VwGH Ra 2021/22/0120

VwGHRa 2021/22/01209.7.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des R A in W, vertreten durch die Rihs Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2021, Zl. L521 2235064‑1/22E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

ARB1/80 Art6
ARB1/80 Art6 Abs1
AuslBG §4c idF 2013/I/072
B-VG Art133 Abs4
EURallg
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220120.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt 5. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28. August 2020, mit dem festgestellt wurde, dass dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt werde, ersatzlos auf. Weiters erließ das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren in teilweiser Abänderung des genannten Bescheides gegen den Revisionswerber, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei, verhängte gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von achtzehn Monaten befristetes Einreiseverbot, gewährte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und bestätigte den behördlichen Ausspruch, wonach einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber am 2. Juli 2013 in der Türkei die österreichische Staatsbürgerin SO lediglich geheiratet habe, um einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erlangen und um in weiterer Folge seine türkische Ehegattin, FA, mit der er bis zum 4. Oktober 2012 verheiratet gewesen sei, zusammen mit den zwei gemeinsamen Kindern nach Österreich zu holen. Die Ehe mit SO sei am 25. November 2015 geschieden worden. Am 23. Dezember 2016 habe der Revisionswerber FA erneut geehelicht.

3 Dem Revisionswerber seien im Hinblick auf seine Ehe mit SO (zwei) Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ mit einer (aufeinanderfolgenden, jeweils einjährigen) Gültigkeitsdauer für den Zeitraum von (insgesamt) 7. Oktober 2014 bis 8. Oktober 2016 sowie ein Aufenthaltstitel „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“ mit Gültigkeitsdauer von 9. Oktober 2016 bis 9. Oktober 2017 erteilt worden. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. September 2018 seien die betreffenden rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen worden, der Erstantrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe und die jeweiligen Verlängerungsanträge mangels eines gültigen Aufenthaltstitels abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde sei durch das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 28. März 2019 abgewiesen worden. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien sei vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht bekämpft worden.

4 Der Revisionswerber habe das Bundesgebiet nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien nicht verlassen und er habe anschließend, obwohl er über keinen Aufenthaltstitel mehr verfügt habe, auch nicht die neuerliche Erteilung eines Titels beantragt. Am 24. April 2020 sei er durch die Finanzpolizei beim Arbeiten auf einer Baustelle in Wien betreten worden. Erst am 20. August 2020 habe er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Das diesbezügliche Verfahren sei eingestellt worden. Sein Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz sei rechtskräftig abgewiesen worden.

5 Der Revisionswerber sei in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Von 2. März 2015 bis 30. September 2020 sei er bei der X Bau GmbH & CO KG beschäftigt gewesen. Seit seiner Abschiebung in die Türkei am 15. September 2020 befinde sich der Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat, wo er bei seiner türkischen Ehegattin und den gemeinsamen Kindern lebe. In Österreich sei er zuletzt alleinstehend gewesen und habe keine Beziehung unterhalten. Zu seinem in Wien lebenden Bruder und weiter entfernten Verwandten habe regelmäßiger Kontakt bestanden.

6 Das Bundesverwaltungsgericht legte näher dar, weshalb es die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts Wien betreffend das Vorliegen einer Aufenthaltsehe als schlüssig und zutreffend erachtete und aus welchen Gründen auch das Bundesverwaltungsgericht vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausging. Was im Übrigen die Frage der Rechtmäßigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung anlange, komme es auf die Gründe, weshalb das Verwaltungsgericht Wien vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausgegangen sei, nicht an, weil das Bundesverwaltungsgericht an den Spruch des Verwaltungsgerichts Wien betreffend die Aufenthaltstitel gebunden sei. Demnach seien alle dem Revisionswerber bislang erteilten Aufenthaltstitel mit ex-tunc Wirkung beseitigt worden. Sämtliche Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels seien im wiederaufgenommenen Verfahren rechtskräftig abgewiesen worden. Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass dem Antrag auf Einvernahme von SO als Zeugin nicht Folge gegeben worden sei, weil die angeführten Beweisthemen teils nicht entscheidungsrelevant gewesen, teils die betreffenden Tatsachen vom Bundesverwaltungsgericht ohnehin als wahr unterstellt worden seien.

