VwGH Ra 2019/15/0158

VwGHRa 2019/15/015821.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der Stadtpfarre B in B, vertreten durch die Confida St. Veit Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. in 9300 St. Veit an der Glan, Klagenfurter Straße 32 A, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. September 2019, Zl. RV/4100465/2019, betreffend Umsatzsteuer 2007 bis 2009, den Beschluss gefasst:

Normen

UStG 1994 §12 Abs1
UStG 1994 §2 Abs1
UStG 1994 §2 Abs3
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs1
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs2
62007CJ0515 VNLTO VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019150158.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im Jahr 2009 wurde von zwei „Projektträgern“ (einer Stadt und einem Stift) eine große Ausstellung historischer Kunstwerke organisiert. Die revisionswerbende Stadtpfarre, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, beteiligte sich an dieser Ausstellung auf der Grundlage einer Partnerschaftsvereinbarung vom 18. März 2008 als „Projektpartner“. Dieser Vereinbarung zufolge übernahm es die Revisionswerberin, den Platz um die Kirche, den Kirchenvorplatz und einen damit zusammenhängenden Gartenbereich neu zu gestalten (u.a. durch Aufstellung eines Brunnens und von Bänken sowie durch eine besondere Garten- und Wegegestaltung). Die Finanzierung der Kosten der Revisionswerberin erfolgte durch einen Zuschuss von 412.200 € (im Wesentlichen von Bund und Land).

2 Für die in Rede stehenden Anschaffungs- und Herstellungsmaßnahmen beantragte die Revisionswerberin die Zuerkennung von Vorsteuern (2007: ca. 1.900 €; 2008: ca. 51.000 €; 2009: ca. 8.000 €).

3 Ab dem Jahr 2009 erklärte die Revisionswerberin Einnahmen aus der Veranstaltung von Führungen und dem Verkauf von Broschüren. Im Jahr 2009 betrugen die Einnahmen 4.579,77 € und in den Jahren 2010 bis 2018 bewegten sie sich zwischen rund 3.000 € und rund 4.000 €. Die Führungen wurden durch den Stadtpfarrer, eine Pfarrgemeinderätin oder eine Pastoralassistentin durchgeführt. Den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts zufolge begannen die Führungen im vorderen Bereich der Kirche und setzten sich mit einem Rundgang um die Kirche sowie der anschließenden Besichtigung und Erklärung der Kirche fort. Den Abschluss bildete die Besichtigung des Gartens und der dort befindlichen „Symbolen (Stelen)“. Die verkauften Broschüren befassten sich mit dem neu gestalteten Platz um die Kirche und dem Garten.

4 Das Finanzamt vertrat ‑ nach einer Außenprüfung ‑ den Standpunkt, dass die Führungen und der Verkauf der Broschüren keine wirtschaftlich selbständige Tätigkeit darstellten, die sich aus der Gesamtbetätigung der Körperschaft öffentlichen Rechts heraushebe. Zudem seien nur infrastrukturelle Maßnahmen gesetzt worden („Neugestaltung des Kirchplatzes; der Einbahnstraße samt Parkplätzen; Straßen-Platz und Kirchenbeleuchtung; Bepflanzung künstlerische Außengestaltung des Pfarrgartens und des Kirchplatzes“), was für sich nicht einen Betrieb gewerblicher Art begründen könne. Bei entgeltlichen Führungen werde lediglich der jedermann jederzeit öffentlich zugängliche Platz gezeigt und erklärt. Darüber hinaus würden bei den Führungen religiöse Inhalte vermittelt und das religiöse Wissen erweitert. Weiters werde auf die historische Entwicklung der Stadtpfarre (Baustil, Renovierungen), die kirchliche Gestaltung der Kirche (Volksaltar, Bilderausstellung), aber auch auf die Weltreligionen hingewiesen. Es sei sohin von der Entfaltung hoheitlicher Tätigkeiten auszugehen.

