VwGH Ra 2021/20/0438

VwGHRa 2021/20/04386.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in den Revisionssachen 1. des Y K, 2. der T S, 3. des B K und 4. des B K, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwalt in 4710 Grieskirchen, Stadtplatz 5, dieser vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7‑11, Top 15, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 14. Mai 2021, 1. W204 2195509‑1/13E, 2. W204 2195512‑1/14E, 3. W204 2195490‑1/8E und 4. W204 2217928‑1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021200438.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des Dritt- und Viertrevisionswerbers. Alle sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin im Juni 2016; für den Drittrevisionswerber wurde der Antrag nach seiner Geburt im Jänner 2017 und für den Viertrevisionswerber nach seiner Geburt im Februar 2019 gestellt).

2 Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. April 2018 und 13. März 2019 wurden diese Anträge abgewiesen, den revisionswerbenden Parteien Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit den Erkenntnissen je vom 14. Mai 2021 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und erklärte jeweils die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision bringen die Revisionswerber ein Abweichen von oder Fehlen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen „Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung und den persönlichen Interessen der Revisionswerber“ zur Gewährung von subsidiären Schutz bzw. der Gewährung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ und „zu der Tatsache“, dass es sich bei den Revisionswerbern auf Grund der zwei Kleinkinder um eine vulnerable Gruppe handle, vor.

In diesem Zusammenhang sind sie auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, demnach in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 13.9.2021, Ra 2021/20/0332 bis 0336, mwN). Dem wird mit dem wiedergegebenen Vorbringen nicht entsprochen.

8 Soweit in den Revisionen weiters vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht hätte vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses ständigen Gebietsgewinne der Taliban ‑ auch vor dem Hintergrund der Corona‑Pandemie ‑ die Verschlechterung der Sicherheitslage und der wirtschaftlichen Lage, bereits absehen können und hätte demnach entsprechende Feststellungen zu treffen gehabt und dafür auf Berichtsmaterialien von 19. Juli 2021 verweist, werden Verfahrensmängel geltend gemacht.

9 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 1.2.2022, Ra 2021/20/0419, mwN).

10 Gemäß § 41 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt (§ 42 Abs. 2 Z 2 und Z 3 VwGG), das angefochtene Erkenntnis oder den angefochtenen Beschluss auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) bzw. der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2 VwGG) zu überprüfen. Somit sind Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben und daher vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt werden konnten, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren jedenfalls entzogen (vgl. VwGH 12.1.2022, Ra 2021/20/0225, mwN).

11 Die Revisionswerber sprechen mit ihrem Vorbringen Geschehnisse an, die sich erst nach Erlassung der angefochtenen Erkenntnisse ereignet haben. Erläuterungen dazu, aus welchen Gründen das Bundesverwaltungsgericht den Eintritt der angesprochenen Ereignisse im Zeitpunkt seiner Entscheidungen als maßgeblich wahrscheinlich (und nicht bloß als eine von mehreren Möglichkeiten) hätte ansehen müssen, bleiben die Revisionswerber schuldig (vgl. dazu, dass die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen muss, jedoch die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, um den Status des Asylberechtigten zuerkannt zu bekommen, etwa VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0445, mwN).

12 Wenn sich die Revisionswerber gegen die Erlassung von Rückkehrentscheidungen richten, ist anzumerken, dass eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist (vgl. erneut VwGH 12.1.2022, Ra 2021/20/0225, mwN).

13 Dass die insoweit vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung mit vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Mängeln behaftet wäre, wird von den Revisionswerbern nicht aufgezeigt. In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Mai 2022

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte