VwGH Ra 2020/13/0089

VwGHRa 2020/13/008923.4.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision (nunmehr) des Finanzamts für Großbetriebe, 1000 Wien, Postfach 251, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. August 2020, Zl. RV/7106560/2019, betreffend Rückzahlung Abzugsteuer (§ 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988) (mitbeteiligte Partei: E Limited in C, Vereinigtes Königreich, vertreten durch die WT Steuerberatung GmbH in 5310 Mondsee, Franz Kreutzberger‑Straße 6), zu Recht erkannt:

Normen

DBAbk Großbritannien 1970
DBAbk Großbritannien 1970 Art7 Abs1
DBAbk-EntlastungsV 2005 §5 Abs1 Z4
DBAbk-EntlastungsV 2005 §5 Abs3
EStG 1988 §102 Abs2 Z1
EStG 1988 §70 Abs2
EStG 1988 §98
EStG 1988 §98 Abs1 Z3
EStG 1988 §98 Abs1 Z4
EStG 1988 §99
EStG 1988 §99 Abs1
EStG 1988 §99 Abs1 Z5
EStG 1988 §99 Abs2 Z1
EStG 1988 §99 Abs2 Z2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130089.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, die im Vereinigten Königreich ansässige E Limited, beantragte die Rückzahlung von Abzugsteuer. In einem Begleitschreiben führte der steuerliche Vertreter aus, die Mitbeteiligte habe im Rahmen einer Personalgestellung qualifizierte Produktionstechniker an die P GmbH in Österreich entsandt. Der österreichische Kunde habe die Abzugsteuer vom gesamten Rechnungsbetrag einbehalten und abgeführt, was nicht abkommenskonform sei. Der Anteil, welcher nicht auf die Löhne und Gehälter entfalle, sei zurückzuerstatten; dies betreffe den Gewinn der Mitbeteiligten, Gemeinkosten sowie Kostenersatz für die Unterbringung des Personals.

2 Mit Bescheid vom 18. Oktober 2018 wies das Finanzamt diesen Antrag ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Österreich komme das Besteuerungsrecht an Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen zu. Eine Rückzahlung der gesamten Steuerabzugsbeträge setze den Nachweis der lohnsteuerlichen Erfassung der in Österreich steuerpflichtigen Arbeitslöhne voraus. Finde durch den Arbeitskräfteüberlasser kein freiwilliger Lohnsteuerabzug statt, könne die Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 nur betreffend den unter Art. 7 DBA‑UK fallenden Teil der Gestellungsvergütung rückgezahlt werden. An Abzugsteuer seien ca. 140.000 € abgeführt worden. Anhand der vorgelegten Unterlagen habe das Finanzamt eine Lohnsteuer in Höhe von ca. 172.000 € berechnet. Da die Lohnsteuer höher sei als die bezahlte Abzugsteuer, werde diese nicht erstattet.

3 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. September 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In Beilagen zur Beschwerdevorentscheidung legte das Finanzamt die Berechnung der Steuer auf die Löhne dar.

