VwGH Ra 2021/03/0127

VwGHRa 2021/03/01279.8.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. M L in G, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 28. Mai 2021, Zl. LVwG‑AV‑1480/001‑2020, betreffend die Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:

Normen

VwRallg
WaffG 1996 §10
WaffG 1996 §21 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2
WaffV 02te 1998 §6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030127.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2020 beantragte der Revisionswerber bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (BH) die Ausstellung eines Waffenpasses. Er brachte zusammengefasst vor, den Antrag nicht auf einen Bedarf nach § 22 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) und auch nicht auf die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne, zu stützen. Er gründe seinen Antrag vielmehr auf § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG, wonach die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet hätten und bei denen keine Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeiliches Staatsschutzgesetz begehen würden, im Ermessen der Behörde liege. Der Revisionswerber sei völlig unbescholten und integer. Er sei beruflich in Sicherheitsbereichen präventiv tätig (der Revisionswerber ist Angestellter des TÜV Austria). Er wünsche die Möglichkeit des Führens einer Faustfeuerwaffe, weil er davon ausgehe, dass das Ermessen im Sinne des § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG bei verfassungs- und gesetzeskonformer Auslegung nur bedeuten könne, dass verlässlichen Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet hätten und bei denen keine Tatsachen die die Annahme rechtfertigten, dass ein verfassungsgefährdender Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeilichen Staatsschutzgesetz begangen werden könnte, ein Waffenpass auszustellen sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diesen Antrag in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der BH ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sei unbescholten und im Besitz einer Waffenbesitzkarte. Er übe das Hobby eines Sportschützen aus. Beruflich sei er als Angestellter tätig; sein Aufgabenbereich umfasse u.a. Sachverständigentätigkeit für einschlägige Vorschriften nach der Arbeitsmittelverordnung und Ausbildung im Bereich von Arbeitnehmerschutzangelegenheiten. Es habe bislang keinerlei Vorfall oder Anlass gegeben, bei dem der Revisionswerber persönlich in einer Art und Weise bedroht oder gefährdet worden sei, wo zum angemessenen Schutz eine Faustfeuerwaffe von Nöten gewesen wäre. Der Revisionswerber strebe die Ausstellung eines Waffenpasses zur Prävention an.

4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Revisionswerber habe keinen Bedarf zum Führen der Schusswaffe. Die Ausstellung eines Waffenpasses in Ausübung von Ermessen komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die vom Revisionswerber bloß geltend gemachte Zweckmäßigkeit einem waffenrechtlichen Bedarf nicht nahekomme und im Lichte des § 6 der 2. WaffV sowie des gebotenen strengen Maßstabs kein privates Interesse gegeben sei, welches die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertige.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit geltend macht, die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts sei unrichtig. Das Verwaltungsgericht verkenne offensichtlich die gegenständliche spezifische Konstellation, welche jedenfalls auch auf etliche weitere Fälle Einfluss haben werde. Dem Verwaltungsgericht sei anzulasten, dass es sich mit der potentiellen Gefährdung des Revisionswerbers nicht im ausreichenden Maße auseinandergesetzt habe. Es vermeine offensichtlich, dass die Öffentlichkeit selbstverständlich ein Interesse daran habe die Gefahren, welche mit dem Führen von Schusswaffen einhergingen, zu minimieren und zu beseitigen. Aufgrund dieses öffentlichen Interesses, welches das private Interesse des Revisionswerbers überwiege, sei sein Antrag wohl abgewiesen worden. Konkret habe sich das Verwaltungsgericht jedoch mit den vom Revisionswerber vorgebrachten Umständen nicht auseinandergesetzt und keine entsprechende Interessenabwägung vorgenommen. Die gegenständlich zu klärende Rechtsfrage sei sohin, inwieweit eine konkrete, auf den spezifischen Einzelfall abstellende Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen an der Ausstellung des Waffenpasses sowie den gegenteiligen öffentlichen Interessen vorgenommen werden müsse. Damit liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die außerordentliche Revision zulässig sei.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

8 Gemäß § 21 Abs. 2 erster Satz WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR‑Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und bei denen ‑ soweit es sich nicht um Angehörige der in § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 genannten Berufsgruppen handelt ‑ keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeiliches Staatsschutzgesetz, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2016/5 , begehen werden und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen.

