VwGH Ra 2021/15/0096

VwGHRa 2021/15/009617.11.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des J E in N am Wallersee, vertreten durch die Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Hellbrunner‑Straße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Juli 2021, Zl. RV/6100265/2016, betreffend Einkommensteuer 2014, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16
EStG 1988 §17 Abs1
EStG 1988 §19 Abs1
EStG 1988 §19 Abs2
EStG 1988 §22 Z2
EStG 1988 §4 Abs4
EStG 1988 §4 Abs4 Z1 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150096.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Gesellschafter (beteiligt zu 55%) und Geschäftsführer der X GmbH, von der er im Streitjahr einen fixen Geschäftsführerbezug von 30.000 € und einen variablen Geschäftsführerbezug von 30.000 € erhielt. Zudem wurden von der X GmbH die vom Revisionswerber geschuldeten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft in der Höhe von 17.679,27 € getragen.

2 Den Gewinn aus der Geschäftsführungstätigkeit ermittelte der Revisionswerber durch Einnahmen‑Ausgaben‑Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 unter Inanspruchnahme der Basispauschalierung nach § 17 Abs. 1 bis 3 EStG 1988.

3 In der Einkommensteuererklärung brachte der Revisionswerber einen Betrag von 77.658,84 € als Betriebseinnahmen in Ansatz und er machte das Betriebsausgabenpauschale nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 in Höhe von 4.659,53 € (6% von 77.658,84) sowie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 17.658,84 € als Betriebsausgaben geltend.

4 Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid, in dem es ‑ mit der Begründung, dass es sich bei den von der X GmbH abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen um durchlaufende Posten handle, die bei der Ermittlung des Betriebsausgabenpauschales nicht zu berücksichtigen seien ‑ das Betriebsausgabenpauschale nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 lediglich in Höhe von 3.600 € (6% von 60.000) berücksichtigte.

5 Einer gegen den Einkommensteuerbescheid erhobenen Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung insoweit Folge, als es das Betriebsausgabenpauschale mit 4.660,76 € (6% von 77.679,27) berücksichtigte. Die von der X GmbH für den Revisionswerber abgeführten Sozialversicherungsbeiträge erkannte das Finanzamt hingegen nicht als Betriebsausgaben an.

6 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde dahingehend statt, dass es ‑ wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung ‑ das Betriebsausgabenpauschale nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 mit 4.660,76 € in Ansatz brachte. Die von der X GmbH abgeführten Sozialversicherungsbeiträge wurden auch vom Bundesfinanzgericht nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt. Zur Begründung führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie verschiedener Gesetzesstellen und Richtlinien aus:

8 Strittig sei, ob die vom Revisionswerber geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge, welche die X GmbH bezahlt habe, zu Betriebseinnahmen ‑ Bemessungsgrundlage für das Pauschale gemäß § 17 Abs. 1 EStG 1988 ‑ und Betriebsausgaben führten.

9 Die Vereinbarung des Revisionswerbers mit der X GmbH, wonach die in Rede stehenden, vom Revisionswerber geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge direkt durch die X GmbH an die Sozialversicherungsanstalt abzuführen seien, sei zivilrechtlich als „Erfüllungsübernahme“ iSd § 1404 ABGB zu beurteilen. Beim Revisionswerber stellten die von der X GmbH abgeführten Sozialversicherungsbeiträge „sonstige Vergütung“ iSd § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 dar. Der Betrag in Höhe von 17.679,27 €, den die X GmbH im Streitjahr an die Sozialversicherungsanstalt abgeführt habe, sei daher bei der Ermittlung des Betriebsausgabenpauschales zu berücksichtigen. Dadurch ergebe sich ein als Betriebsausgabe zu berücksichtigendes Pauschale in Höhe von 4.660,76 € (6% von 77.679,27).

10 Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 seien Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst seien, wozu grundsätzlich auch die gegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge des Revisionswerbers in Höhe von 17.679,27 € gehörten.

11 Dem Beschwerdevorbringen, wonach es im Ergebnis keinen Unterschied machen könne, ob die Sozialversicherungsbeiträge von der X GmbH direkt an die Sozialversicherungsanstalt abgeführt oder zunächst als Bezugsbestandteil an den Revisionswerber ausbezahlt und von diesem entrichtet würden, sei entgegen zu halten, „dass die (in 2014) erfolgte Erfüllungsübernahme der verfahrensgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge durch die [X GmbH] einerseits einen Zufluss im Vermögen des [Revisionswerbers] darstellte ‑ da er dadurch insofern bereichert wurde, als ihm 2014 die Ausgaben für die Sozialversicherungsbeiträge iHv EUR 17.679,27 erspart blieben ‑, doch führte das Vertragswesen der Erfüllungsübernahme der Sozialversicherungskosten andererseits eben spiegelbildlich dazu, dass beim [Revisionswerber] 2014 diesbezüglich wirtschaftlich keine Vermögensminderung, also kein Abfluss von geldwerten Ausgaben aus seinem Vermögen iSd § 19 Abs. 2 EStG 1988 eintrat“. Die hier in Rede stehenden Sozialversicherungsbeiträge seien von der X GmbH und nicht vom Revisionswerber „geleistet“ worden. Dem Revisionswerber stehe es somit nicht zu, die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 17.679,27 € gemäß § 17 Abs. 1 vorletzter Satz in Verbindung mit § 4 Abs. 4 erster Satz EStG 1988 als Betriebsausgabe in Abzug zu bringen.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit u.a. ausgeführt wird, das Bundesfinanzgericht habe dem Revisionswerber die von der X GmbH entrichteten Sozialversicherungsbeiträge zugerechnet, obwohl es bei ihm keinen liquiditätsmäßigen Zufluss gegeben habe, den Abzug der vom Revisionswerber geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgabe habe es hingegen, mit der Begründung, es habe keinen (liquiditätsmäßigen) Abfluss gegeben, verwehrt. Das Ergebnis sei rechtswidrig.

