Normen
EheG §55a
EStG 1972 §34 Abs3
EStG 1988 §34
EStG 1988 §34 Abs1
EStG 1988 §34 Abs1 Z2
EStG 1988 §34 Abs3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130027.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber machte in seinen Arbeitnehmerveranlagungen 2012 bis 2016 unter anderem außergewöhnliche Belastungen für Besuchsfahrten zu seinem betreuungsbedürftigen Cousin in Deutschland sowie Unterhaltszahlungen an seine geschiedene Ehegattin geltend. Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen nicht an. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Finanzamt in diesen Punkten mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab.
2 Nach Stellung eines Vorlageantrages und Vorlage an das Bundesfinanzgericht gab dieses den Beschwerden in einem hier nicht relevanten Punkt Folge und wies sie im Übrigen als unbegründet ab.
3 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht aus, freiwillige Zuwendungen an Personen ohne gesetzlichen Unterhaltsanspruch sowie Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen seien gemäß § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 nicht abzugsfähig. Die vom Revisionswerber geltend gemachten Unterhaltsleistungen seien auch keine Mehraufwendungen, die bei der Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Die Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehegattin des Revisionswerbers seien daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
4 Zu den Besuchsfahrten zum Cousin des Revisionswerbers führte das Bundesfinanzgericht aus, die Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 (Außergewöhnlichkeit, Zwangsläufigkeit, Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) müssten gleichzeitig erfüllt sein. Schon das Fehlen einer dieser Voraussetzungen schließe die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus. Eine Belastung erwachse dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Erwachse die Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so müsse bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der rechtlichen oder sittlichen Zwangsläufigkeit aufweisen. Ebenso wie die Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen könne eine solche aus sittlichen Gründen nur im Verhältnis zu anderen Personen erwachsen. Freiwillig getätigte Aufwendungen könnten nach § 34 EStG 1988 ebenso wenig Berücksichtigung finden wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen seien, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens seien, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe. Dem Revisionswerber sei laut vorgelegter notarieller Beurkundung eine Generalvollmacht zur Vertretung des Cousins in allen persönlichen Angelegenheiten, in Vermögens- und sonstigen Rechtsangelegenheiten, sowohl bei „Gerichten, Behörden und Beamten“ als auch gegenüber Privatpersonen und juristischen Personen erteilt worden. Die Entscheidung des Revisionswerbers, die Funktion des ehrenamtlichen Betreuers für seinen Cousin zu übernehmen, sei nachvollziehbar und menschlich verständlich. Das ändere aber nichts daran, dass diese Entscheidung auf ein Handeln des Revisionswerbers aus freien Stücken zurückzuführen sei. Es liege daher keine Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen vor. Zudem sei von der belangten Behörde zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Betreuung nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich unentgeltlich ausgeführt werde. Für Auslagen, welche durch die Wahrnehmung des Amtes als ehrenamtlicher Betreuer entstünden, stehe gemäß § 1835a dBGB eine pauschale Entschädigung in Höhe von € 399 pro Betreuungsjahr zu. Falls die Aufwendungen den Betrag von € 399 überstiegen, könnten anstelle der Pauschale die tatsächlichen Aufwendungen gemäß § 1835 dBGB geltend gemacht werden. Die Aufwendungen müssten detailliert nachgewiesen werden. Bei Fahrten mit dem eigenen PKW würden € 0,30 pro gefahrenen Kilometer erstattet. Fahrten und andere Aufwendungen müssten zur Ausführung der Betreuung notwendig sein. Sei der Betroffene mittellos, würden die Auslagen auf Antrag aus der Landeskasse ersetzt werden. Verfüge der Betroffene über ausreichende Einkünfte oder sei Vermögen vorhanden, könne der Erstattungsbetrag nach Absprache mit dem Betreuungsgericht dem Vermögen des Betroffenen entnommen werden. Aus der dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Bescheinigung des Betreuungsgerichtes sei ersichtlich, dass der Revisionswerber für seine Tätigkeit als Betreuer für seinen Cousin keine Aufwandsentschädigung geltend gemacht habe. Da somit vom Revisionswerber auf die Geltendmachung eines Aufwandsersatzanspruches verzichtet worden sei, seien die geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Betreuung auch aus diesem Grund wegen fehlender Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe die bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu außergewöhnlichen Belastungen unrichtig angewandt. Es bestehe überdies zu der verfahrensgegenständlich wesentlichen Frage, ob als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 auch Fahrtkosten für notwendige Besuche des einzigen Verwandten in Deutschland, bei dem es sich um eine hilfsbedürftige Person handle, geltend gemacht werden könnten, keine Rechtsprechung. Im Revisionsfall lägen außergewöhnliche Umstände vor, weil ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger in Deutschland notwendige und sogar gesetzlich verpflichtende Betreuungsleistungen erbringen müsse. Der Revisionswerber sei der einzige nahe Angehörige seines Cousins, der in Deutschland wohne. Der Mehrzahl der Steuerpflichtigen in Österreich würden keine derart belastenden Fahrtkosten zu einer zu betreuenden Person im Ausland erwachsen, weshalb eine Außergewöhnlichkeit vorliege. Der Cousin könne nicht für seine eigenen Angelegenheiten sorgen. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass einerseits die Besuchsfahrten des Revisionswerbers ausschließlich zum Zweck der Heilung und zur Linderung des Leidens des Cousins getätigt worden seien, andererseits habe der Revisionswerber als Bevollmächtigter immer wieder vor Ort in Deutschland Entscheidungen zu treffen gehabt. Die Besuche seien unbedingt notwendig gewesen, um für eine dauerhafte psychische Stabilisierung des Cousins zu sorgen. Aufgrund der Bestellung des Revisionswerbers durch das zuständige Amtsgericht habe sich der Revisionswerber seinen hieraus entstehenden Verpflichtungen nicht entziehen können. Darüber hinaus bestehe auch eine sittliche Verpflichtung des Revisionswerbers, sich um seinen Cousin zu kümmern, dessen einziger Verwandter und Bezugsperson er sei. Zu den Unterhaltsleistungen an seine geschiedene Ehegattin führt die Revision aus, dass die Unterhaltsleistungen eine außergewöhnliche Belastung für den Revisionswerber darstellten. Die Belastungshöhe sei höher als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwachse. Die Zwangsläufigkeit sei gegeben, weil der Revisionswerber zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei. Sie beeinträchtige auch wesentlich seine Leistungsfähigkeit.
