VwGH Ra 2021/05/0203

VwGHRa 2021/05/020315.12.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des W Z in K, vertreten durch Dr. Helena Marko, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Falkestraße 1, Top 4B und 4C, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. September 2021, LVwG‑AV‑1201/001‑2021, betreffend Vollstreckung eines baubehördlichen Auftrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), den Beschluss gefasst:

Normen

VVG §2
VVG §2 Abs1
VVG §4
VVG §4 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050203.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Juni 2021 wurde gegenüber dem Revisionswerber die ihm mit Schreiben der belangten Behörde vom 7. November 2018 angedrohte Ersatzvornahme näher bezeichneter, mit Bescheid der Baubehörde vom 29. Mai 2013 erteilter baubehördlicher Aufträge angeordnet. Gleichzeitig wurde der Revisionswerber zur Vorauszahlung der Kosten für die angeordnete Ersatzvornahme in näher bestimmter Höhe verpflichtet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (in der Folge: Verwaltungsgericht) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, mit rechtskräftigem Bescheid der Baubehörde I. Instanz vom 29. Mai 2013 sei dem Revisionswerber die Entfernung näher bezeichneter baulicher Anlagen auf einem näher genannten Grundstück der KG K. aufgetragen worden. Da der Revisionswerber seiner demnach bestehenden Pflicht zur Entfernung nicht nachgekommen sei, sei seitens der belangten Behörde das Vollstreckungsverfahren eingeleitet und ihm mit Schreiben vom 7. November 2018 die Ersatzvornahme angedroht worden. Aufgrund einer nachträglichen baubehördlichen Bewilligung vom 10. Jänner 2020 seien nur mehr (näher beschriebene) Teile des ursprünglichen Bauauftrages aufrecht. Nachdem der Revisionswerber der diesbezüglich weiterhin bestehenden Pflicht zur Entfernung nicht nachgekommen sei, sei das Vollstreckungsverfahren fortgesetzt worden. Es seien zwei Kostenvoranschläge für die Durchführung der Arbeiten eingeholt worden, die durch einen Amtssachverständigen für Bautechnik auf ihre Richtigkeit und Schlüssigkeit geprüft worden seien. Ergänzend sei ein Kostenvoranschlag für die Stilllegung von Strom, Gas und Wasser eingeholt worden. Aus dem „Schonungsprinzip“ des § 2 Abs. 1 VVG ergebe sich, dass kein höherer Kostenvorschuss verlangt werden dürfe, als zur Bestreitung der Ersatzvornahme erforderlich sei. Die Behörde sei aber nicht verpflichtet, die Ersatzvornahme für den Revisionswerber so kostengünstig als möglich zu gestalten und es stehe dem Revisionswerber frei, die zu vollstreckende Maßnahme bis zum Beginn der Ersatzvornahme selbst durchzuführen.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst einen Verstoß gegen das „Schonungsprinzip“ des § 2 Abs. 1 VVG und ein Abweichen von der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rügt. Einer der beiden von der Behörde eingeholten Kostenvoranschläge sei überdurchschnittlich hoch gewesen, sodass der Behörde nur ein „echtes“ Angebot zur Verfügung gestanden sei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei daher nicht gewahrt, außerdem scheine auch das von der Behörde für den Kostenvorauszahlungsauftrag schließlich herangezogene Angebot „massiv überteuert“.

5 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2019/06/0022, oder auch 13.1.2021, Ra 2020/05/0239, jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 26.11.2020, Ra 2020/06/0189, mwN).

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, gilt nach dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angesprochenen „Schonungsprinzip“ gemäß § 2 Abs. 1 VVG für Kostenvorauszahlungsaufträge nach § 4 Abs. 2 leg.cit. das Prinzip des Schutzes des Verpflichteten vor der Vorschreibung von Kosten, welche die tatsächlich mit der Ersatzvornahme zu erwartenden Kosten erkennbar relevant überschreiten würden; in diesem Fall wären die Kosten unverhältnismäßig. Eine Verpflichtung, eine Ersatzvornahme für den Beschwerdeführer „so kostengünstig als möglich“ zu gestalten, kann dem Gesetz aber nicht entnommen werden. Zur Ermittlung der voraussichtlich anfallenden Kosten kann die Vollstreckungsbehörde anstelle eines Sachverständigengutachtens auch Anbote von Unternehmen einholen; bei beiden Vorgangsweisen handelt es sich um gleichwertige Methoden zur Bestimmung der voraussichtlichen Kosten (vgl. etwa VwGH 19.12.2013, 2011/03/0173, mwN).

11 Im Revisionsfall hat die belangte Behörde zwei Kostenvoranschläge (sowie einen weiteren betreffend die Trennung der elektrischen Anschlussleitungen) eingeholt und deren Angemessenheit durch einen Amtssachverständigen für Bautechnik überprüfen lassen. Mit Schriftsatz vom 20. April 2021 räumte die belangte Behörde dem Revisionswerber daraufhin die Möglichkeit ein, sich zu den Kostenvoranschlägen und der Stellungnahme des Amtssachverständigen zu äußern. Von dieser Möglichkeit hat der Revisionswerber im Verfahren vor der belangten Behörde nicht Gebrauch gemacht; in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht führte er dazu lediglich aus, eine solche Summe wie die vorgeschriebene nicht aufbringen zu können. Die Angemessenheit der veranschlagten Kosten wurde nicht bestritten.

12 Abgesehen davon, dass daher das in der Revision erstmals erstattete Vorbringen, das für den Kostenvorauszahlungsauftrag schließlich herangezogene Angebot sei „massiv überteuert“, dem aus § 41 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbot unterliegt, zeigt die Revision auch mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe nur ein „echtes“ Angebot zur Auswahl gehabt, vor dem dargestellten Hintergrund keinen relevanten Verfahrensmangel auf; weder wurde im Verfahren ein günstigeres Offert vorgelegt, noch trat der Revisionswerber der Stellungnahme des Amtssachverständigen betreffend das eingeholte Angebot auf gleicher fachlicher Ebene entgegen (vgl. dazu z.B. VwGH 27.4.2021, Ra 2021/06/0060, mwN). Die Verpflichtung, einen weiteren „Kontrollkostenvoranschlag“ einzuholen, bestand fallbezogen nicht (vgl. in diesem Sinne neuerlich VwGH 19.12.2013, 2011/03/0173, mwN). Auch aus der zur Zulässigkeit der Revision allein ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1996, 95/10/0066, die zum „Schonungsprinzip“ des § 2 Abs. 1 VVG lediglich die ‑ dem gegenständlichen Verfahrensergebnis nicht entgegenstehende ‑ allgemeine Ausführung enthält, dieses könnte nur dann verletzt sein, wenn die Behörde bei der Auswahl mehrerer ihr zur Verfügung stehender Zwangsmittel jenem den Vorzug gegeben hätte, das als schwerer wiegender Eingriff in das Vermögen des Verpflichteten angesehen werden müsste, ergibt sich für den Revisionsfall nichts Gegenteiliges. Das behauptete Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann daher nicht erkannt werden.

13 Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2021

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