Normen
AVG §58 Abs2
AVG §60
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §29 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170113.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. Juni 2016 wurde die Revisionswerberin als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft wegen zwei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 Glücksspielgesetz ‑ GSpG schuldig erkannt, weil sie gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten habe, dass sich diese Gesellschaft durch entgeltliches Zur‑Verfügung‑Stellen von zwei Glücksspielgeräten als Unternehmer an den in einem näher bezeichneten Lokal veranstalteten verbotenen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt habe. Es wurden über sie zwei Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 29. Jänner 2018 wurde der von der Revisionswerberin dagegen erhobenen Beschwerde insofern Folge gegeben, als die zu verhängenden Geldstrafen sowie die Ersatzfreiheitstrafen herabgesetzt und die Kosten des behördlichen Verfahrens neu bestimmt wurden. Außerdem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
3 Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der von der Revisionswerberin erhobenen Revision mit Erkenntnis vom 25. September 2018, Ra 2018/17/0141, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil das Verwaltungsgericht rechtswidrig von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz‑)Erkenntnis wurde der Beschwerde - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ‑ erneut insofern Folge gegeben, als die zu verhängenden Geldstrafen sowie die Ersatzfreiheitstrafen herabgesetzt und die Kosten des behördlichen Verfahrens neu bestimmt wurden sowie ausgesprochen wurde, dass der Revisionswerberin keine Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Last fielen. Weiters wies das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 1.1. Die vorliegende Revision erweist sich schon im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, es bestehe ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, als zulässig. Die Revision ist insoweit auch begründet.
7 1.2. § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Revisionswerber hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. z.B. VwGH 3.2.2021, Ra 2019/17/0105, mwN).
8 Besteht ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, bei dem es sich nicht bloß um eine terminologische Abweichung, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft, handelt, sondern bei dem die Wahl unterschiedlicher Begriffe vielmehr eine Unterschiedlichkeit in der rechtlichen Wertung durch Subsumtion unter je ein anderes Tatbild zum Ausdruck bringt, führt dies zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit (vgl. wiederum VwGH 3.2.2021, Ra 2019/17/0105, mwN).
9 1.3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt als Täter im Sinne des vierten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person in Betracht, die nicht Veranstalter ist, sondern die sich in Kenntnis von der Veranstaltung von Glücksspielen nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt (vgl. in diesem Sinn VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0406). Es bedarf zur Erfüllung des vierten Tatbildes weder einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Spielern und dem an den Ausspielungen Beteiligten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG, noch einer sonstigen „Ausübungshandlung“ bei der konkreten Durchführung der einzelnen Ausspielung des nach diesem Tatbild zur Verantwortung gezogenen Beteiligten (vgl. etwa VwGH 25.6.2020, Ra 2019/15/0144, mwN).
10 1.4. Im Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde wird der Revisionswerberin vorgeworfen, dass die von ihr vertretene Gesellschaft das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht hätte.
11 Dasselbe gilt auch für das vorliegend angefochtene (Ersatz‑)Erkenntnis, das durch seine in Bezug auf den Schuldspruch abweisende Entscheidung den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit übernommen hat. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses führt das Verwaltungsgericht hingegen aus, die von der Revisionswerberin vertretene Gesellschaft habe „Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen [...]“ auf eigenen Namen und Rechnung sowie auf eigenes Risiko veranstaltet. Die Revisionswerberin habe daher zu verantworten, dass die von ihr vertretene Gesellschaft „eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1[,] erstes Tatbild [,] GSpG begangen“ habe.
12 1.5. Da im Spruch die Verwirklichung des vierten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG vorgeworfen wurde, das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung aber von der Verwirklichung des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG durch die von der Revisionswerberin vertretene Gesellschaft ausging, ergibt sich ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses.
13 Damit ist dem angefochtenen Erkenntnis angesichts dieser unlösbar widersprüchlichen Tatanlastungen nicht unverwechselbar zu entnehmen, welche Tathandlung der Revisionswerberin konkret vorgeworfen wurde und unter welches Tatbild diese Tathandlung nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zu subsumieren wäre. Es entspricht somit nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 und 2 VStG und ist dadurch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
14 2. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Zulässigkeitsvorbringen einzugehen war.
15 3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. März 2021
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