VwGH Ra 2021/01/0177

VwGHRa 2021/01/017710.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der J X‑Y in U, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. September 2020, Zl. 405‑10/839/1/8‑2020, betreffend Angelegenheiten nach dem Personenstandsgesetz 2013 (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Z), den Beschluss gefasst:

Normen

VerfGG 1953 §87 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010177.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 12. August 2019 berichtigte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Z die Eintragung der Geburt der Revisionswerberin gemäß § 42 Abs. 1 Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden (AdelsaufhebungsG) iVm § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden (Vollzugsanweisung) dahingehend, dass der Familienname der Revisionswerberin „X‑Y“ zu lauten habe.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 18. November 2019 als unbegründet ab.

3 Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 2. März 2020, E 4590/2019, wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden ist, und das Erkenntnis aufgehoben.

4 Begründend führte der VfGH auf das Wesentlichste zusammengefasst aus:

„5.2. ...

Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob ein bestimmter Namenszusatz ‑ wie im vorliegenden Fall ‚zu’ ‑ entweder tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist oder ob der deutschsprachige Namenszusatz auch ohne historischen Adelsbezug der konkreten Namens- oder Familiengeschichte (VfSlg. 20.234/2017) den Eindruck erweckt, für seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes (VfSlg. 19.891/2014). In diesen Fällen ist die Führung des Namenszusatzes nach den genannten (verfassungs‑)gesetzlichen Vorgaben untersagt.

5.3. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg geht, ohne nähere Ermittlungen und ohne nähere Begründung, davon aus, dass der Namensbestandteil ‘zu’ auch losgelöst vom Adelszeichen ‚von’ im Namen der Beschwerdeführerin nach außen den Eindruck erwecken könne, für die Beschwerdeführerin bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes. Für den Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, auf welche Erwägungen und Ermittlungsergebnisse das Landesverwaltungsgericht Salzburg diese Aussage stützt, insbesondere aus welchen Gründen dem Namenszusatz ‚zu’ im maßgeblichen Kontext (vgl. VfSlg. 20.234/2017) eine vergleichbare Bedeutung wie dem Adelszeichen ‚von’ zukommt.

Ob es sich im konkreten Fall beim Namen der Beschwerdeführerin um eine Adelsbezeichnung handelt, die tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist, hat das Landesverwaltungsgericht Salzburg, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, nicht geprüft. Dies wird im fortgesetzten Verfahren allenfalls nachzuholen sein.“

5 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis vom 17. September 2020 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin neuerlich als unbegründet abgewiesen (I.) und die Revision für unzulässig erklärt (II.).

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen (mit näherer Begründung) aus, für den Familiennamen „X zu Y“ bestehe kein historischer Adelsbezug, da es sich um einen Hofnamen handle, der als Familienamen weitergeführt werde.

7 Dagegen sei das Wort „zu“ (als Namensbestandteil des vorliegenden Familiennamens) geeignet, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen.

8 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den VfGH. Mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 3667/2020‑9, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 Begründend führte der VfGH im Wesentlichen aus:

„Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 7 B‑VG, Art. 2 StGG) sowie gemäß Art. 20 GRC und auf Achtung des Privat-und Familienlebens (Art. 8 EMRK und Art. 7 GRC). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer ‑ allenfalls grob ‑ unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der Frage, ob das Landesverwaltungsgericht Salzburg in jeder Hinsicht ordnungsgemäß ermittelt hat, ob der Namenszusatz ‘zu‘ den Eindruck erwecken könne, dass für die Beschwerdeführerin Vorrechte der Geburt oder des Standes bestünden, insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als der Sache nach eine dem Recht auf Privat- und Familienleben und dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Anwendung bzw. die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen angesichts der besonderen Funktion zur Herstellung demokratischer Gleichheit, die dem Gesetz vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden, StGBl. 211/1919 idF BGBI. l 2/2008, zukommt, und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zur ‑ verfassungsrechtlichen ‑ Adelsaufhebung und dem ‑ verhältnismäßigen ‑ Verbot der Führung von Adelszeichen vgl. zB VfSlg. 19.891/2014) und des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. EuGH 22. 12.2010, Rs C‑208/09, Sayn‑Wittgenstein, Slg. 2010, 1‑13693) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“

10 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 30. September 2020, Ra 2019/01/0390, 0391, abgewichen. Weiter fehle Rechtsprechung sowohl des VfGH als auch des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Namensbestandteil „zu“ in den Anwendungsbereich des § 1 AdelsaufhebungsG und des § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung falle.

