VwGH Ra 2020/06/0159

VwGHRa 2020/06/015919.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der E P in G, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 12. November 2019, LVwG 50.32‑2292/2019‑10, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. DI M G, BSc und 2. O G, BSc, beide in G, vertreten durch die Hofmann Kämmerer, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Bischofplatz 3; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8
BauG Stmk 1995 §26 Abs1
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020060159.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Mai 2019 wurde den Mitbeteiligten die Baubewilligung für den Um‑ und Zubau des bestehenden Wohnhauses sowie für das Aufbringen eines Wärmedämmverbundsystems an der Fassade auf der näher bezeichneten Liegenschaft erteilt.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (Landesverwaltungsgericht) wies dieses die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde mangels Verletzung von subjektiven Rechten als unbegründet ab. Gleichzeitig sprach es aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 9. Juni 2020, E 4631/2019‑6, deren Behandlung abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, es stellten sich die erheblichen Rechtsfragen, ob die im Reihenhauskonzept speziell erforderlichen Ordnungsprinzipien der Einhaltung der durchgehenden Gebäudefluchten, einheitlichen Vorgartentiefen und Dachformen aufgrund fehlender Gebäudeabstände Regelungen darstellten, die unter anderem vor unzumutbarem Schattendruck der Nachbarn durch einen übermäßig vorspringenden Gebäudeteil schützen sollten, ob die nachträgliche Überschreitung dieser Ordnungsprinzipien durch Ausbau nur eines Objekts eine unzulässige Umgehung dieser Regelungen sei, ob die Vorgehensweise des Landesverwaltungsgerichts unzulässig sei, das räumliche Leitbild zu übergehen und zu erklären, die Revisionswerberin habe keine Verletzung eines Nachbarrechts geltend gemacht, und sich dabei auf das unschlüssige und widersprüchliche städtebauliche Gutachten zu stützen. Angesichts zweier divergierender Entscheidungen erster Instanz hätte das Landesverwaltungsgericht Klarheit schaffen müssen.

8 Mit diesen Zulässigkeitsausführungen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv‑öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0007, mwN). Die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass die in dieser Bestimmung genannte Rechtsfrage eine solche ist, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG zumindest möglich ist (vgl. dazu etwa VwGH 5.11.2019, Ra 2019/06/0238, mwN).

10 Soweit die Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen Rechtsfragen zur Überschreitung der im Reihenhauskonzept erforderlichen Ordnungsprinzipien des räumlichen Leitbilds ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass ihr nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG dazu kein Mitspracherecht zukommt. Ein Recht auf Einhaltung durchgehender Gebäudefluchten, einheitlicher Vorgartentiefen und Dachformen nach den Ordnungsprinzipien des räumlichen Leitbilds steht dem Nachbarn nach dem taxativen Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG nämlich nicht zu (zur Taxativität: ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, siehe beispielsweise VwGH 24.4.1997, 97/06/0019, 27.2.1998, 97/06/0275, 23.10.2007, 2003/06/0089, 31.1.2008, 2007/06/0297, 18.12.2008, 2005/06/0014, 31.3.2009, 2008/06/0237). Ebensowenig gibt es ein selbständiges Nachbarrecht dahingehend, dass das Grundstück der Revisionswerberin nicht beschattet werde (ist im Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG nicht vorgesehen). Die befürchtete Beschattung kann auch nicht als Immission im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk. BauG verstanden werden (vgl. neuerlich VwGH 31.3.2009, 2008/06/0237).

11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2022

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