VwGH Ra 2020/05/0179

VwGHRa 2020/05/017930.4.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 13. Juli 2020, LVwG‑2019/44/1152‑6, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Reutte; mitbeteiligte Partei: C W in P, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §60
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050179.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 18. März 2019 erkannte die belangte Behörde den Mitbeteiligten der Übertretung des § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) für schuldig, weil er es als Inhaber eines näher bezeichneten Unternehmens zu verantworten habe, an einem näher bezeichneten Ort am 11. April 2018 (Zeitpunkt des Lokalaugenscheins) eine Behandlungsanlage (zumindest teilweise) errichtet und betrieben zu haben, ohne im Besitz der nach § 37 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung gewesen zu sein. Mit Eingabe vom 18. April 2018 sei um die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Abfallzwischenlagers inklusive Abfallbehandlung an dem näher bezeichneten Ort angesucht worden. Die belangte Behörde verhängte über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe in der Höhe von € 4.200,‑ ‑ (und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und zehn Stunden).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung und im Straferkenntnis erschöpfe sich im Wesentlichen in einer Wiedergabe der übertretenen Norm. Eine nähere Konkretisierung und Individualisierung der Tat finde sich nicht. Es fehle jegliche Umschreibung um beurteilen zu können, um welche Art von Betriebsanlage es sich gehandelt habe und welchen Bewilligungstatbestand sie allenfalls erfüllt haben sollte. Anhand des Straferkenntnisses könne nicht beurteilt werden, ob im Tatzeitpunkt am Tatort eine nach § 37 AWG 2002 bewilligungspflichtige Behandlungsanlage errichtet und betrieben worden sei.

4 Um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG zu genügen, wäre es erforderlich gewesen, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtete und betriebene genehmigungspflichtige Betriebsanlage genau zu umschreiben (Hinweis auf VwGH 27.6.2007, 2006/04/0131). Aus dem Umstand, dass der Mitbeteiligte nach dem Tatzeitpunkt für den Tatort einen Bewilligungsantrag für eine ortsfeste Behandlungsanlage gestellt habe, könne nicht zwingend auf den Betrieb einer derartigen Anlage im Tatzeitpunkt geschlossen werden. Die Behandlungsanlage könnte nämlich, wie vom Mitbeteiligten behauptet, zunächst als mobile Behandlungsanlage iSd § 52 AWG 2002 betrieben und erst später auf den ortsfesten Betrieb umgestellt worden sein. Ohne nähere Konkretisierung der Tat könne auch nicht festgestellt werden, ob es sich allenfalls um eine gewerberechtliche Behandlungsanlage zur ausschließlichen stofflichen Verwertung bzw. zur Vorbehandlung von nicht gefährlichen Abfällen gehandelt habe, die von der Bewilligungspflicht nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 ausgenommen sei. Das Verwaltungsgericht könne einen fehlerhaften Abspruch nur richtigstellen oder ergänzen, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt worden sei. Gegenüber dem Mitbeteiligten sei jedoch keine Verfolgungshandlung gesetzt worden, die die relevanten Sachverhaltselemente für eine Bestrafung nach § 37 iVm § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 umfasst habe. Das Straferkenntnis sei daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Amtsrevision erweist sich als nicht zulässig:

10 Nach ständiger hg. Judikatur sind maßgebliche Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat ‑ und der Frage, ob eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde (vgl. etwa VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0075, mwN) ‑ die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung. § 44a Z 1 VStG ist ‑ unter Rechtsschutzüberlegungen ‑ dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0305; 7.8.2019, Ra 2019/06/0121, jeweils mwN).

11 Ausgehend von dieser Zielrichtung des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z 1 VStG sind die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse von Delikt zu Delikt und nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen, wobei eine derartige ‑ notwendigerweise einzelfallbezogene ‑ Beurteilung im Regelfall nicht revisibel ist (vgl. wiederum VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0305, sowie etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2017/11/0301, jeweils mwN).