5 Die mitbeteiligte Partei beantragte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Dazu führte die mitbeteiligte Partei ergänzend aus, das Finanzamt versage mit der von ihm gewählten Berechnungsmethode gedanklich die Möglichkeit der Veranlagung der lohnsteuerpflichtigen Einkünfte, in welcher die Werbungskosten (u.a. Sozialversicherungsbeiträge) zu berücksichtigen wären. Unter Anwendung des Jahressteuertarifes würde eine deutlich geringere Steuerbelastung resultieren, auch wenn eine Hinzurechnung nach § 102 Abs. 3 EStG 1988 erfolge. Die überlassenen Arbeitskräfte würden nicht das vom Finanzamt dargestellte Besteuerungsniveau erreichen, einige Mitarbeiter blieben gänzlich steuerfrei. Die damit ermittelte fiktive Einkommensteuer würde deutlich unter dem Betrag der Quellensteuer liegen, sodass dem Rückerstattungsantrag stattzugeben wäre.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt und sprach aus, zu Unrecht einbehaltene Quellensteuer sei im beantragten Betrag von 42.006,96 € zurückzuzahlen. Es sprach weiters aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe dem österreichischen Auftraggeber für Personalgestellungen im Zeitraum 10/2015 bis 10/2016 eine Gestellungsvergütung von insgesamt 777.147,47 € verrechnet. Dieses Gestellungsentgelt habe sich aus zwei vereinbarten Komponenten zusammengesetzt: der geleisteten Arbeitszeit der überlassenen Arbeitskräfte, wofür dem Gestellungsnehmer pro Arbeitsstunde 34 € verrechnet worden seien; und der Weiterverrechnung der Unterkunftskosten für die Leiharbeitnehmer am Einsatzort. Im Antragszeitraum seien an geleisteter Arbeitszeit 659.636 € und an Unterkunftskosten 117.511 € von der Mitbeteiligten in Rechnung gestellt worden. Der Gestellungsnehmer habe von beiden Entgeltteilen die Abzugsteuer von 20 % gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 einbehalten (insgesamt 155.542 €). Das übrige Gestellungsentgelt sei der Mitbeteiligten ausgezahlt worden.

8 Die Leiharbeitnehmer hätten von der Mitbeteiligten für die Tätigkeit beim österreichischen Gestellungsnehmer einen Stundenlohn von 29 € (2015) bzw. 29,25 € (2016) erhalten.

9 Die Mitbeteiligte begehre für 4,75 € pro verrechneter Arbeitsstunde und für die weiterverrechneten Unterkunftskosten die Rückerstattung der auch davon gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 erhobenen Abzugsteuer, weil diese Bestandteile der Gestellungsvergütung keine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nach dem DBA‑UK seien und Österreich daran kein finales Besteuerungsrecht habe.

10 Die Mitbeteiligte sei zivilrechtliche Arbeitgeberin der beim österreichischen Gestellungsnehmer eingesetzten Leasingarbeitnehmer. Es sei unbestritten, dass die Mitbeteiligte im Antragszeitraum keine Einrichtung in der Art einer Betriebsstätte in Österreich unterhalten habe. Das habe zur Folge, dass auch keine Lohnsteuerpflicht für die Bezugszahlungen der Mitbeteiligten an ihre Leasingarbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Einsatz in Österreich bestanden habe.

11 Auf Grund des bei der Anwendung des Doppelbesteuerungsrechts vertretenen wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriffs seien diese Lohnzahlungen an die Leasingarbeitnehmer für ihre Tätigkeit beim österreichischen Gestellungsnehmer zwar als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einkommensteuerpflichtig, aber nicht lohnsteuerpflichtig. Was nicht auf Grund gesetzlicher Normierung lohnsteuerpflichtig sei, könne auch nicht „freiwillig“ als Lohnsteuerzahlung behandelt werden; es würde sich um eine rechtsgrundlose Leistung handeln.

12 Jedoch sehe § 5 Abs. 3 der DBA‑Entlastungsverordnung und der dazu ergangene Durchführungserlass des Bundesministers vor, dass bei der internationalen Arbeitskräfteüberlassung eine Freistellung der Gestellungsvergütung von der Quellensteuer gemäß § 99 Abs. 1 EStG 1988 mit Bescheid des Finanzamtes unter der Voraussetzung und Auflage zu erfolgen habe, dass eine vollständige lohnsteuerliche Behandlung der im Inland steuerpflichtigen nichtselbständigen Einkünfte der Leiharbeitskräfte sichergestellt sei.

