Normen
B-VG Art133 Abs4
EURallg
NAG 2005 §54 Abs5 Z4
VwGG §34 Abs1
32004L0038 Unionsbürger-RL Art13 Abs2 litc
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210094.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine serbische Staatsangehörige, heiratete am 4. November 2016 einen ungarischen Staatsangehörigen, mit dem sie nach Österreich übersiedelte. Im Hinblick auf diese Ehe erhielt sie eine von 14. Dezember 2016 bis 14. Dezember 2021 gültige Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG.
2 Die Ehe wurde mit Beschluss eines serbischen Gerichts vom 4. März 2019, rechtskräftig am 18. April 2019, einvernehmlich geschieden. Davon setzte die Revisionswerberin die Niederlassungsbehörde am 9. Mai 2019 in Kenntnis. Diese erstattete am 6. Februar 2020 eine Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).
3 Mit Bescheid vom 31. Juli 2020 erließ das BFA gegen die Revisionswerberin eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm§ 55 Abs. 3 NAG und erteilte gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen einmonatigen Durchsetzungsaufschub.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem erstangefochtenen Erkenntnis vom 19. November 2020 als unbegründet ab, und es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 Am 31. Dezember 2020 beantragte die Revisionswerberin gemäß „§ 69 Abs. 1 Z 2 AVG iVm § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG“ die Wiederaufnahme des „Ausweisungsverfahrens“. Ihr sei am 17. Dezember 2020 eine am 26. November 2020 abgefasste eidesstattliche Erklärung ihres geschiedenen Ehemannes zugekommen, wonach dieser „Eheverfehlungen durch hinreichende Verletzungen seiner ehelichen Verhaltenspflicht gesetzt“ habe, die schwerwiegend und objektiv zur Herbeiführung der Ehezerrüttung geeignet gewesen seien; durch die von ihm vorgenommene Zerstörung der Lebensgemeinschaft sei auch der Revisionswerberin „wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzfähigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht mehr zuzumuten“ gewesen. Die Revisionswerberin sah es durch dieses Beweismittel nunmehr als bescheinigt an, dass der Tatbestand des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG erfüllt gewesen sei, sodass sie ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht verloren habe und die Ausweisung nicht verfügt werden hätte dürfen.
6 Mit dem zweitangefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht diesen Wiederaufnahmeantrag ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es wiederum aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist diese Bestimmung gemäß Art. 133 Abs. 9 B‑VG sinngemäß anzuwenden. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In ihrer ‑ in Bezug auf das erstangefochtene Erkenntnis nach Ablehnung und Abtretung der zunächst erhobenen Verfassungsgerichtshofsbeschwerde (VfGH 18.1.2021 und 26.1.2021, E 30/2021) ‑ gegen die beiden erwähnten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Revision macht die Revisionswerberin unter diesem Gesichtspunkt geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54 Abs. 5 Z 4 NAG abgewichen, indem es „die Bewertung besonders schwieriger Umstände, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe, außer Acht gelassen“ habe. Das Bundesverwaltungsgericht wäre von Amts wegen verpflichtet gewesen, die näheren Umstände der Scheidung, insbesondere mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen der Revisionswerberin, „zu hinterfragen bzw. zu prüfen“. Im Wiederaufnahmeverfahren sei das Bundesverwaltungsgericht insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es unter Verletzung des rechtlichen Gehörs verneint habe, dass die neu hervorgekommenen Tatsachen geeignet seien, einen anderslautenden Spruch im Hauptinhalt herbeizuführen.
10 Nach dem mit § 54 Abs. 5 Z 4 NAG umgesetzten Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. C der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG ) soll der Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (nur) dann nicht eintreten, wenn „es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft“. Daran anknüpfend hielt der Verwaltungsgerichtshof in Rn. 14 des Erkenntnisses VwGH 15.3.2018, Ro 2018/21/0002, fest, angesichts des genannten Beispielsfalls könne es jedenfalls keinem Zweifel unterliegen, dass der - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts (im dort angefochtenen Erkenntnis) - „typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet“, keine „besonders schwierigen Umstände“ darstellt, aufgrund derer die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des Drittstaatsangehörigen „erforderlich“ gewesen wäre. Auch im Beschluss VwGH 20.8.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, Rn. 13, wurde dem Vorbringen, die geschiedene Ehefrau des Drittstaatangehörigen „habe einen Freund gehabt, woran die Ehe gescheitert sei“, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis Ro 2018/21/0002 erwidert, ein besonderer Härtefall werde mit dem bloßen Hinweis auf ein ‑ sei es auch ausschließliches ‑ Verschulden des anderen Ehepartners an der Scheidung nicht dargelegt (vgl. zum Ganzen auch VwGH 18.2.2021, Ra 2020/21/0495 und 0496, Rn. 10).
11 Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin in der Beschwerde und letztlich ‑ wenn auch unter Vorlage eines neuen Beweismittels ‑ auch im Wiederaufnahmeantrag nur allgemein und ohne jede Konkretisierung vorgebracht, dass ihr „wegen einer Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht mehr zugemutet werden konnte“ und dass die Ehe auf Grund des Verschuldens ihres Mannes wegen dessen nicht näher genannten Eheverfehlungen gescheitert sei. Angesichts dieses unsubstantiierten Vorbringens kann dem Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung nicht entgegengetreten werden, wenn es einerseits im Beschwerdeverfahren keine weiteren diesbezüglichen Ermittlungen und auch keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat und andererseits im Verfahren über den Wiederaufnahmeantrag mangels Ergebnisrelevanz der behaupteten neu hervorgekommenen Tatsachen keinen Wiederaufnahmegrund verwirklicht gesehen hat. Insoweit liegt auch keine entscheidungswesentliche Verletzung des Parteiengehörs vor.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 6. April 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