7 Dem Revisionswerber kämen keine Rechte nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu. Es habe mangels eines entsprechenden Aufenthaltstitels stets an der Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung gefehlt. Aus der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 sowie aus § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) sei für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, weil er aktuell nicht mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Dem Revisionswerber komme kein Aufenthaltsrecht in Österreich zu. Da auch eine Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK nicht zu seinen Gunsten ausfalle, sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtmäßig. Die Verhängung eines Einreiseverbotes begründete das Verwaltungsgericht mit dem mehrjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich, der auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe zurückzuführen gewesen sei, sowie auf den Umstand, dass der Revisionswerber auch nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien nicht bereit gewesen sei, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren. Er sei nämlich trotz Fehlen eines Aufenthaltstitels in Österreich verblieben und sei bei einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Aus den genannten Gründen liege eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe verkannt, dass der Verwaltungsgerichtshof der Tatsache der Beschäftigung eines türkischen Staatsangehörigen, etwa im Rahmen eines Befreiungsscheines, konstitutive Wirkung für das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 zuerkenne. Eine Nichtigkeit der Ehe des Revisionswerbers mit SO sei nicht festgestellt worden. Es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung des Vorliegens einer „ordnungsgemäßen Beschäftigung“ im Sinn von Art. 6 ARB 1/80 bei einer aufrechten, nicht vom Zivilgericht für nichtig erklärten Ehe.

9 Das Bundesverwaltungsgericht hätte Feststellungen zum beschäftigungsrechtlichen Status des Revisionswerbers treffen müssen, weil türkische Staatsangehörige nach rechtmäßiger Einreise grundsätzlich berechtigt seien, einer Tätigkeit nachzugehen und diese Erwerbstätigkeit auch ein Aufenthaltsrecht nach sich ziehe. Insoweit stehe das angefochtene Erkenntnis im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach für türkische Staatsangehörige, die Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 abzuleiten vermöchten, im NAG kein spezifischer Aufenthaltstitel vorgesehen sei. Dem Revisionswerber sei mehrmals ein Befreiungsschein ausgestellt worden, der ihn sowohl zur Ausübung einer Beschäftigung als auch zum Aufenthalt in Österreich berechtige.

10 Das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit der fehlenden Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien auseinandergesetzt. Es bestehe keine Bindungswirkung, wenn die jeweiligen Verfahrensgegenstände nicht deckungsgleich seien. Da das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von einer Bindungswirkung betreffend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien ausgegangen sei, habe es das Gericht unterlassen, das Vorliegen einer Aufenthaltsehe eigenständig zu prüfen.

11 Ferner habe sich das Bundesverwaltungsgericht über die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 hinweggesetzt. Bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, habe ausschließlich die gerichtliche Nichterklärung einer Ehe „als Aufenthaltsehe“ Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus Fremder gehabt. Nach der alten und günstigeren Rechtslage wäre eine Wiederaufnahme der in Rede stehenden Verfahren allein aufgrund der Annahme einer Aufenthaltsehe durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde nicht erfolgt.

12 Die Frage der rückwirkenden Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts und damit der ordnungsgemäßen Beschäftigung eines türkischen Staatsangehörigen sei in der Judikatur noch nicht geklärt worden. Es sei vorliegend die Frage zu beantworten, ob die Entziehung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG automatisch die rückwirkende Aufhebung der ordnungsgemäßen Beschäftigung nach Art. 6 ARB 1/80 zur Folge habe.

Mit diesem Vorbringen wird das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht dargetan:

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraumes ausgeübten Beschäftigung, auf die Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 abstellt, anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, welche die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt; die Beschäftigung ist daher nur dann ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht. Nach der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ferner eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus (vgl. dazu etwa VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0057; 6.9.2007, 2004/18/0060, mwN; EuGH 8.11.2012, C‑268/11 , Gülbahce, Rn 39; EuGH 6.6.1995, Bozkurt, C‑434/93 , Rn 26 und 27).

17 Da das Bundesverwaltungsgericht nach der mit ex‑tunc Wirkung erfolgten Wiederaufnahme jener Verfahren, in denen dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel erteilt worden war, sowie nach Abweisung von dessen Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels davon auszugehen hatte, dass dieser nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich und nie über eine Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet verfügte, war die in der Vergangenheit ausgeübte Beschäftigung des Revisionswerbers nicht ordnungsgemäß und es kommen für ihn die Regelungen des Art. 6 ARB Nr. 1/80 schon aus diesem Grund nicht zum Tragen (zur ex‑tunc Wirkung der Wiederaufnahmeverfügung siehe z.B. VwGH 20.12.2012, 2011/23/0438).

