European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050013.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Vorliegend geht es um ein Vollstreckungsverfahren betreffend einen baupolizeilichen Auftrag des Stadtsenats der Landeshauptstadt Linz vom 23. Oktober 1996, den fehlenden Fassadenputz an der Nordseite der Feuermauer eines näher genannten Gebäudes herzustellen und der Struktur des vorhandenen Verputzes anzugleichen sowie den neuen Verputz zu färbeln und der vorhandenen Fassadenfarbe anzupassen bzw. alternativ im vorderen Teil zur Straße hin die schräg verlaufende Unterkante des vorhandenen Putzes waagrecht auszubilden und den Verputz nicht zu färbeln. Die Arbeiten seien zeitlich mit der Sanierung der Stützmauer abzustimmen.
5 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird ausgeführt, der weitere Miteigentümer E. P. habe den Bescheid (gemeint offenbar: den vor dem Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bescheid) nicht erhalten. Der Erfüllung der Leistung stehe daher ein rechtliches Hindernis entgegen. Die Eigentümer des Nachbarhauses hätten die Durchführung der Arbeiten verweigert. Es stehe daher auch dies der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten im Wege, und dieses Hindernis könne auch durch eine Ersatzvornahme nicht beseitigt werden. Dass der Bescheid nicht gegen den dritten Eigentümer erlassen worden sei, sei eindeutig. Es gehe nicht um den Inhalt der Verfügung, die auf den Titelbescheid verweise, sondern um die Parteien des Vollstreckungsverfahrens. Der gegenständliche Vollstreckungsbescheid sei kein dinglicher Bescheid. Er müsse daher immer gegen sämtliche aktuellen Miteigentümer gerichtet werden. Gegenüber dem dritten Miteigentümer sei der Bescheid entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes nicht erlassen worden.
6 Der erstinstanzliche Bescheid vom 14. Oktober 2019 ordne die Ersatzvornahme der Verpflichtung eines Bescheides aus 1996 an. Die Revisionswerber hätten nachgewiesen, dass sich zu diesem Zeitpunkt „das Objekt im Abbruchbereich gehandelt“ habe und sich die Voraussetzungen in der Zwischenzeit völlig geändert hätten. Die Substanz des Hauses sei in Stand gehalten worden. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend eine Prüfung durchgeführt, ob die Voraussetzungen des baubehördlichen Auftrages noch vorlägen.
7 Die Auffassung, dass es sich (weiterhin) um ein Baugebrechen handle, wenn die Gefahr des Eindringens von Niederschlägen und sonstigen Witterungseinflüssen die Standsicherheit der Mauern beeinträchtige, stehe jedoch im völligen Widerspruch zum eindeutigen Gutachten des Amtssachverständigen, dass diese Voraussetzungen nicht vorlägen. Das Verwaltungsgericht habe sich in Verletzung verfahrensrechtlicher Grundsätze nicht mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt und sei ohne nachvollziehbare Begründung von diesen abgewichen. Zu allen drei Punkten, die ein Baugebrechen charakterisierten (Gefahr für Leben oder Sachwerte, Orts‑ und Landschaftsbild und Umwelt), gebe es eindeutige Gutachtensergebnisse, wonach diesbezügliche Gefährdungen nicht gegeben seien. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 31. August 2020 ausgeführt, dass die Gefahr des Eindringens von Niederschlagswässern erst dann akut werde, wenn sich das Mauerwerk dem Ende der Lebensdauer nähere, was zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Fall sei. Angesichts dessen sei es unerklärbar, wie das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis gelange. § 48 Abs. 1 Z 1 OÖ Bauordnung stelle auf das Entstehen einer konkreten Gefahr ab. Wenn diese noch nicht entstanden sei, könne diese Bestimmung nicht angewendet werden. Der Amtsachverständige komme nicht zum Ergebnis, dass eine latente Gefahr vorhanden wäre. Das Sachverständigengutachten führe auch aus, dass keine Verunstaltung des Orts‑ und Landschaftsbildes vorliege. Das Verwaltungsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt. Abweichungen von dem Amtssachverständigengutachten wären zu begründen gewesen. Dieser Begründungspflicht sei das Verwaltungsgericht nicht nachgekommen. Wenn schon die Zugrundelegung eines unschlüssigen Gutachtens eine Verletzung der Pflicht zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhaltes bedeute, müsse dies auch dann gelten, wenn sich die Behörde ohne Grund von Ergebnissen eines Gutachtens abwende und nicht dartue, woraus sich die Unschlüssigkeit ergeben sollte.
8 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 3.10.2016, Ra 2016/06/0110, mwN). Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall festgestellt, dass auch gegenüber dem dritten Miteigentümer der angefochtene Vollstreckungsbescheid erlassen wurde (S. 13 des angefochtenen Erkenntnisses). In den Revisionszulässigkeitsgründen wird dies zwar wiederholt bestritten, es wird aber in keiner Weise ausgeführt, weshalb die Feststellung des Verwaltungsgerichtes unzutreffend sein sollte. Die im Zusammenhang mit dem dritten Miteigentümer stehenden Darlegungen der Revisionszulässigkeitsgründe gehen daher ins Leere.
9 Das Verwaltungsgericht hat auf S. 14 des angefochtenen Erkenntnisses dargelegt, weshalb das erforderliche Betreten des Nachbargrundstücks kein Hindernis darstellt. Die Revisionszulässigkeitsgründe gehen darauf nicht ein. Sie zeigen daher auch insoweit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
10 Weiters machen die Revisionszulässigkeitsgründe im Zusammenhang mit der Frage, ob nach wie vor ein Baugebrechen besteht, Verfahrensmängel geltend (Widerspruch der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zum Gutachten des Amtsachverständigen, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, Verletzung der Begründungspflicht und Mängel der Beweiswürdigung). Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG können auch solche des Verfahrensrechts sein. Dies allerdings nur dann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0075, mwN). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes ‑ zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist ‑ somit nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. nochmals VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0075, mwN).
11 Das Verwaltungsgericht hat auf S. 15 f des angefochtenen Erkenntnisses dargelegt, weshalb trotz des Sachverständigengutachtens weiterhin vom Vorliegen eines Baugebrechens auszugehen ist. Die Revisionszulässigkeitsgründe setzen sich mit diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes nicht auseinander. Sie zeigen schon deshalb auch insoweit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 18. Februar 2021
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