European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020210201.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1987 geborene Revisionswerber, ein mongolischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 10. Oktober 2010 unter Verwendung einer Alias-Identität einen Antrag auf internationalen Schutz, der ‑ in Verbindung mit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei ‑ vollinhaltlich abgewiesen wurde. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. April 2011 ab.
2 Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet und stellte ‑ jeweils unter seiner Alias‑Identität ‑ zunächst am 27. Juni 2011 einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses, den er am Tag darauf zurückzog, und am 29. September 2011 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, der im Instanzenzug schließlich mit rechtskräftigem Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 15. November 2012 abgewiesen wurde.
3 Nachdem es der zuständigen Behörde nicht gelungen war, mithilfe der (unrichtigen) Identitätsangaben des Revisionswerbers ein Heimreisezertifikat zu erlangen, wurde ihm eine bis Februar 2016 gültige Karte für Geduldete gemäß § 46a FPG ausgestellt.
4 Unter Vorlage seines am 27. Mai 2008 ausgestellten mongolischen Reisepasses und einer Geburtsurkunde stellte der Revisionswerber nunmehr unter Bekanntgabe seiner korrekten Identität am 17. September 2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005.
5 Im Bundesgebiet leben die Mutter, der Stiefvater und zwei Schwestern des Revisionswerbers als subsidiär Schutzberechtigte. Mit seiner Lebensgefährtin, einer mongolischen Staatsangehörigen, die der Revisionswerber 2015 in Österreich kennen gelernt hatte und die sich auf Basis einer befristet gültigen Aufenthaltsbewilligung als Studentin im Bundesgebiet aufhält, lebt der Revisionswerber seit 2018 in einem gemeinsamen Haushalt, ohne an der Adresse gemeldet zu sein. Dieser Beziehung entstammt ein 2016 geborener Sohn, der ebenfalls über eine befristet gültige Aufenthaltsbewilligung verfügt. Die Eltern der Lebensgefährtin des Revisionswerbers leben nach wie vor in der Mongolei und unterstützen von dort aus ihre Tochter finanziell.
6 Mit Bescheid vom 22. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag vom 17. September 2015 ab, erließ unter einem gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wegen Mittellosigkeit des Revisionswerbers ein mit drei Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Mongolei zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG gewährte es keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA‑VG die aufschiebende Wirkung ab.
7 Der dagegen erhobenen Beschwerde erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zunächst mit dem als Beschluss bezeichneten (Teil-)Erkenntnis vom 27. September 2017 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu und gab dann mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. Jänner 2020 der Beschwerde insoweit statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf achtzehn Monate herabsetzte und die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festlegte. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 10.3.2020, E 681/2020‑6) ‑ fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B‑VG als unzulässig erweist.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision zunächst bemängelt, das BVwG habe seinen Ausspruch über die Nichtzulassung der ordentlichen Revision nur „inhaltsleer“ begründet. Dazu genügt der Hinweis, dass auch eine mangelhafte Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet noch nicht zur Zulässigkeit der Revision führt (vgl. etwa VwGH 9.10.2020, Ra 2020/21/0348, Rn. 13, mwN).
12 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ferner vorgebracht, die „belangte Behörde“ habe die „entsprechenden Angaben“ des Revisionswerbers nur unzureichend zu seinen Gunsten gewertet und insbesondere die im Verfahren vorgelegten Urkunden nicht entsprechend berücksichtigt. Dies wird jedoch nur pauschal behauptet, ohne auf das vorliegende Verfahren konkret Bezug zu nehmen, sodass damit schon von Vornherein kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt wird. Auch eine ‑ vom Revisionswerber behauptete ‑ antizipierende Beweiswürdigung des BVwG ist nicht ersichtlich.
13 Soweit sich die Revision gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK wendet, ist auszuführen, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen ‑ wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 21.12.2021, Ra 2021/21/0320, Rn. 10, mwN).
14 Das ist hier der Fall. Das BVwG nahm auf den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet sowie auf seine privaten und familiären Interessen am Verbleib in Österreich ausreichend Bedacht, berücksichtigte aber zutreffend auch den Umstand, dass die von ihren in der Mongolei lebenden Eltern finanziell unterstützte Lebensgefährtin des Revisionswerbers lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ verfügte, die ‑ ebenso wie der Aufenthaltstitel des gemeinsamen, sich in einem anpassungsfähigen Alter befindlichen Sohnes ‑ nur bis September 2020 befristet gültig war. Vor diesem Hintergrund erscheint weder die Annahme des BVwG, dass eine Fortsetzung des Familienlebens in der Mongolei zumutbar sei, noch die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG unvertretbar. Das BVwG durfte nämlich die Dauer des Aufenthaltes des Revisionswerbers in Österreich dadurch als maßgeblich relativiert erachten, dass er trotz Ausreiseverpflichtung im Bundesgebiet verblieb und die Behörden jahrelang während seines Aufenthaltes über seine Identität durch die Angabe unrichtiger Daten täuschte, um seine Außerlandesbringung zu verhindern. Das vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verwertung des vom Revisionswerber dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks erzielte Ergebnis der Interessenabwägung ist daher ‑ wie erwähnt ‑ nicht unvertretbar.
15 Soweit der Revisionswerber noch vorbringt, dass das angefochtene Erkenntnis „der belangten Behörde“ der Judikatur des BVwG in ähnlich gelagerten Fällen widerspreche, ist darauf hinzuweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG erfüllt (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/21/0335, Rn. 14, mwN).
16 In der Revision, die im Übrigen auf das gegen den Revisionswerber erlassene Einreiseverbot nicht konkret Bezug nimmt, werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ‑ nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde ‑ gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 1. März 2022
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