Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §29
VwGVG 2014 §47 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020291.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 20. März 2019 legte die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht dem Revisionswerber als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeugs zur Last, er habe am 10. August 2018 um 17:24 Uhr an einem näher genannten Ort zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, wobei der mittels Videomessung festgestellte zeitliche Abstand zwischen den Fahrzeugen 0,39 Sekunden betragen habe. Er habe dadurch § 18 Abs. 1 StVO übertreten, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2c Z 4 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 180,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt wurde.
2 Das Verwaltungsgericht hielt über die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers eine mündliche Verhandlung ab, an der weder der Revisionswerber noch sein Rechtsvertreter teilnahmen; von einer mündlichen Verkündung der Entscheidung sah das Verwaltungsgericht ab.
3 Das daraufhin gefällte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 10. Juli 2020 hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2020, Ra 2020/02/0182, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil das Verwaltungsgericht nicht ausreichend begründet hatte, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, die Entscheidung mündlich zu verkünden.
4 Im fortgesetzten Verfahren wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wieder ab und nahm neuerlich keine mündliche Verkündung vor.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe die Entscheidung entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (erneut) nicht mündlich verkündet und somit gegen die Bindungswirkung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen. Des Weiteren verletze das angefochtene Erkenntnis den Unmittelbarkeitsgrundsatz, der Spruch sei fehlerhaft, es sei zu Unrecht ein (bereits bezahlter) Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben worden und die Begründung des Erkenntnisses sei in diesem Zusammenhang mangelhaft.
10 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision nicht auf.
11 Nach § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.
12 Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren, Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach‑ oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen. Bedarf die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung) reiflicher Überlegung, so kann das Verwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen, andernfalls belastet die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (VwGH 11.9.2019, Ra 2019/02/0110).
13 Das Verwaltungsgericht hat ein Absehen von der mündlichen Verkündung zu begründen. Eine solche Begründung im Einzelfall ist, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt, nicht revisibel (vgl. VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0182, mwN).
14 Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht begründet, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, das Erkenntnis nach Schluss der Verhandlung sofort zu beschließen und zu verkünden. Dabei verwies es auf die Komplexität der Sach‑bzw. Rechtslage und das neue Vorbringen des Revisionswerbers (betreffend die Strafhöhe sowie eine Verjährungseinwendung).
15 In Hinblick auf den Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes im Einzelfall (vgl. erneut VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0182) erweist sich die Begründung des Verwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung der von ihm zu behandelnden Rechtsfragen als ausreichend und vertretbar.
16 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen die Bindungswirkung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Begründung für das Absehen von der mündlichen Verkündung der im Vorerkenntnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes nachgekommen ist.
17 Mit dem Vorbringen, das Erkenntnis verstoße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und der Strafausspruch sei nicht ausreichend konkretisiert, behauptet die Revision Verfahrensmängel.
18 Verfahrensmängel führen nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, wenn das Verwaltungsgericht bei Vermeidung der Mängel zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber hat daher die Relevanz der Mängel durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 21.6.2019, Ra 2019/02/0119; zur Relevanz bei behaupteter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0547, mwN).
19 In der Revision wird behauptet, das Verwaltungsgericht habe gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen, indem es in der mündlichen Verhandlung im fortgesetzten Verfahren nur darauf hingewiesen habe, dass sämtliche Ermittlungsergebnisse der Rechtsvertretung zugestellt worden seien, ohne sie zu verlesen. Damit wird eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.
20 Zum Vorbringen in der Revision, der Spruch sei fehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht zu § 18 Abs. 1 StVO eine falsche Fundstelle angeführt habe („BGBl. Nr. 159/1960“ statt „BGBl. Nr. 156/1960“), ist darauf hinzuweisen, dass dieser offenbar auf einem Tippfehler beruhende Irrtum jedermann erkennbar ist als Hinweis auf die Stammfassung von § 18 Abs. 1 StVO. Eine Fehlerhaftigkeit des Spruches ist darin nicht zu sehen.
21 Wenn schließlich in der Revision vorgebracht wird, dass der Revisionswerber den Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von € 36,‑ ‑ bereits im ersten Rechtsgang bezahlt habe und in diesem Zusammenhang auch einen Begründungsmangel vermutet, weil ihm erneut ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben wurde, ist dem zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht die Vorschreibung des Verfahrenskostenbeitrags im Einklang mit § 52 VwGVG vorgenommen hat, welcher eine solche Vorgehensweise vorsieht.
22 Gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ist nämlich in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.
23 Hinsichtlich des bereits bezahlten Verfahrenskostenbeitrags ist darauf hinzuweisen, dass mit der Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes durch den Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang jene Rechtslage eingetreten ist, welche zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde bestanden hatte, weshalb keine Verpflichtung (mehr) zur Bezahlung des Verfahrenskostenbeitrags vorlag.
24 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Februar 2021
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