15 Zu diesem Vorbringen ist im vorliegenden Zusammenhang (das angefochtene Erkenntnis ist im fortgesetzten Verfahren nach VfGH 2.3.2020, E 4590/2019, ergangen) auf § 87 Abs. 2 VfGG hinzuweisen:

16 Gemäß § 87 Abs. 2 VfGG sind, wenn der VfGH einer Beschwerde stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

17 Auf Grundlage der im § 87 Abs. 2 VfGG statuierten Bindungswirkung war das Verwaltungsgericht somit verhalten, im fortgesetzten Verfahren entsprechend der Rechtsanschauung des VfGH vorzugehen. Da § 87 Abs. 2 VfGG kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht einräumt, hat der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die vom Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren erlassene Entscheidung dem gemäß § 87 Abs. 2 VfGG erteilten Auftrag entspricht. Die normative Grundlage für die Überprüfung der angefochtenen Ersatzentscheidung ist somit neben den anzuwendenden Rechtsvorschriften bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Rechtsanschauung des aufhebenden Erkenntnisses des VfGH vor dem Hintergrund des Gebotes der Effektivität des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Bei Prüfung der vom Verwaltungsgericht erlassenen Ersatzentscheidung ist auch der Verwaltungsgerichtshof an die Rechtsauffassung des VfGH gebunden (vgl. etwa VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015, mwN).

18 Im Hinblick auf die angeführte Bindung des Verwaltungsgerichtshofes bei Prüfung der vom Verwaltungsgericht erlassenen Ersatzentscheidung kann das oben angeführten Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darlegen (vgl. zu der vom Verwaltungsgericht erlassenen Ersatzentscheidung die Ablehnung der Beschwerde der Revisionswerberin durch VfGH 23.2.2021, E 3667/2020‑9).

19 Die Revision behauptet in diesem Zusammenhang näher bezeichnete Verfahrensfehler. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. für viele VwGH 3.5.2021, Ra 2021/01/0141, mwN). Vorliegend fehlt eine derart konkrete Relevanzdarstellung in der Zulässigkeitsbegründung.

20 Zuletzt behauptet die Revision zu ihrer Zulässigkeit, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar sei, dass ein minderjähriges Kind einen anderen Namen tragen müsse als Mutter oder Vater. Die Revision regt überdies ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Frage an, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, derzufolge ein Name, der ‑ obgleich nicht adeliger Herkunft ‑ mehrgliedrig sei, geändert (berichtigt) werden könne, wenn dies dazu führe, dass ein minderjähriges Kind einen Namen tragen müsse, den weder seine Mutter noch sein Vater in dieser Form trage.

21 Zu diesem Vorbringen, das einen Eingriff in die Rechte der Revisionswerberin nach Art. 21 AEUV und Art. 7 und 20 GRC behauptet, ist auf die zu diesem Thema bereits ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach welcher für den Verwaltungsgerichtshof nach der eindeutigen Rechtsprechung des EuGH keine vernünftigen Zweifel bestehen, dass die hier anzuwendenden Rechtsgrundlagen mit Art. 21 AEUV und Art. 20 GRC vereinbar sind (vgl. VwGH 28.1.2020, Ra 2019/01/0501-0502, mit Verweis auf das vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtslage des AdelsaufhebungsG, der Vollzugsanweisung und des Personenstandsgesetzes, BGBl. Nr. 60/1983, ergangene Urteil des EuGH vom 22. Dezember 2010, Sayn-Wittgenstein, Rs. C-208/09 ; vgl. insoweit auch VfGH 23.2.2021, E 3667/2020-9).

22 Wenn die Revision darüber hinaus eine Verletzung des Art. 21 AEUV und Art. 7 GRC behauptet und dafür das Urteil des EuGH vom 2. Juni 2016, C‑438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass sich bereits der VfGH mit dieser Rechtsprechung des EuGH in dem in der vorliegenden Rechtssache (aus den oben dargelegten Erwägungen) maßgeblichen Erkenntnis vom 2. März 2020, E 4590/2019, auseinandergesetzt hat. So führt der VfGH in diesem Erkenntnis unter anderem aus:

„Bei dieser Beurteilung kommt es darauf an, ob der in Rede stehende Name (Namensbestandteil oder -zusatz) geeignet ist, in den Beziehungen der Menschen untereinander das Bestehen solcher Vorrechte zum Ausdruck zu bringen, wobei die objektive Wahrnehmung derjenigen, die das Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 B‑VG vor einer Ungleichbehandlung auf Grund von Vorrechten der Geburt oder des Standes schützen will, maßgeblich ist (vgl. auch EuGH 2.6.2016, Rs C-438/14 , Bogendorff von Wolffersdorff, Rz 79: ‘[...] Adelsbezeichnungen oder ‑bestandteile, die glauben machen könnten, dass der Träger des Namens einen entsprechenden Rang inne habe [...]’).“

23 Im Übrigen hat auch der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Rechtsprechung des EuGH festgehalten, dass der EuGH eine Beschränkung der durch Art. 21 AEUV eingeräumten Freiheiten unter Berufung auf die öffentliche Ordnung als gerechtfertigt und die Maßnahme als verhältnismäßig erachtet hat (vgl. VwGH 2.12.2020, Ra 2019/22/0060, 0061, Rn. 8, mwN).

24 Aus diesen Erwägungen war auch der oben angeführten Anregung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den (EuGH) zu stellen, nicht näher zu treten.

25 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Juni 2021

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