VwGH Ra 2021/17/0019

VwGHRa 2021/17/001922.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des I P und 2. der N GmbH, beide vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das am 24. September 2019 mündlich verkündete und am 4. Mai 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Mai 2020), 1. VGW‑002/011/5224/2019-17 und 2. VGW‑002/V/011/5225/2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §60
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §9 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021170019.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. Februar 2019 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Zweitrevisionswerberin der achtfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz ‑ GSpG mit acht näher bezeichneten Glücksspielgeräten schuldig erkannt und es wurden über ihn acht Geldstrafen (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil im Tatzeitraum zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien, indem die Zweitrevisionswerberin als Lokalinhaberin in dem von ihr betriebenen Spiellokal in W den Betrieb der in ihrer Gewahrsame befindlichen, funktionsfähig und in betriebsbereitem Zustand aufgestellten Glücksspielgeräte in Verbindung mit einem „Cashcenter“ gestattet habe, um damit regelmäßig Einnahmen zu erzielen. An den Glücksspielgeräten sei die Möglichkeit zur Teilnahme an hauptsächlich virtuellen Walzenspielen geboten worden. Die Zweitrevisionswerberin hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen sowie die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

2 2.1. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis in der Schuldfrage als unbegründet ab; in der „Straffrage“ sprach es eine Gesamtstrafe aus und setzte eine Ersatzfreiheitsstrafe fest. Weiters schrieb es einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und sprach aus, dass „die beschwerdeführende Partei“ keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. erklärte es gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig und sprach aus, dass die Zweitrevisionswerberin für die reduzierten Verfahrenskosten hafte. Aufgrund des rechtzeitigen Ausfertigungsantrages sowohl der revisionswerbenden Parteien als auch des Bundesministers für Finanzen erstellte das Verwaltungsgericht in der Folge eine mit „04.05.2019“ datierte schriftliche Ausfertigung, die mit Beschluss vom 18. Mai 2020 in Bezug auf das Ausfertigungsdatum berichtigt wurde.

3 2.2. Das Verwaltungsgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensganges u.a. aus, dass durch die Anmietung des Lokals und die damit korrelierende Vertragskonstruktion „den Beschwerdeführer“ der Vorwurf der unternehmerischen Beteiligung treffe. In dem von ihm angemieteten Spiellokal seien acht „illegale Glücksspielgeräte“ zu den beiden Kontrollzeitpunkten „betreten“ worden, woraus sich der längere Tatzeitraum ergebe. Für die vom „Veranstalter (Zweit-BF)“ verwendeten Glücksspielgeräte liege keine Genehmigung vor, diese seien eindeutig als Glücksspielgeräte aufgestellt und eingesetzt gewesen, durch die vorliegende Mietkonstruktion habe sich der Erstrevisionswerber unternehmerisch am daraus erzielten Gewinn beteiligt.

4 In der rechtlichen Würdigung führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, mit den Geräten seien verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht worden.

5 Überdies begründete das Verwaltungsgericht seine Strafbemessung.

6 3.1. Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 21. September 2020, E 2084/2020-5, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 3.2. Nunmehr richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis.

8 3.3. Die belangte Behörde teilte mit, keine Revisionsbeantwortung zu erstatten.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 4.1. Die Revision erweist sich bereits im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, das Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher erörterter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bestehe, als zulässig und begründet:

11 4.2.1. § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. etwa VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0661, mwN).

12 4.2.2. Besteht ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, bei dem es sich nicht bloß um eine terminologische Abweichung handelt, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft, sondern bei dem die Wahl unterschiedlicher Begriffe vielmehr eine Unterschiedlichkeit in der rechtlichen Wertung durch Subsumtion unter je ein anderes Tatbild zum Ausdruck bringt, führt dies zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit (vgl. etwa VwGH 4.5.2020, Ra 2019/16/0214, mwN).

13 4.2.3. Dem Erstrevisionswerber wurde im durch die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des Schuldausspruches übernommenen Spruch vorgeworfen, er habe es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Zweitrevisionswerberin zu verantworten, dass ‑ mit näher beschriebenen Handlungen - verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien. Damit wurde dem Erstrevisionswerber die Verwirklichung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG vorgeworfen. Das Verwaltungsgericht führte demgegenüber jedoch aus, „den Beschwerdeführer“ [gemeint offenbar: den Erstrevisionswerber] treffe der Vorwurf der unternehmerischen Beteiligung, womit § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG verwirklicht wäre. Die vom Erstrevisionswerber vertretene Zweitrevisionswerberin wurde darüber hinaus als „Veranstalter“ qualifiziert, womit § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG verwirklicht wäre; zuletzt wird - im Gegensatz dazu - ausgeführt, mit den Geräten seien verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht worden (zu den einzelnen Tatbildern des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG vgl. z.B. VwGH 19.5.2017, Ra 2016/17/0173, mwN).

14 Damit ist dem angefochtenen Erkenntnis angesichts dieser unlösbar widersprüchlichen Tatanlastungen nicht unverwechselbar zu entnehmen, welche Tathandlung dem Erstrevisionswerber als Vertreter der Zweitrevisionswerberin konkret vorgeworfen wurde und unter welches Tatbild diese Tathandlung nach Ansicht des Verwaltungsgerichts allein zu subsumieren ist.

15 4.3. Das angefochtene Erkenntnis entspricht somit nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 und 2 VStG und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16 4.4. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

17 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

18 6. Für das fortzusetzende Verfahren wird auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013, hingewiesen.

Wien, am 22. März 2021

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