VwGH Ra 2021/03/0161

VwGHRa 2021/03/016121.12.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. F F in R, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger‑Platz 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 11. Juni 2021, Zl. LVwG 30.6‑1539/2020‑21, betreffend Übertretungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030161.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 22. Mai 2020 wurde dem Revisionswerber jeweils als Eigenjagdbesitzer eines näher bezeichneten Eigenjagdreviers zur Last gelegt, am 10. Jänner 2019 an jeweils näher bezeichneten Orten (1.) entgegen der Auflage eines näher bezeichneten Bescheides Teile der Umzäunung sowie den Futtertrog einer bestimmten Notfütterungseinrichtung nicht entfernt zu haben, (2.) nicht für die Einhaltung von § 50 Abs. 5 Steiermärkisches Jagdgesetz 1986 (im Folgenden: JG) gesorgt zu haben, weil eine Vorlage von Futtermitteln durchgeführt wurde, welche von Reh‑ und Gamswild angenommen wurde, obwohl das Füttern von Gamswild verboten ist und (3.) nicht für die Einhaltung von § 50 Abs. 7 JG gesorgt zu haben, weil eine näher bezeichnete Rehwildfütterung nicht rotwildsicher eingezäunt war. Er wurde für jede dieser drei Übertretungen gemäß § 77 JG zu einer Geldstrafe von je € 300 und Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen verurteilt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers teilweise Folge, behob das Straferkenntnis in Spruchpunkt 1. und stellte das Strafverfahren insofern ein. Hingegen wies es die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3. als unbegründet ab und verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Aus den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichtes sind folgende Aspekte für das Revisionsverfahren von Bedeutung:

Beweiswürdigend gründete es seine Sachverhaltsannahmen zu Spruchpunkt 2. (verbotene Futtervorlage) mit näherer Begründung auf die als glaubwürdig erachteten Angaben des als Zeugen vernommenen Bezirksförsters sowie das eingeholte jagdfachliche Gutachten, dessen Schlüsse es als den Denkgesetzen folgend logisch beurteilte. Der Bezirksförster stehe unter Wahrheitspflicht und habe einen Diensteid geleistet, ihm könne auf Grund seiner Funktion ohne weiteres zugemutet werden, die jagdlichen und forstlichen Belange richtig zu beobachten und allfällige Übertretungen richtig zu beurteilen. Demgegenüber seien der Revisionswerber und sein Vater am Ausgang des Verfahrens interessiert. Weiters erwog das Verwaltungsgericht, dass es extreme Witterungssituationen im gegenständlichen Revier offensichtlich immer wieder gebe. Die Bewilligung für eine Notfütterung sei durch die zuständige Behörde erst am 16. Jänner 2019 (aufgrund eines Antrags des Revisionswerbers vom 8. Jänner 2019) erteilt worden. Der Revisionswerber hätte, zumal er von dieser Möglichkeit bereits aus dem Vorjahr gewusst habe, um eine solche durchaus schon zu einem früheren Zeitpunkt ansuchen können.

Zu Spruchpunkt 3. (mangelhafte Zäunung der Rehwildfütterung) folgte das Verwaltungsgericht wiederum den von ihm als fachlich fundiert bewerteten Ausführungen des jagdfachlichen Amtssachverständigen und den Angaben des als Zeugen vernommenen Bezirksförsters. Insbesondere seien die Abstände der horizontalen Stangen zu groß und einige Stangen defekt gewesen, sodass Rotwild zum Futter gelangen habe können.

Die Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B‑VG.

4 Gegen dieses Erkenntnis ‑ erkennbar nur gegen den die Beschwerde abweisenden Teil ‑ richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erkenntnisaufbau und zur Begründung des Zulässigkeitsausspruchs abgewichen, es habe eine unrichtige Beweiswürdigung vorgenommen, hätte ein meteorologisches Sachverständigengutachten zur Schneehöhe einholen und das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes oder zumindest eine diesem nahekommende Situation annehmen müssen.

5 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Dem Revisionswerber gelingt es nicht darzulegen, dass die Revision von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhinge. Dazu im Einzelnen:

8 Die Revision stützt sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst darauf, dass das Erkenntnis keinen ordnungsgemäßen Aufbau (vgl. dazu etwa VwGH 14.12.2020, Ra 2020/03/0111, mwN) habe und daher einer rechtsstaatlichen Kontrolle nicht zugänglich sei.

9 Lässt eine Entscheidung die Trennung der nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Begründungselemente (Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung, rechtliche Beurteilung) in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Hindert allerdings ein Begründungsmangel weder die Partei noch den Verwaltungsgerichtshof an der Rechtsverfolgung bzw. der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, begründet er keinen relevanten Verfahrensfehler und führt nicht zur Aufhebung der Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 20.12.2021, Ra 2021/03/0158, mwN).

10 Im vorliegenden Fall weist das angefochtenen Erkenntnis insofern einen mangelhaften Aufbau auf, als es unter der Überschrift „Tatsachenfeststellungen“ lediglich das Gutachten des Amtssachverständigen sowie das Vorbringen und die Aussagen des Revisionswerbers, der vernommenen Zeugen und die Angaben der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung wiedergibt. Aus den weiteren Ausführungen (im Abschnitt „Beweiswürdigung“) ergibt sich jedoch noch hinreichend deutlich, welche tatsächlichen Annahmen das Verwaltungsgericht auf Grund welcher beweiswürdigenden Erwägungen seiner Entscheidung zu Grunde legt. Daran schließt die rechtliche Beurteilung samt Erwägungen zur Strafbemessung an. Dass die Entscheidung daher insgesamt nicht überprüfbar wäre, ist nicht zu erkennen. Auch der Revisionswerber legt nicht dar, dass für ihn zweifelhaft wäre, welchen konkreten Sachverhalt das Verwaltungsgericht aufgrund welcher Beweiswürdigung angenommen hätte und welche rechtlichen Erwägungen darauf aufbauend angestellt wurden. Ein relevanter Verfahrensmangel liegt daher diesbezüglich nicht vor.