9 Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 ist nach § 22 Abs. 2 WaffG ‑ abgesehen vom Fall der Zugehörigkeit zu bestimmten näher genannten Berufsgruppen ‑ jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.

10 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt dazu in ständiger Rechtsprechung, dass es allein Sache des Waffenpasswerbers ist, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. in diesem Sinne etwa auch VwGH 21.12.2017, Ra 2017/03/0102, mwN).

11 Dass diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall gegeben wären, hat das Verwaltungsgericht fallbezogen verneint. Das Vorliegen eines Bedarfes im genannten Sinn wurde vom Revisionswerber im Laufe des Verfahrens auch nicht behauptet, sondern er führte bereits in seinem verfahrenseinleitenden Antrag aus, sich nicht auf einen Bedarf im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG zu stützen. Dies steht in einem von der Revision nicht aufgeklärten Spannungsverhältnis zum Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich „mit der potentiellen Gefährdung des Revisionswerbers“ nicht im ausreichenden Maße auseinandergesetzt. Der Revision lässt auch nicht einmal ansatzweise erkennen, worin sie die potentielle Gefährdung des Revisionswerbers erblickt.

12 Der Revisionswerber strebte die Ausstellung eines Waffenpasses hauptsächlich mit der Begründung an, es müsse zu seinen Gunsten von der Möglichkeit einer Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 1 zweiter Satz WaffG Gebrauch gemacht werden, die nach der Rechtsansicht des Revisionswerbers nur daran anknüpfe, dass der Antragsteller verlässlich sein müsse, das 21. Lebensjahr vollendet habe und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass er einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeiliches Staatsschutzgesetz begehen werde (all das treffe für den Revisionswerber zu).

13 Damit entfernt sich der Revisionswerber begründungslos von der Rechtslage:

14 Gemäß § 10 WaffG sind bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.

15 Gemäß § 6 der 2. Waffengesetz‑Durchführungsverordnung (2. WaffV) darf die Behörde das ihr in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen nur im Rahmen privater Interessen üben, die einem Bedarf (§ 22 Abs. 2 WaffG) nahekommen.

16 Ausgehend davon ist auch bezüglich der Ermessensbestimmungen ein strenger Maßstab anzulegen, der sich aus dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren ergibt. Dies verlangt konsequenterweise auch eine restriktive Handhabung der Ermessensbestimmung in § 21 Abs. 2 WaffG, sodass eine vom Antragsteller bloß geltend gemachte Zweckmäßigkeit einem Bedarf im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG nicht nahekommen kann und damit im Lichte des § 6 der 2. WaffV dann kein privates Interesse gegeben ist, welches die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigen könnte; das Ermessen darf daher nur im Rahmen privater Interessen ausgeübt werden, die einem Bedarf nahe kommen (vgl. VwGH 7.9.2018, Ra 2020/03/0080, mwN).

17 Im gegenständlichen Fall hat der Revisionswerber private Interessen in diesem Sinne nicht dargetan. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erläuterte er vielmehr, dass es bisher keinerlei Vorfall oder Anlass dahingehend gegeben habe, dass er persönlich gefährdet gewesen wäre und eine Waffe gebraucht hätte, allerdings denke er einfach immer voraus. Er meine damit, dass ja irgendwann doch einmal ein Fall eintreten könnte, wo er zu seinem persönlichen Schutz zu einer mitgeführten Waffe greifen müsse.

18 Eine solcher ‑ abstrakter ‑ Präventionsgedanke begründet aber kein privates Interesse, das eine Ermessenübung zugunsten des Revisionswerbers im Sinne der dargestellten Rechtslage erlaubt hätte. Welche verfassungsrechtlichen Überlegungen nach Auffassung der Revision eine gegenteilige Sichtweise begründen sollten, wird von ihr nicht dargelegt; solche sind auch nicht erkennbar.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. August 2021

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