12 Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, der Tatvorwurf erschöpfe sich im Wesentlichen in einer Wiedergabe der übertretenen Norm; eine nähere Konkretisierung und Individualisierung der Tat finde sich nicht. Damit fehle jegliche Umschreibung um beurteilen zu können, um welche Art von Betriebsanlage es sich gehandelt habe und welchen Bewilligungstatbestand sie allenfalls erfüllt habe.

13 Dass die Tatumschreibung Rückschlüsse auf die Art der betriebenen Anlage zulassen muss, ist schon vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht zitierten Judikatur (Hinweis auf VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0054), wonach das bloße Ablagern von Abfällen ohne eine Einrichtung für eine besondere Behandlung keine Behandlungsanlage im Sinne des Gesetzes darstelle, nicht als unvertretbar zu erkennen. Soweit die Revisionswerberin diesbezüglich darauf verweist, dass sich aus dem zur abfallrechtlichen Genehmigung eingereichten Projekt, auf das die Behörde in der Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses auch Bezug genommen habe, ergebe, dass die Fläche des Zwischenlagers mittels einer Schotterdecke befestigt und mit einem gleichmäßigen Gefälle von rund 2% hergestellt werden solle, weiters die Versickerung von Niederschlagswasser aus der Fläche des Zwischenlagers in einer Versickerungsmulde vorgesehen sei, sodass von einem bloßen Lagern ohne besondere Einrichtung nicht die Rede sein könne, übersieht sie, dass unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes des § 44a Z 1 VStG die bloße Verweisung auf einen anderen, wenn auch dem Beschuldigten bekannten Text zur Umschreibung des vorgeworfenen Verhaltens in einem Strafverfahren nicht ausreicht; das Verhalten muss vielmehr im Spruch selbst umschrieben sein (vgl. etwa VwGH 19.3.2014, 2013/09/0040). Aus dem Verweis auf den nachträglich gestellten Genehmigungsantrag kann daher nicht auf die ausreichende Konkretisierung des Tatverhaltens geschlossen werden, sodass mit diesem Vorbringen keine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes dargelegt wurde.

14 Das Verwaltungsgericht ging weiters davon aus, die Tatumschreibung müsse insoweit konkretisiert sein, dass auf den Genehmigungstatbestand des § 37 AWG 2002 geschlossen werden könne, gebe es doch auch die Möglichkeit des Betriebes mobiler Behandlungsanlagen nach § 52 AWG 2002 bzw. bewilligungsfreie gewerberechtliche Behandlungsanlagen (gemeint offenbar: nach § 37 Abs. 2 AWG 2002). Dem begegnet die Zulässigkeitsbegründung mit Ausführungen dazu, dass es sich nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beim Brechen und Sieben von Baurestmassen (Aufbereitung von Baurestmassen) nicht um eine stoffliche Verwertung im Sinne des § 37 Abs. 2 Z 1 bzw. § 37 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 handle (Hinweis auf VwGH 28.5.2015, 2012/07/0003), sodass eine genauere Bezeichnung bzw. Beschreibung der eingesetzten Brech‑ und Siebanlage nicht erforderlich sei. Damit übersieht die Revisionswerberin jedoch, dass der Tatumschreibung nicht einmal zu entnehmen war, dass dem Mitbeteiligten die Errichtung und der Betrieb einer Brech- und Siebanlage zur Aufbereitung von Baurestmassen vorgeworfen worden ist. Die Rede war lediglich von einer „Behandlungsanlage“. Es kann dem Verwaltungsgericht daher keine unvertretbare Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, wenn es die diesbezügliche Tatumschreibung als nicht ausreichend konkretisiert erachtete.

15 Dass dem Mitbeteiligten die im Rahmen des durchgeführten Ortsaugenscheins aufgenommenen Lichtbilder vorgehalten wurden, ändert daran nichts, stellt doch der Vorhalt von Fotos alleine ‑ ohne auf das damit belegte Sachverhaltselement hinzuweisen (vgl. VwGH 14.9.2001, 98/02/0190) ‑ keine taugliche Verfolgungshandlung dar.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte