Normen
AVG §56
AVG §58 Abs1
AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EURallg
NAG 2005 §54 Abs5 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
32004L0038 Unionsbürger-RL Art13 Abs2 litc
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020220248.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er war von 17. Oktober 2017 bis 21. Jänner 2019 mit N H, einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Im Hinblick auf diese Ehe verfügte er mit Gültigkeit ab 21. Februar 2018 über eine Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR‑Bürgerin.
2 Nach Bekanntgabe der Ehescheidung ging die belangte Behörde nach § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) vor, woraufhin beim Bundesamt für Fremdenwesen- und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde.
3 Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 (inhaltsgleich vom 23. September 2019) teilte das BFA mit, dass ein Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliege. Der Grund für die Scheidung könne nicht dem Revisionswerber angerechnet werden und das Festhalten an der Ehe könne ihm wegen Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen nicht zugemutet werden. Es sei daher von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Abstand zu nehmen gewesen.
4 Mit einer weiteren Mitteilung vom 10. Oktober 2019 teilte das BFA mit, dass der Revisionswerber zwar von seiner Ehefrau rechtskräftig geschieden sei; er habe sich aber nichts zu Schulden kommen lassen, den Integrationskurs besucht und erfolgreich abgeschlossen, gehe durchgehend einer Arbeit nach und habe noch nie Sozialbezüge bezogen, weshalb von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Abstand zu nehmen gewesen sei.
5 Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 legte die belangte Behörde dem Revisionswerber gegenüber dar, dass sie das BFA darauf hingewiesen habe, dass das Überprüfen eines Härtefalles im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG der Bezirksverwaltungsbehörde obliege. Deshalb habe das BFA die zweite Mitteilung vom 10. Oktober 2019 übermittelt und überdies mit E‑Mail vom selben Tag der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Mitteilung vom 25. Juli 2019 als hinfällig betrachtet werden könne. Weiters wies die belangte Behörde darauf hin, dass nunmehr, da keine aufenthaltsbeendende Maßnahme erfolge und kein Härtefall vorliege, der Revisionswerber eine „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“ zu beantragen und in diesem Zuge die Aufenthaltskarte abzuliefern habe.
6 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Mai 2020 wurde dem Revisionswerber eine „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“ erteilt. Begründend wies die belangte Behörde insbesondere darauf hin, dass kein besonderer Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliege. Da eine Aufenthaltsbeendigung nach § 55 Abs. 5 NAG unterlieben sei, sei dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“ quotenfrei zu erteilen gewesen.
7 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg. Dieses wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig. Begründend verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass kein besonderer Härtefall vorliege, der die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts gebieten würde. Vielmehr sei die Scheidung des Revisionswerbers von seiner Ehefrau darauf zurückzuführen, dass diese das Interesse an ihm verloren habe. Die Mitteilung des BFA vom 23.9.2019 stelle nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes keinen Bescheid dar, weshalb die Beurteilung des BFA, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliege, keine Bindungswirkung entfalte.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In seinen Zulässigkeitsausführungen verweist der Revisionswerber darauf, dass die Ehe mit N H über deren Klage und mit dem Ausspruch ihres überwiegenden Verschuldens geschieden worden sei. Daran anknüpfend vertritt er im Kern die Ansicht, dass ihm ein „Festhalten an der Ehe“ iS des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG nicht zumutbar gewesen sei, sodass ihm im Hinblick auf die Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach dieser Bestimmung „zur Vermeidung einer besonderen Härte“ weiterhin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme und „kein Raum für die Rot‑Weiß‑Rot Karte plus besteht.“
13 Dabei übersieht der Revisionswerber jedoch, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein ausschließliches Verschulden des anderen Ehepartners alleine nicht ausreicht, um einen besonderen Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG zu begründen (vgl. VwGH 20.08.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, Rn 13, mwN). Vielmehr soll nach dem mit § 54 Abs. 5 Z 4 NAG umgesetzten Art. 13 Abs. 2 UAbs. 1 lit. c RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) der Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (nur) dann nicht eintreten, wenn „es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft“ (VwGH, 6.4.2021, Ra 2021/21/0094, Rn 10, mwN). Der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach eine solche Situation nicht vorgelegen habe, tritt der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht substantiiert entgegen. Dass die Ehe im vorliegenden Fall über Klage der ehemaligen Ehefrau des Revisionswerbers, N H, geschieden wurde, ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers aber ohne Belang.
14 Vor diesem Hintergrund vermag der Revisionswerber auch nicht die Relevanz der von ihm geltend gemachten Feststellungs- und Ermittlungsmängel aufzuzeigen.
15 Soweit in der Revision weiter behauptet wird, es habe sich bei der „Mitteilung“ des BFA vom 23. September 2019 (auch 25. Juli 2019) um einen Bescheid gehandelt und es habe das Verwaltungsgericht dessen „Bindungswirkung“ missachtet, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden kann, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung ergeben. Mangelt es an der für einen Bescheid vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den ‑ objektiv erkennbaren ‑ Willen hatte, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit vorzunehmen. Lässt der Inhalt einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell (vgl. VwGH 21.12.2012, 2012/17/0473, mwN).
16 Fallbezogen ist das in Rede stehende Schreiben weder als Bescheid bezeichnet, noch ist daraus deutlich erkennbar, dass die Behörde damit eine normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit vornehmen wollte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Einordnung der Mitteilung des BFA vom 25. Juli 2019 (auch 23. September 2019) von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher schon deshalb ‑ ohne darauf einzugehen, ob der Revisionswerber durch den Ausspruch über die Erteilung eines (nicht beantragten) Aufenthaltstitels überhaupt in Rechten verletzt sein konnte ‑ gemäß § 34 Abs. 1 zurückzuweisen.
Wien, am 27. Dezember 2022
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