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits klargestellt, dass ein türkischer Staatsangehöriger, dem ein Befreiungsschein ausgestellt wurde, obwohl er nicht die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllt, daraus kein Aufenthaltsrecht ableiten kann (VwGH 23.1.2020, Ra 2019/22/0154; 17.6.2019, Ro 2019/22/0001). Die in der Revision behauptete Abweichung von der soeben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor. Im Revisionsfall ist es ohne Belang, ob dem Revisionswerber ein Befreiungsschein erteilt wurde oder nicht (vgl. auch VwGH 6.9.2007, 2007/18/0478, mwN). Das Vorbringen, dass der Revisionswerber über einen Befreiungsschein verfügt habe, geht somit ins Leere (VwGH 25.2.2010, 2007/21/0429; 28.8.2008, 2008/22/0271).

19 Die Zulässigkeitsbegründung wirft dem Bundesverwaltungsgericht weiters im Zusammenhang mit der Annahme, dass der Revisionswerber eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, vor, es habe die Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. März 2019 verkannt. Damit wird eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht aufgezeigt.

20 Zunächst kam es hinsichtlich der für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung maßgeblichen Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet, die durch das Bundesverwaltungsgericht zu einem Zeitpunkt zu beurteilen war, zu dem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien bereits ergangen war, nicht darauf an, ob der Revisionswerber tatsächlich eine Aufenthaltsehe geschlossen hatte. Die Wiederaufnahme der in Rede stehenden Verfahren mit ex‑tunc Wirkung und die Abweisung der betreffenden Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien entfalten rechtsgestaltende Wirkung. Infolge der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien (ein weiterer Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, den dieser nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien stellte, blieb nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts erfolglos) verfügte der Revisionswerber über keinen Aufenthaltstitel, der ihn zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigte, und ‑ wie oben ausgeführt ‑ auch über keine aus Art. 6 ARB abzuleitenden Rechte. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war somit rechtswidrig.

21 Betreffend das mit dem angefochtenen Erkenntnis ebenfalls erlassene Einreiseverbot, das u.a. mit der durch eine Aufenthaltsehe bewirkten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründet wurde, enthält die Zulässigkeitsbegründung kein konkretes Vorbringen. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich entgegen den Behauptungen des Zulässigkeitsvorbringens mit der Frage des Vorliegens einer Aufenthaltsehe auch in nicht unschlüssiger Weise auseinander. Den diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts hält das Zulässigkeitsvorbringen nichts Stichhaltiges entgegen.

22 Daran anknüpfend ist hinsichtlich der auf Art. 6 ARB 1/80 gestützten Argumentation der Revision ergänzend anzumerken, dass eine durch eine Aufenthaltsehe (von deren Vorliegen, da eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt wird, im Revisionsfall auszugehen ist) rechtsmissbräuchlich erlangte Bewilligung zum Aufenthalt und zur Beschäftigung in Österreich ‑ abgesehen von der gegenständlich überdies erfolgten Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren (vgl. dazu oben) ‑ (von vornherein) grundsätzlich nicht zu einer Berechtigung nach Art. 6 ARB 1/80 führen kann (VwGH 17.4.2013, 2012/22/0235; 1.7.2004, 2004/18/0164, mwN; EuGH 8.11.2012, Gülbahce, C‑268/11 , Rn 50; 29.9.2011, Unal, C‑187/10 , 45 und 47; 5.6.1997, Kol, C‑285/95 , Rn 26 f). Insofern handelt es sich in der vorliegenden Konstellation nicht um die „rückwirkende Aufhebung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung“.

23 Aus der Berufung auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 ist ‑ wie schon das Bundesverwaltungsgericht festhielt ‑ für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Zum einen wurde seine Ehe mit SO im Jahr 2015 geschieden, sodass ihm in Anbetracht der nicht mehr bestehenden Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen keine aktuellen Rechte im Sinn von § 49 Abs. 1 FrG 1997 zukommen können. Zum anderen wurde das Verfahren in den Angelegenheiten Wiederaufnahme und Abweisung der jeweiligen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. März 2019 rechtskräftig abgeschlossen. Eine Auseinandersetzung mit dem Einwand der Zulässigkeitsbegründung, wonach die Stillhalteklausel einer Wiederaufnahme der in Rede stehenden Verfahren entgegenstehe, kann daher unterbleiben.

24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Diese war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

25 Ein Abspruch über den mit der Revision verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit nicht geboten.

Wien, am 9. Juli 2021

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