5 Das Finanzamt anerkannte keine Vorsteuern. Für 2007 setzte es die Umsatzsteuer mit Null fest. Auch für 2008 wertete das Finanzamt die von der Revisionswerberin erbrachten Leistungen (Führungen, Broschürenverkauf) als nicht umsatzsteuerbar, setzte aber insofern Umsatzsteuer fest, als für von der Revisionswerberin bezogene Leistungen Erwerbsteuer sowie im Reverse‑Charge‑System geschuldete Steuer im Sinne des § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 angefallen waren. Für 2009 wertete das Finanzamt die Betätigung der Revisionswerberin ebenfalls als nicht der Umsatzsteuer unterliegend und setzte ‑ zunächst im Wege der Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen und sodann mittels eines Umsatzsteuerjahresbescheides ‑ die Umsatzsteuer mit Null fest.

6 Die Revisionswerberin erhob gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide Beschwerde und brachte vor, die Ausstellung stelle ein wirtschaftlich selbständiges Projekt mit Ausgaben und Einnahmen einschließlich der Förderungen dar. Die Revisionswerberin sei ein Teil dieses Ausstellungsprojektes. Die Führungen und der Broschürenverkauf stellten eine Betätigung der Revisionswerberin außerhalb ihres (kirchlichen) Hoheitsbereiches dar. Ein erheblicher Teil der Führungen betreffe die Beschreibung und Erklärung der Symbole auf dem Platz um die Kirche und somit kein kirchliches Thema. Da die Einnahmen jährlich den Betrag von 2.900 € überstiegen, liege eine Betätigung von wirtschaftlichem Gewicht vor.

7 In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht betonte der Vertreter der Revisionswerberin, es gehe im gegenständlichen Fall um den abgrenzbaren Bereich der Führungen und des Broschürenverkaufs; dieser Bereich sei insgesamt unternehmerisch.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab. Das Recht auf Vorsteuerabzug scheitere im Revisionsfall am Vorliegen von für das Unternehmen der Revisionswerberin erbrachten Leistungen. Die Eingangsleistungen umfassten die Ausgestaltung des Platzes um die Kirche, des Kirchenvorplatzes und eines damit zusammenhängenden Gartens. Bei diesen Plätzen handle es sich um allgemein öffentlich zugängliche Plätze, bei denen ‑ sowohl in räumlicher wie auch in zeitlicher Hinsicht ‑ eine etwaige unternehmerische Tätigkeit in Form von Führungen und Broschürenverkäufen völlig in den Hintergrund gedrängt sei. Im Hinblick auf das (geringe) Ausmaß der vereinnahmten Entgelte könne ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsumsätzen nicht hergestellt werden.

9 Überdies befassten sich die Führungen und Broschüren zumindest auch mit religiösen Inhalten. Die Religionsausübung sei aber dem Hoheitsbereich der Revisionswerberin zuzuordnen. Da der hoheitliche Teil der Tätigkeiten der Revisionswerberin stark überwiege und die in Rede stehenden Plätze einer allgemeinen öffentlichen Nutzung dienten, könne nicht vom Entfalten einer überwiegend privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Revisionswerberin ausgegangen werden.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erfolge deshalb, weil das Bundesfinanzgericht den Vorsteuerabzug nicht zugelassen habe.

11 Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, es gebe keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der wirtschaftlichen Betätigung kirchlicher Rechtsträger, zudem liege kein eindeutiger Gesetzeswortlaut vor. Die Frage, ob kirchliche Rechtsträger mit Aktivitäten der gegenständlichen Art einen Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 begründeten, sei von grundsätzlicher Bedeutung.

