand des beim Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides war die Entscheidung über den Antrag der Mitbeteiligten auf „Umwandlung ihrer am 24.4.2019 geschlossenen Eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe“. Dabei handelt es sich um eine Personenstandsangelegenheit, die gemäß § 3 Abs. 1 PStG 2013 von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen ist.

13 In Entsprechung des Art. 119 Abs. 2 erster Satz B‑VG bestimmt § 79 Abs. 1 erster Satz WStV, dass der übertragene Wirkungsbereich vom Bürgermeister ausgeübt wird. Für Angelegenheiten des PStG 2013 ist somit vorliegend der Bürgermeister der Stadt Wien und nicht der Magistrat zuständig (vgl. VwGH 11.5.2022, Ra 2022/01/0033, Rn. 13 bis 17).

14 Der im Akt erliegende Bescheid des Magistrats vom 6. Mai 2021 führt in seinem Kopf die Bezeichnung „Magistrat der Stadt Wien Standesamt Wien‑Floridsdorf“ an; die Fertigung erfolgte „Für den Abteilungsleiter“.

15 Der beim Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid ist daher aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes nicht dem Bürgermeister der Stadt Wien, sondern dem Magistrat zuzurechnen, der mit der Erlassung dieses Bescheides seine behördliche Kompetenz ‑ als Bezirksverwaltungsbehörde ‑ überschritten hat (vgl. den erwähnten Beschluss VwGH Ra 2022/01/0033, Rn. 18 bis 25).

16 Grundlage des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts war somit ein vom Magistrat als unzuständiger Behörde erlassener Bescheid.

17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsgerichte in jenen Fällen, in denen die Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung bekämpft wird, unzuständig war, allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit ‑ unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer dies im Verfahren vorgebracht hat ‑ aufzugreifen und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. wiederum VwGH Ra 2021/01/0416, Rn. 21, mwN).

18 Das Verwaltungsgericht hätte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Unzuständigkeit des Magistrats gemäß § 27 VwGVG von Amts wegen wahrnehmen und den Bescheid vom 6. Mai 2021 (ausschließlich) ersatzlos aufheben müssen, statt ‑ wie hier ‑ (zudem) über den Antrag der Mitbeteiligten inhaltlich zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat insofern das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. abermals VwGH Ra 2021/01/0416, Rn. 22, mwN).

19 Zur Fällung der vorliegenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof bedurfte es im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Ermittlungen. Im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis konnte daher gemäß § 42 Abs. 1 und 4 VwGG in der Sache selbst entschieden und Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses im Sinn einer ersatzlosen Behebung des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides abgeändert werden (vgl. VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0029, Rn. 12).

Wien, am 14. September 2022

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