13 Nach der Verwaltungspraxis werde die Sicherstellung einer Lohnsteuer von den nichtselbständigen Einkünften der beschränkt steuerpflichtigen Leiharbeitskräfte auch in jenen Fällen verlangt, in denen das ausländische Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen in Österreich keine Betriebsstätte unterhalte. In diesen Fällen einer fehlenden gesetzlichen Lohnsteuerpflicht nach §§ 47 ff EStG 1988 spreche die Verwaltungspraxis von einer „freiwilligen Steuer auf Löhne“. Ausgehend von dieser „freiwilligen Steuer auf Löhne“ für die Erlangung eines Freistellungsbescheides sei das Finanzamt zu folgender Rechtsauffassung gelangt: Aus Gründen der Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei auch im Rückerstattungsverfahren betreffend Abzugsteuer nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 zu ermitteln, wie hoch diese freiwillige Lohnsteuer von den in Österreich einkommensteuerpflichtigen Bezügen der Leiharbeitskräfte sei. Die einbehaltene Abzugsteuer sei nur insoweit zu erstatten, als sie höher sei als die errechnete Lohnsteuer. Das gelte auch bei Fehlen einer inländischen Betriebsstätte, weil im Falle eines Freistellungsbescheides nach der DBA‑Entlastungsverordnung eine Steuer auf Löhne freiwillig zu leisten wäre. Da im Falle einer freiwilligen Lohnversteuerung der nichtselbständigen Einkünfte der Leiharbeitskräfte aus ihrer Tätigkeit in Österreich in sinngemäßer Anwendung der lohnsteuerrechtlichen Bestimmungen des EStG 1988 laut Berechnung des Finanzamts mindestens 172.000 € an Steuerzahlungen zu leisten gewesen wäre, verbleibe für eine Rückzahlung der einbehaltenen Abzugsteuer kein Überhang. Der Umstand, dass nach der unbestrittenen Sachverhaltsdarstellung der in der Gestellungsvergütung enthaltene Gemeinkosten‑ und Gewinnaufschlag von insgesamt 92.523 € und die weiterverrechneten Nächtigungskosten der Leasingarbeitnehmer nicht unter den Tatbestand des „Art. 14“ DBA‑UK (gemeint: Art. 15 des hier noch anzuwendenden Abkommens BGBl. Nr. 390/1970) fielen, sei nach Ansicht des Finanzamts ohne Relevanz, weil mit der Abzugsteuer auch die Lohnsteuer oder freiwillige Steuer auf Löhne im Sinne des § 5 DBA‑Entlastungsverordnung sichergestellt werde.

14 Der Einwand der Mitbeteiligten, dass diese vom Finanzamt berechnete Lohnsteuer eine fiktive Einkommensteuer sei, sei zutreffend. Da die Mitbeteiligte im Antragszeitraum keine Betriebsstätte in Österreich unterhalten habe, habe für die an ihre Leasingarbeitnehmer geleisteten Bezüge für deren Tätigkeit in Österreich keine Lohnsteuerpflicht bestanden. Für eine Gegenverrechnung einer fiktiven Lohnsteuer fehle daher eine gesetzliche Grundlage.

15 Die Ablehnung des Rückzahlungsantrages aus dem Grund, dass der Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 eine höhere Lohnsteuer auf die nichtselbständigen Einkünfte der Leiharbeitnehmer gegenüberstehe, sei somit nicht rechtmäßig.

16 Die Mitbeteiligte sei eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft, die im Inland keine Betriebsstätte habe. Das Besteuerungsrecht am Unternehmensgewinn der Mitbeteiligten stehe nach Art. 7 DBA‑UK dem Ansässigkeitsstaat Großbritannien zu. Die Parteienerklärung, dass von der nach Stundensätzen abgerechneten Gestellungsvergütung von 34 € pro Stunde 29,25 € als Stundenlohn an die eingesetzten Leasingarbeitnehmer bezahlt worden sei und der Restbetrag von 4,75 € zur Deckung der Gemeinkosten und als Gewinnaufschlag diene, sei plausibel. Gegen ihre Richtigkeit sei auch vom Finanzamt kein Einwand erhoben worden.