6 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Dieser Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt hinsichtlich der Besuchsfahrten zum Cousin des Revisionswerbers vor, er habe sich aufgrund seiner Bestellung als ehrenamtlicher Betreuer durch das zuständige Amtsgericht den hieraus entstehenden Verpflichtungen nicht entziehen können. Darüber hinaus habe er auch eine sittliche Verpflichtung, sich um seinen Cousin zu kümmern, dessen einziger Verwandter und Bezugsperson er sei.
11 § 34 Abs. 3 EStG 1988 macht den Anspruch auf Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung davon abhängig, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst; dies ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwandes stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen (vgl. VwGH 20.11.2019, Ro 2018/15/0024).
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss bei einer Belastung, die aus der Erfüllung einer Rechtspflicht erwächst, bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen (vgl. VwGH 30.1.2014, 2010/15/0191, VwSlg. 8882/F). Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen zu der Leistung verpflichtet halten kann. Es reicht nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung das Handeln gebieten (vgl. VwGH 31.3.2005, 2001/15/0222; 27.9.1995, 92/15/0214, VwSlg. 7035/F, mwN).
13 Das Bundesfinanzgericht hat die Zwangsläufigkeit zunächst verneint, weil der Revisionswerber die ehrenamtliche Betreuung seines Cousins freiwillig übernommen habe. Dies sei zwar menschlich verständlich, die Aufwendungen seien aber auf ein Handeln des Revisionswerbers aus freien Stücken zurückzuführen. Ob das Bundesfinanzgericht eine zutreffende rechtliche Beurteilung getroffen hat, indem es die sittliche Verpflichtung des Revisionswerbers zur Übernahme der (ehrenamtlichen) Betreuung seines Cousins verneint hat, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Das Bundesfinanzgericht hat sich nämlich auch darauf gestützt, dass keine Zwangsläufigkeit vorliege, weil der Revisionswerber auf den ihm zustehenden Aufwandsersatz verzichtet habe.
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Aufwendungen nur insoweit als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, als sie vom Steuerpflichtigen endgültig aus eigenem getragen werden müssen. Beträge, die der Steuerpflichtige zunächst verausgabt, die ihm aber später ersetzt werden, gelten nicht als Aufwendungen im Sinn des § 34 EStG 1988 (vgl. VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109, VwSlg. 7942/F). Dies kann nicht anders sein, wenn der Steuerpflichtige auf einen ihm zustehenden Aufwandsersatz verzichtet, weil auch in diesem Fall die endgültige Tragung der Aufwendungen auf einen freien Entschluss des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.
15 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang behauptet, dass dem Revisionswerber als ehrenamtlichem Betreuer lediglich ein pauschaler Aufwandsersatz zustehe, verabsäumt sie es darzulegen, wieso § 1835 dBGB für ihn nicht gelten solle. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts steht einem ehrenamtlichen Betreuer ein Ersatz der tatsächlichen Kosten gemäß § 1835 dBGB zu, wenn diese nachgewiesen werden, wobei für Fahrten mit dem PKW € 0,30 pro gefahrenen Kilometer zustünden. Das Bundesfinanzgericht hat sich auf eine Bestätigung des zuständigen Amtsgerichts in Deutschland gestützt, wonach der Revisionswerber keinen Aufwandsersatz beantragt habe. Welche rechtlichen Vorschriften in Deutschland für ehrenamtliche Betreuer entgegen den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts lediglich einen pauschalen Ersatz der Kosten vorsehen, wird vom Revisionswerber nicht dargelegt. Nachdem der Revisionswerber nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts auf die Geltendmachung der ihm zustehenden Aufwandsersätze verzichtet hat, liegt keine Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 EStG 1988 vor. Damit erübrigt sich auch eine Prüfung des Falles am Maßstab der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Judikatur zu den Kosten des Besuchs erkrankter Angehöriger.
16 Wenn der Revisionswerber vorbringt, die Unterhaltszahlungen an seine geschiedene Ehefrau stellten eine außergewöhnliche Belastung dar, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach Aufwendungen, die sich als Folge einer Ehescheidung im Einvernehmen darstellen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 sein können, weil sie in jedem Fall auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Eheteil aus freien Stücken entschlossen haben muss (vgl. VwGH 23.2.2010, 2008/15/0104; 18.2.1999, 98/15/0036, mwN).
17 Die Revision enthält kein Vorbringen, dass es sich bei der Ehescheidung nicht um eine solche im Einvernehmen gehandelt habe und Umstände vorliegen würden, die im konkreten Fall eine Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen begründen könnten. Auch aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich nichts anderes, da der Revisionswerber lediglich eine Vereinbarung mit seiner geschiedenen Ehefrau über die Vorabregelung eines Unterhalts vorgelegt hat.
18 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Februar 2021
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