Normen
AVG §39 Abs2
AVG §8
GSpG 1989 §53
GSpG 1989 §53 Abs3
GSpG 1989 §54
GSpG 1989 §54 Abs2
VwGVG 2014 §31
VwGVG 2014 §7
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170094.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 28. November 2018 ordnete die Landespolizeidirektion Wien u.a. gegenüber der mitbeteiligten Partei die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz ‑ GSpG und die Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von 13 näher bezeichneten Glücksspielgeräten und sonstigen Eingriffsgegenständen sowie die Beschlagnahme des in den Kassenladen enthaltenen Bargeldes an.
2 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei „vorsichtshalber“ Beschwerde und brachte darin vor, dass diese ihres Erachtens mangels Parteistellung zurückzuweisen wäre. Die mitbeteiligte Partei habe nämlich das Lokal (Anmerkung: Ort der vorläufigen Beschlagnahme) an die N Kft untervermietet. Aus advokatorischer Vorsicht werde die Feststellung bekämpft, dass es sich (bei den beschlagnahmten Geräten) um Glücksspielgeräte handle. Sie beantrage, das Verwaltungsgericht möge den Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufheben.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Spruches des vor ihm bekämpften Beschlagnahme‑ und Einziehungsbescheides lediglich aus:
5 „In der dagegen gerichteten Beschwerde wurde vorgebracht, das Rechtsmittel werde nur aus advokatorischer Vorsicht zur Vermeidung allfälliger zivilrechtlicher, gegen die Beschwerdeführerin gerichteter Ansprüche erhoben. Die Beschwerdeführerin sei weder Inhaberin noch Eigentümerin der beschlagnahmten und eingezogenen Gegenstände, weshalb ihr in diesem Verfahren keine Parteistellung zukomme. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie vorbringt, sie „will keine Parteistellung haben und hat das Verwaltungsgericht daher auch nicht zu prüfen“, ob ihr eine solche zukomme. Sie beantrage, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
7 Der Amtsrevisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, der angefochtene Beschluss verstoße gegen jene näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher die Frage der Parteistellung in amtswegigen Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu klären sei. Das Verwaltungsgericht habe sich in seinem Beschluss lediglich auf „das auf zwei Sätze verkürzte Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Partei gestützt“, ohne von Amts wegen die notwendigen Ermittlungen zur Beurteilung ihrer Parteistellung durchzuführen. Indem es keine einzige Feststellung getroffen und sich auch nicht mit den maßgeblichen Rechtsfragen auseinandergesetzt habe, sei das Verwaltungsgericht auch seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.
9 Aus § 53 Abs. 3 GSpG ergibt sich, dass Parteien im Beschlagnahmeverfahren der Veranstalter, der Inhaber und der Eigentümer beschlagnahmter Gegenstände sind. Diesen Personen kommt daher auch das Recht zu, Rechtsmittel gegen einen Beschlagnahmebescheid zu erheben (vgl. etwa VwGH 29.4.2019, Ra 2017/17/0967, mwN).
10 Gemäß § 54 Abs. 2 GSpG ist der Einziehungsbescheid all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen. Der Einziehungsbescheid kann von diesen Personen mit Beschwerde angefochten werden (vgl. VwGH 11.9.2015, Ro 2015/17/0001, mit näheren Ausführungen).
11 Die Zustellung eines Bescheides an eine Person macht diese noch nicht zu einer Partei des Verfahrens, wenn die Voraussetzungen für die Parteistellung objektiv nicht gegeben sind (vgl. VwGH 30.5.2018, Ra 2018/09/0035, 0036). Eine von einer solchen Person dagegen erhobene Beschwerde wäre in einem solchen Fall trotz Zustellung des Bescheides zurückzuweisen.
12 Wie in der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision zutreffend ausgeführt wird, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im amtswegigen Verwaltungsverfahren nicht Sache einer Partei, die Voraussetzungen ihrer Parteistellung unter Beweis zu stellen. Vielmehr ist der Behörde ‑ und auch dem Verwaltungsgericht ‑ die Obliegenheit auferlegt, von Amts wegen in die Prüfung der Frage einzutreten, ob ein sich am Verfahren beteiligendes Rechtssubjekt Parteistellung genießt oder nicht (vgl. VwGH 21.2.2020, Ra 2019/17/0070, mwN).
13 Im Revisionsfall hat es das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss verabsäumt, eigene Ermittlungen zur Frage der Parteistellung der mitbeteiligten Partei im vorliegenden Beschlagnahme‑ und Einziehungsverfahren anzustellen und auf deren Grundlage Feststellungen zu dieser Frage zu treffen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die mitbeteiligte Partei bereits im Beschlagnahme‑ und Einziehungsbescheid als „Inhaberin/Betreiberin gem. § 53 Abs3 GSpG und Berechtigte gem. § 54 Abs2 GSpG“ der verfahrensgegenständlichen beschlagnahmten Gegenstände bezeichnet wurde und die belangte Behörde daher bereits in diesem Bescheid davon ausging, dass die mitbeteiligte Partei tatsächliche Lokalbetreiberin und Geräteinhaberin gewesen sei, hätte sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei zur Frage ihrer Parteistellung begnügen dürfen. Vielmehr hätte es zu dieser Frage eine mündliche Verhandlung durchzuführen und auf der Grundlage geeigneter amtswegiger Ermittlungen in freier Beweiswürdigung nachvollziehbare Feststellungen dazu zu treffen gehabt. Eine Dispositionsmöglichkeit in einem Verwaltungsverfahren über die Parteistellung kommt jedenfalls nur in jenen Fällen in Betracht, in denen es das Gesetz den Parteien überlässt, die Tätigkeit einer Behörde in Anspruch zu nehmen. Dies ist in dem (dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden) von Amts wegen durchgeführten Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren nach dem GSpG nicht der Fall (vgl. wieder VwGH 21.2.2020, Ra 2019/17/0070, mwN).
14 Indem das Verwaltungsgericht im Revisionsfall die Beschwerdezurückweisung allein auf die Angaben der mitbeteiligten Partei gründete und sowohl die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als auch die für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen unterließ, hat es die dargelegte Rechtslage verkannt. Dadurch belastete das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
15 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 31. März 2021
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