17 Bei insgesamt verrechneten rund 19.400 Arbeitsstunden ergebe sich somit ein in der Gestellungsvergütung enthaltener Gemeinkosten‑ und Gewinnanteil von 92.523,39 €. Da dieser Teil der Gestellungsvergütung von der Mitbeteiligten nicht an die Leiharbeitskräfte als Bezug ausbezahlt worden sei, könnten insoweit auch mittelbar keine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit vorliegen. Dieser Teil der Gestellungsvergütung gehe in die Gewinnermittlung der Mitbeteiligten ein und sei gemäß Art. 7 DBA‑UK in Großbritannien zu versteuern. Der Republik Österreich stehe daher zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung an diesem Teil der Gestellungsvergütung kein finales Besteuerungsrecht zu.

18 Das in § 98 Abs. 1 Z 3 und § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 normierte Besteuerungsrecht werde im Anwendungsbereich des Art. 7 DBA‑UK der Republik Österreich entzogen. Eine von diesem Teil der Gestellungsvergütung eingehobene Quellensteuer diene lediglich der Sicherung eines möglicherweise bestehenden Abgabenanspruches und sei, wenn ein solcher nicht gegeben sei, im Erstattungsverfahren daher zurückzuzahlen.

19 Die Mitbeteiligte habe im Antragszeitraum Nächtigungskosten von insgesamt 117.511 € an Leiharbeitnehmer ersetzt; sie habe diese Unterkunftskosten dem Gestellungsnehmer weiterverrechnet. Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 seien die von der Mitbeteiligten ihren Leiharbeitnehmern bezahlten Unterkunftskosten am Einsatzort keine steuerbaren Einkünfte. Die Nächtigungskosten fielen daher gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA‑UK iVm § 26 Z 4 EStG 1988 nicht unter die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nach „Art. 14“ DBA‑UK. Da somit auch dieser Teil der Gestellungsvergütung nicht dem in Österreich einkommensteuerpflichtigen Arbeitslohn der Leiharbeitnehmer zuzurechnen sei, bestehe insoweit kein finales Besteuerungsrecht. Auch die davon erhobene Abzugsteuer sei zurückzuzahlen.

20 Es lägen zu Unrecht erhobene Abgaben nach § 240 Abs. 3 BAO vor. Da Österreich an diesen Einkünften der Mitbeteiligten kein Besteuerungsrecht zustehe, sei auch eine Anrechnung dieser Abzugsteuern im Wege eines Veranlagungsverfahrens ausgeschlossen. Die zu Unrecht einbehaltenen Abgaben seien daher nach § 240 Abs. 3 BAO zurückzuzahlen.

21 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, die Revision hänge von der Lösung der Rechtsfrage ab, ob der Teil der einbehaltenen Abzugsteuer, welcher auf die Unterkunftskosten, die Lohnnebenkosten, Gemeinkosten und die Gewinnkomponente des Gestellungsentgelts entfalle, jedenfalls zu erstatten sei, oder ob dieser Teil der Abzugsteuer mit der Steuer auf Löhne aufgerechnet werden dürfe, wenn diese betragsmäßig höher sei als die auf die Lohnkomponente des Gestellungsentgelts entfallende Abzugsteuer. Zu dieser Frage, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe, liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

22 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein; die mitbeteiligte Partei brachte eine Revisionsbeantwortung ein.

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

24 Die Revision ist zulässig und begründet.

25 Die Mitbeteiligte ist (im Verfahren unbestritten) eine Körperschaft, die im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz hat. Sie ist daher (nur) mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 1 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988). Gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 erstreckt sich die Steuerpflicht bei beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 nur auf Einkünfte im Sinne des § 98 EStG 1988.

26 Unbestritten ist überdies, dass die von der Mitbeteiligten gestellten Arbeitnehmer im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben; die Steuerpflicht dieser Arbeitnehmer erstreckt sich daher nach § 1 Abs. 3 EStG 1988 nur auf die im § 98 EStG 1988 genannten Einkünfte.

27 Nach § 98 Abs. 1 EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht u.a. folgende Einkünfte: Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird; Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung sind aber auch dann steuerpflichtig, wenn keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter im Inland bestellt ist (Z 3); Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist; eine Erfassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach dieser Ziffer hat aber zu unterbleiben, wenn die Einkünfte wirtschaftlich bereits nach Z 3 erfasst wurden (Z 4).