16 Das Recht auf Vorsteuerabzug hat das Bundesfinanzgericht primär mit der Begründung versagt, dass die strittigen Eingangsleistungen nicht für das Unternehmen der Revisionswerberin erbracht worden seien. Die Eingangsleistungen für die Ausgestaltung des Platzes um die Kirche, des Kirchvorplatzes und eines damit zusammenhängenden Gartens beträfen Bereiche, bei denen eine etwaige unternehmerische Tätigkeit in Form von Führungen und Broschürenverkäufen ‑ im Verhältnis zur hoheitlichen Verwendung durch die Revisionswerberin ‑ völlig im Hintergrund stehe. Zudem erstreckten sich die durchgeführten Führungen nicht nur auf die genannten Bereiche, sondern auch auf die Kirche selbst und umfassten auch religiöse Inhalte.

17 Der seelsorgerische Bereich der Revisionswerberin ist unzweifelhaft nichtunternehmerisch. Hingegen können die entgeltlich veranstalteten Führungen wie auch der Verkauf von Broschüren grundsätzlich privatwirtschaftliche Tätigkeiten darstellen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 217).

18 Im Revisionsfall wird von der Revisionswerberin eine weit im Vordergrund stehende kirchliche bzw. seelsorgerische Betätigung erbracht, die von einer in untergeordnetem Ausmaß entfalteten wirtschaftlichen Betätigung begleitet wird. Die in Rede stehenden Investitionen vor und rund um die Kirche stehen mit beiden Bereichen in Zusammenhang.

19 Zu Konstellationen gemischter Betätigungen von Körperschaften öffentlichen Rechts liegt bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0192; 30.6.2015, 2011/15/0163; 27.7.2016, 2013/13/0083; 27.2.2019, Ra 2017/15/0074).

20 Bereits im Erkenntnis vom 24. Juni 2009, 2007/15/0192, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Körperschaften öffentlichen Rechts, denen aufgrund einer entsprechenden Betätigung Unternehmereigenschaft zukommt, insoweit vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, als sie Gegenstände und Dienstleistungen für ihren nichtunternehmerischen (hoheitlichen) Bereich beziehen. Wie sich dies aus dem Urteil des EuGH vom 12. Februar 2009, C‑515/07 , VNLTO, ergibt, ist nämlich der Abzug von Vorsteuer auf Aufwendungen eines solchen Steuerpflichtigen nicht zulässig, soweit sie sich auf Tätigkeiten beziehen, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der MwSt‑RL fallen. Geht ein solcher Steuerpflichtiger zugleich wirtschaftlichen Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Tätigkeiten nach, ist der Abzug der Vorsteuer auf Aufwendungen nur insoweit zulässig, als diese Aufwendungen den wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.

21 Bezieht demnach eine Körperschaft öffentlichen Rechts Gegenstände und Dienstleistungen, die anteilig der Ausführung steuerpflichtiger Umsätze und mit einem weiteren Anteil deren nichtunternehmerischen Zwecken dienen, steht ihr der Vorsteuerabzug jeweils mit jener Quote zu, die sich aus dem Verhältnis der Verwendung für steuerpflichtige Zwecke einerseits und für nichtunternehmerische Zwecke andererseits ergibt (vgl. nochmals VwGH 27.7.2016, 2013/13/0083).

22 Im Hinblick auf die bereits bestehende Rechtsprechung wird in der Revision somit keine Rechtsfrage aufgezeigt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

23 Der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichts) völlig vergleichbaren Sachverhalt (zu einer bestimmten Rechtsnorm) fehlt, begründet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. VwGH 28.4.2016, Ro 2015/07/0041; 3.3.2022, Ra 2020/15/0024).

24 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund des vom Bundesfinanzgericht festgestellten, weitaus im Vordergrund stehenden Zusammenhangs der Investitionen mit der nichtunternehmerischen Betätigung, die Revision in keiner Weise darzutun vermag, dass ein anteiliger Vorsteuerbetrag den Betrag der ‑ im angefochtenen Erkenntnis mit Null angenommenen ‑ Umsatzsteuer auf die Ausgangsleistungen übersteigen würde, dies selbst unter der Annahme, dass der Zuschuss (von 412.200 €), den die Revisionswerberin bezogen hat, kein umsatzsteuerpflichtiges Leistungsentgelt darstellt.

25 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

26 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. März 2022

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