11 Soweit die Revision eine unzureichende Begründung im Sinne des § 25a Abs. 1 VwGG zur Frage rügt, warum die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig ist, ist sie darauf zu verweisen, dass eine mangelhafte Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet noch nicht zur Zulässigkeit der Revision führt (vgl. VwGH 1.3.2022, Ra 2020/21/0201, mwN).

12 Die Zulässigkeit der Revision wird weiters darauf gestützt, dass das Verwaltungsgericht eine „unrichtige Beweiswürdigung“ vorgenommen hätte.

13 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Bezug auf die Beweiswürdigung liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 29.3.2021, Ra 2021/03/0023, mwN). Derartiges legt die Revision mit dem Hinweis in der Zulässigkeitsbegründung auf angeblich unglaubwürdige Erinnerungslücken des als Zeugen vernommenen Bezirksförsters und dessen behauptetermaßen ausweichenden Angaben zur Schneehöhe ebensowenig dar wie mit den in den Revisionsgründen angestellten weiteren eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen. Der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes (in jeder Hinsicht) auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0012, VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, sowie VwGH 12.5.2021, Ra 2020/03/0051, alle mwN).

14 Der Revisionswerber bemängelt weiters, das Verwaltungsgericht hätte in Bezug auf die inkriminierte Futtervorlage das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes nach § 6 VStG bzw. (im Hinblick auf eine gebotene Ermahnung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG oder Strafmilderung) diesem nahekommende Umstände annehmen müssen und begründet dies damit, dass aufgrund der Witterungssituation (insbesondere Schneelage) eine Versorgungsnot des Wildes bestanden habe. Dazu bezieht sich der Revisionswerber auch auf den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 2019, mit dem ihm aufgrund der witterungsbedingt prekären Versorgungssituation von Rotwild eine Notfütterung bewilligt worden sei.

15 Wie die Revision auch selbst ausführt, gehört es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist und dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl. VwGH 3.3.1994, 93/18/0090, und 26.2.2009, 2009/09/0031, je mwN).

16 Insofern hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen einer entschuldigenden Notstandsituation verneint, indem es davon ausging, dass der Revisionswerber bereits zu einem früheren Zeitpunkt die behördliche Bewilligung für eine Notfütterung hätte einholen können. Damit setzt sich die Revision ebensowenig auseinander wie mit der Begründung des Bewilligungsbescheides vom 16. Jänner 2019, wonach laut den Ausführung des Amtssachverständigen und des Bezirksjägermeisters die prekäre Situation von lokal unversorgt auftretendem Rotwild durch maßgebliches Fehlverhalten der verantwortlichen Jagdausübungsberechtigten, Grundeigentümer und Aufsichtsorgane (also u.a. des Revisionswerbers) verursacht worden sei und das Rotwild im betreffenden Eigenjagdgebiet nur aufgrund früherer verbotener Futtervorlagen (Kirrungen) und ungesicherter Rehwildfütterungen überwintere.

17 Schließlich begründet die Revision ihre Zulässigkeit damit, dass das Verwaltungsgericht kein meteorologisches Sachverständigengutachten zur Schneehöhe im gegenständlichen Jagdrevier eingeholt habe. Dies hätte ergeben, dass (zu Spruchpunkt 2.) aufgrund der Notlage eine Fütterung als gerechtfertigt beurteilt worden wäre und (zu Spruchpunkt 3.) erkannt worden wäre, dass aufgrund des geänderten Niveauunterschieds ein Übersetzen des Wildes über die Umzäunung der Fütterungsanlage wesentlich leichter gewesen sei. Schon aus diesen Gründen sei dem Revisionswerber nichts anzulasten gewesen.

18 Soweit dieses Vorbringen auf das Vorliegen einer Versorgungsnot für das Wild abzielt, liegt schon deshalb keine Relevanz für das Verfahrensergebnis vor, weil schon aus den zuvor genannten Gründen eine entschuldigende Notstandssituation für den Revisionswerber nicht vorgelegen ist. Ebensowenig hat die konkrete Schneehöhe einen Einfluss auf die Beurteilung der vorgeworfenen mangelnden Rotwildsicherheit der Rehwildfütterung, lag diese ja nach den Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht an einer zu geringen Höhe der Umzäunung und daher der Möglichkeit des Einspringens über den Zaun, sondern an zu großen Abständen zwischen den horizontalen Stangen und defekten Zaunstangen. Auch das vom Verwaltungsgericht wiedergegebene Gutachten des Amtssachverständigen bemängelt nicht nur eine zu geringe absolute Höhe der Umzäunung, sondern auch beispielsweise im südöstlichen Teil des Zaunes einen zwischen der untersten Stange und dem Boden klaffenden Abstand von mehr als 50 cm, der eindeutig für Rotwild durchlässig sei. Insgesamt legt die Revision also eine Relevanz der konkreten Schneehöhe und damit eines meteorologischen Sachverständigengutachtens für das Verfahrensergebnis nicht dar.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

20 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 21. Dezember 2022

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