28 Nach § 99 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger u.a. bei Einkünften aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung (Z 5) durch Steuerabzug erhoben (Abzugsteuer). Nach § 99 Abs. 2 EStG 1988 unterliegt der volle Betrag der Einnahmen (Betriebseinnahmen) der Abzugsteuer (Z 1). Mit den Einnahmen (Betriebseinnahmen) unmittelbar zusammenhängende Ausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) können vom vollen Betrag der Einnahmen (Betriebseinnahmen) abgezogen werden, wenn sie ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässiger beschränkt Steuerpflichtiger vor dem Zufließen der Einkünfte dem Schuldner der Einkünfte schriftlich mitgeteilt hat. Ist der Empfänger der als Ausgaben geltend gemachten Beträge beschränkt steuerpflichtig und übersteigen die Ausgaben beim Empfänger den Betrag von 2.000 €, ist ein Abzug vom vollen Betrag der Einnahmen nicht zulässig, wenn die steuerliche Erfassung beim Empfänger zur inländischen Besteuerung nicht ausreichend sichergestellt ist (Z 2).

29 Die Abzugsteuer beträgt gemäß § 100 Abs. 1 EStG 1988 im Allgemeinen 20 %, in den Fällen des § 99 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 beträgt die Abzugsteuer 25 %. Schuldner der Abzugsteuer ist nach § 100 Abs. 2 EStG 1988 der Empfänger der Einkünfte gemäß § 99 Abs. 1 EStG 1988. Der Schuldner dieser Einkünfte haftet für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99 EStG 1988.

30 Nach § 70 Abs. 1 EStG 1988 sind Arbeitnehmer, bei denen die Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 3 und 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 vorliegen, beschränkt lohnsteuerpflichtig. § 70 Abs. 2 EStG 1988 regelt die Berechnung der Lohnsteuer.

31 Nach § 47 Abs. 1 EStG 1988 (in der hier anwendbaren Fassung vor BGBl. I Nr. 91/2019, vgl. § 124b Z 346 EStG 1988) wird die Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte des Arbeitgebers besteht.

32 Zur Einkommensteuer zu veranlagen sind nach § 102 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 u.a. über Antrag des beschränkt Steuerpflichtigen lohnsteuerpflichtige Einkünfte oder Einkünfte, von denen eine Lohnsteuer nach § 70 Abs. 2 EStG 1988 oder eine „Abzugssteuer“ nach § 99 Abs. 1 (u.a.) Z 5 EStG 1988 zu erheben ist.

33 Nach § 24 Abs. 2 KStG 1988 gilt die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten, außer es ergibt sich aus den Vorschriften des EStG 1988, dass eine Veranlagung zu erfolgen hat.

34 Nach Art. 7 Abs. 1 des (hier noch anzuwendenden; vgl. nunmehr BGBl. III Nr. 32/2019) Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen, BGBl. Nr. 390/1970, dürfen Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit in dieser Weise aus, so dürfen die Gewinne des Unternehmens in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.

35 Die Steuerabzugstatbestände des § 99 Abs. 1 EStG 1988 stellen eine besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer dar und setzen daher eine Steuerpflicht nach § 98 EStG 1988 voraus (vgl. VwGH 20.2.1997, 95/15/0135, VwSlg. 7164/F). Zweck der Abzugsteuer ist die Vereinfachung der Besteuerung und die Sicherstellung des Steueranspruchs (vgl. Ludwig in Doralt et al., § 99 EStG15, Tz 1).