13 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist zulässig und begründet.

16 § 17 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 lautet:

„§ 17. (1) Bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22 oder des § 23 können die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 mit einem Durchschnittssatz ermittelt werden. Der Durchschnittssatz beträgt

- bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung, einer Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 2 sowie aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit 6%, höchstens jedoch 13 200 €,

- sonst 12%, höchstens jedoch 26 400 €,

der Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung. Daneben dürfen nur folgende Ausgaben als Betriebsausgaben abgesetzt werden: Ausgaben für den Eingang an Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 BAO) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Ausgaben für Löhne (einschließlich Lohnnebenkosten) und für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand des Unternehmens bilden, weiters Beiträge im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1. § 4 Abs. 3 vorletzter Satz ist anzuwenden.“

17 Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken‑, Unfall‑, Pensions- und Arbeitslosenversicherung jedenfalls Betriebsausgaben.

18 Nach § 19 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (Abs. 1) und Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (Abs. 2).

19 Die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) aufweisende Beschäftigung gewährt werden, sind gemäß § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit.

20 Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Bundesfinanzgericht die von der X GmbH für den Revisionswerber geleisteten Pflichtbeiträge als dessen Einnahmen im Rahmen seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit beurteilte. Der Revisionswerber vertritt aber die Auffassung, die für ihn entrichteten Pflichtbeiträge seien bei ihm als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Er bringt in der Revision ‑ wie zuvor in der Beschwerde ‑ vor, es könne keinen Unterschied machen, ob die X GmbH die Sozialversicherungsbeiträge zunächst als Bezugsbestandteil an ihn ausbezahle und er sie dann an die Sozialversicherungsanstalt bezahle oder die X GmbH die Beiträge direkt an die Sozialversicherungsanstalt abführe. Er sei Schuldner der Beiträge, die Direktzahlung durch die X GmbH bewirke lediglich einen „verkürzten Zahlungsweg“.

21 Das Bundesfinanzgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis zutreffend fest, dass die Sozialversicherungsbeiträge, die von der X GmbH direkt an den Sozialversicherungsträger abgeführt worden sind, sonstige Vergütungen des Revisionswerbers im Sinne des § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 darstellen. Indem diese Beiträge nicht ‑ neben den pauschalen Betriebsausgaben nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 ‑ als (zusätzliche) Betriebsausgaben anerkannt worden sind, erweist sich das angefochtene Erkenntnis jedoch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

22 Wie in dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1986, 86/14/0064, zugrunde liegenden Fall ist auch im gegenständlichen Revisionsfall davon auszugehen, dass der Zeitpunkt, zu dem hinsichtlich der Vorteilszuwendung der Übergang der Verfügungsmacht auf den Revisionswerber und damit der steuerlich maßgebliche Zufluss der Einnahmen an ihn erfolgte, mit dem Zeitpunkt der Bezahlung der Pflichtbeiträge durch die X GmbH gleichzusetzen ist. Solcherart war auch das „Verfügen“ über die Mittel, die zur Bezahlung der Pflichtbeiträge des Revisionswerbers verwendet wurden, bereits zum Zeitpunkt der Bezahlung dem Revisionswerber zuzurechnen. Nach dem Zeitpunkt der Bezahlung hätte nämlich für den Revisionswerber gar keine Möglichkeit mehr bestanden, über die bezahlten Mittel zu verfügen.

23 Zudem hat die X GmbH die Pflichtbeiträge des Revisionswerbers zweifellos in dessen Namen bezahlt. Durch die Beurteilung der Zahlung der Pflichtbeiträge als steuerpflichtige Einnahme im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Revisionswerbers erfolgte die Zahlung überdies auf Rechnung des Revisionswerbers. Zahlungen, die im Namen und auf Rechnung des Steuerpflichtigen erfolgen, sind aber diesem zuzurechnen und für den Fall, dass sie den Charakter von Werbungskosten oder Betriebsausgaben haben, als solche zu berücksichtigen (vgl. nochmals VwGH 16.12.1986, 86/14/0064).

24 Durch die Überweisungen der X GmbH an den Sozialversicherungsträger wurde beim Revisionswerber ein Zufluss von steuerpflichtigen Einnahmen bewirkt. Gleichzeitig mit dem Zufluss dieser Einnahmen war auch ein Abfluss von Betriebsausgaben gegeben, die laut § 17 Abs. 1 vorletzter Satz in Verbindung mit § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 bei der Ermittlung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage (zusätzlich zu den pauschalen Betriebsausgaben) zu berücksichtigen sind.

25 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

26 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. November 2022

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