36 Der Abzugsteuer unterliegt grundsätzlich der volle Betrag der Betriebseinnahmen (§ 99 Abs. 2 Z 1 EStG 1988; Bruttoabzugsbesteuerung). Eine Nettoabzugsbesteuerung ‑ Besteuerung der Betriebseinnahmen abzüglich der damit unmittelbar zusammenhängenden Betriebsausgaben ‑ ist nur unter näher genannten Voraussetzungen zulässig (§ 99 Abs. 2 Z 2 EStG 1988). Diese Nettoabzugsbesteuerung wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl. I Nr. 24, eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (43 BlgNR 23. GP  22) wurde hiezu u.a. ausgeführt:

„In einem System der Bruttoabzugsbesteuerung wirken sich Aufwendungen nicht steuermindernd aus; dies gilt auch für jene Aufwendungen, die bei den Empfängern beschränkt steuerpflichtige Einkünfte darstellen, also zB für die Gagen, die ein ausländisches Theater an die ausländischen Künstler bezahlt. Infolge einer wirtschaftlichen Miterfassung solcher an die beschränkt steuerpflichtigen Künstler gezahlten Einkünfte bei der Bruttoabzugsbesteuerung des Theaters unterblieb bisher eine gesonderte Erfassung der solcherart bereits pauschal mitbesteuerten ausländischen Künstler (analoge Anwendung des in § 98 Abs. 1 Z 4 verankerten Grundsatzes des Gebotes der Unterlassung einer solchen nationalen Doppelbesteuerung). Werden aber durch einen Übergang zur Nettoabzugsbesteuerung solche Aufwendungen aus der Abzugssteuerpflicht künftig ausgeschieden, dann lebt damit die Steuerpflicht der beschränkt steuerpflichtigen Künstler auf. Die Neuregelung soll daher vorkehren, dass der Abzug von Aufwendungen an in Österreich der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Empfänger nur dann zugelassen wird, wenn die steuerliche Erfassung der Empfänger zur beschränkten Steuerpflicht sichergestellt wird. Die Durchführung dieser Regelung wird im Verwaltungsweg erfolgen.“

37 Die Abzugsbesteuerung nach § 99 EStG 1988 dient sohin nach der Absicht des Gesetzgebers nicht nur der Sicherstellung der Abgaben des (ersten) beschränkt steuerpflichtigen Empfängers der Einkünfte, sondern auch der Sicherstellung der Abgaben jener beschränkt Steuerpflichtigen, die wiederum von diesem (ersten) Empfänger der Einkünfte Leistungen erhalten (vgl. auch Waser, SWI 2017, 85 ff [89]: Einkünfteempfänger der zweiten Ebene). Wenn auch im Hinblick auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988) eine Abzugsbesteuerung nach § 99 EStG 1988 nicht vorgesehen ist (sondern allenfalls ein Lohnsteuerabzug nach § 70 Abs. 2 EStG 1988), so dient die Abzugsteuer nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 bei Gestellung von Arbeitskräften auch der Sicherstellung der Steuerpflicht der Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer. Die gesonderte Erfassung dieser Einkünfte hat nach § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 (nur dann) zu unterbleiben, wenn sie wirtschaftlich bereits nach § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 erfasst wurden.

38 Für eine Entlastung vom Steuerabzug stehen grundsätzlich drei Verfahren zur Verfügung (vgl. z.B. Jakom/Marschner EStG, 2020, § 99 Rz 42): eine Entlastung an der Quelle; eine Entlastung im Wege der Veranlagung; oder eine Entlastung im Wege eines Rückerstattungsverfahrens.

39 Eine Entlastung an der Quelle (Unterbleiben der Abfuhr der Abzugsteuer) im Hinblick auf Doppelbesteuerungsabkommen kann nur nach Maßgabe der DBA‑Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005 (idF BGBl. II Nr. 44/2006) erfolgen (vgl. VwGH 26.2.2013, 2009/15/0175, VwSlg. 8788/F). Betreffend Vergütungen für die Gestellung von Arbeitskräften würde eine Entlastung an der Quelle insbesondere einen entsprechenden Bescheid voraussetzen (§ 5 Abs. 1 Z 4 und Abs. 3 DBA‑Entlastungsverordnung), der hier nicht vorliegt. Eine derartige Entlastung an der Quelle ist auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

40 Eine Anrechnung der durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge im Rahmen der Veranlagung kommt nur insoweit in Betracht, als die Abzugsteuern eine Vorentrichtung der Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) darstellen. Wird im Hinblick auf ein Doppelbesteuerungsabkommen für die betroffenen Einkünfte keine Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) geschuldet, kann eine derartige Anrechnung nicht erfolgen (vgl. VwGH 22.4.1998, 98/13/0018, VwSlg. 7277/F).

41 Wenn auch nach § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung auch dann steuerpflichtig sind, wenn keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird (vgl. VwGH 17.7.2019, Ro 2017/13/0007), so dürfen aber nach Art. 7 Abs. 1 DBA‑UK Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt (vgl. ‑ zur Einschränkung des Besteuerungsrechts durch Doppelbesteuerungsabkommen ‑ VwGH 25.9.2001, 99/14/0217, VwSlg. 7652/F; vgl. auch VwGH 23.1.2013, 2009/15/0174, VwSlg. 8778/F).

42 Da die im Vereinigten Königreich ansässige Mitbeteiligte in Österreich unbestritten keine Betriebsstätte unterhält, scheidet eine Besteuerung der Einkünfte der Mitbeteiligten aus der Gestellung von Arbeitskräften in Österreich aus. Insoweit ‑ für die Besteuerung der Einkünfte der Mitbeteiligten ‑ ist es daher im Übrigen auch nicht relevant, in welcher Höhe Betriebsausgaben zu berücksichtigen wären.

43 Wurde im Rahmen einer grenzüberschreitenden Arbeitskräftegestellung ein Lohnsteuerabzug vorgenommen und darauf basierend eine Entlastung von der Abzugsbesteuerung an der Quelle vorgenommen (nach § 5 Abs. 3 der DBA‑Entlastungsverordnung), so kann eine Korrektur dieses Lohnsteuerabzugs nur im Rahmen einer Veranlagung durch den einzelnen Arbeitnehmer erfolgen. Eine Rückzahlung an den Arbeitskräftegesteller kommt in einem derartigen Fall schon mangels Besteuerung des Gestellungsentgelts (insoweit Entlastung an der Quelle) nicht in Frage.

44 Erfolgt hingegen ‑ wie hier ‑ eine Abzugsbesteuerung nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, so dient diese Abzugsbesteuerung ‑ wie bereits dargelegt ‑ auch der Sicherstellung der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der gestellten Arbeitnehmer. Eine Rückerstattung des einbehaltenen Betrages setzt damit voraus, dass dieser Sicherstellungszweck weggefallen ist. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Einkünfte dieser Arbeitnehmer ‑ trotz Abzugsbesteuerung (etwa mangels Erlangung eines Bescheides nach der DBA‑Entlastungsverordnung) ‑ einem (freiwilligen) Lohnsteuerabzug unterworfen worden wären oder die auf die Einkünfte der gestellten Arbeitnehmer entfallenden Abgaben in anderer Weise (etwa im Veranlagungsweg) entrichtet oder sichergestellt worden wären. Im Rahmen eines Rückerstattungsverfahrens ist allerdings (anders als vom Finanzamt vorgenommen) eine (fiktive) Lohnsteuer ‑ mangels Lohnsteuerpflicht ‑ nicht zu ermitteln. Es ist vielmehr ‑ wie von der Mitbeteiligten bereits im Vorlageantrag geltend gemacht ‑ (fiktiv) die Steuer dieser Arbeitnehmer nach allgemeinen Grundsätzen (entsprechend einer Jahresveranlagung) zu ermitteln. Im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens liegt es an der mitbeteiligten Partei, insbesondere die mit den Einkünften der Arbeitnehmer in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Werbungskosten (§ 102 Abs. 2 Z 1 EStG 1988) darzulegen. Eine Rückerstattung wird (nur) in dem Umfang zu gewähren sein, in dem die Abzugsteuer diese fiktiv zu ermittelnden Abgaben der Arbeitnehmer überschreitet.

45 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 23. April 2021

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