VwGH Ro 2019/11/0015

VwGHRo 2019/11/001515.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 28. Mai 2019, Zl. LVwG‑680032/18/ZO, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit des KFG 1967 (mitbeteiligte Partei: G W in L, vertreten durch Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
KFG 1967 §134 Abs8
KFG 1967 §98a Abs3
VStG §39
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019110015.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (soweit für die vorliegende Revision von Bedeutung) in Stattgabe der Maßnahmenbeschwerde des Mitbeteiligten die Beschlagnahme des im Fahrzeug des Mitbeteiligten befindlichen „Steuergerätes“ für rechtswidrig erklärt und ausgesprochen, dass die belangte Behörde (nunmehr Revisionswerberin) dieses Gerät dem Mitbeteiligten unverzüglich auszufolgen habe (Spruchpunkt IV.). Unter einem wurde die Revisionswerberin gegenüber dem Mitbeteiligten zum Ersatz des Verfahrensaufwandes verpflichtet (Spruchpunkt VI.).

Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass gegen die genannten Spruchpunkte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht nach durchgeführter mündlicher Verhandlung als entscheidungsrelevanten Sachverhalt (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) fest, am 11. Juli 2018 hätten Polizeibeamte, die der Revisionswerberin zuzurechnen seien, an einer näher bezeichneten Stelle auf der Autobahn A1 erfolglos versucht, die Geschwindigkeit des vom Mitbeteiligten gelenkten Pkw mittels Lasergerätes zu messen, was zum Verdacht geführt habe, dass sich im Kraftfahrzeug des Mitbeteiligten ein sog. „Laserblocker“ befinde. Bei der im Anschluss an die Nachfahrt durchgeführten Fahrzeugkontrolle seien im Kühlergrill des Kraftfahrzeuges zwei Sensoren der Marke „Stinger“ samt vermeintlichen Kabelsträngen und im Fahrzeuginneren ein Steuergerät derselben Marke entdeckt worden, die nach Ansicht der Polizeibeamten als Laserblocker verwendet würden. Daraufhin sei dem Mitbeteiligten die Weiterfahrt mit dem genannten Kraftfahrzeug bis zum Ausbau dieser Geräte untersagt worden. Der Mitbeteiligte habe daraufhin die genannten Teile aus dem Kraftfahrzeug entfernt („herausgerissen“) und das Steuergerät den Polizeibeamten gegen Aushändigung einer Beschlagnahmebescheinigung übergeben.

3 Ein Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die genannten Sensoren samt Steuergerät je nach verwendeter Software als Laserwarner oder Laserblocker verwendet werden können.

4 In der rechtlichen Beurteilung gelangte das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des § 98a KFG 1967 zum Ergebnis, dass für die Beschlagnahme des genannten Steuergerätes (nur auf dessen Beschlagnahme beziehe sich die vorliegende Maßnahmenbeschwerde) die Rechtsgrundlage fehle und damit zur Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme führe.

5 Diese Rechtsansicht erläuterte das Verwaltungsgericht zusammengefasst dahin, dass gemäß § 98a Abs. 1 KFG 1967 in Kraftfahrzeugen das Anbringen und Mitführen von Geräten, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, untersagt sei. Bei Zuwiderhandlung sehe Abs. 3 leg. cit. (im ersten Satz) Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung der Weiterfahrt, bis diese Geräte oder Gegenstände ausgebaut sind, und (im zweiten Satz dieser Bestimmung) den Verfall dieser Geräte oder Gegenstände vor.

6 Die genannte Bestimmung enthalte aber keine Ermächtigung zur Beschlagnahme, sodass diese nur unter den Voraussetzungen des § 39 VStG rechtmäßig sein könne. Gemäß § 39 Abs. 1 VStG sei für die Beschlagnahme durch die Behörde (bzw. gemäß Abs. 2 leg. cit. für die vorläufige Beschlagnahme durch die dort genannten Organe) der Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die der „Verfall von Gegenständen als Strafe“ vorgesehen sei, erforderlich.

7 Im vorliegenden Fall sei daher entscheidungsrelevant, ob der in § 98a Abs. 3 KFG 1967 vorgesehene Verfall „als Strafe“ oder als (bloße) Sicherungsmaßnahme zur Abwehr von Gefahren (administrativrechtlicher Verfall) anzusehen sei (Verweis auf die Judikaturübersicht bei Lewisch/Fister/Weilguny, VStG, zu den §§ 17 und 39).

8 Anhaltspunkte für die Qualifizierung des in § 98a Abs. 3 KFG 1967 vorgesehenen Verfalls als Strafe könnten weder dem Wortlaut dieser Bestimmung noch den zugehörigen Gesetzesmaterialien entnommen werden (auch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Abs. 1 und 3 leg. cit.). Gegen die Einordnung als Strafe spreche außerdem die Systematik, weil der in Rede stehende Verfall in § 98a Abs. 3 KFG 1967 und nicht, wie im Falle einer Strafe zu erwarten, in den Strafbestimmungen des § 134 KFG 1967 geregelt sei (so sei etwa der Verfall bestimmter Manipulationseinrichtungen sehr wohl in Abs. 7 leg. cit. angeordnet). Dieses Ergebnis bestätige auch der Vergleich mit anderen gesetzlichen Bestimmungen (Hinweis auf VwGH 19.11.2009, 2008/07/0137, zu § 35 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, sowie ‑ mit näheren Ausführungen ‑ auf § 52 Abs. 1 WaffG und § 369 GewO 1994).

9 Der in § 98a Abs. 3 KFG 1967 vorgesehene Verfall stelle somit keine Strafe, sondern eine administrative Sicherungsmaßnahme dar, eine Beschlagnahme der in dieser Bestimmung genannten Geräte bzw. Gegenstände könne daher nicht auf § 39 VStG gestützt werden und finde auch sonst keine Rechtsgrundlage.

10 Daher sei die genannte Beschlagnahme für rechtswidrig zu erklären, die Ausfolgung der beschlagnahmten Gegenstände zu verfügen und dem Mitbeteiligten Aufwandersatz gemäß § 35 VwGVG zuzusprechen gewesen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision (bezüglich der in Rede stehenden Spruchpunkte) führte das Verwaltungsgericht aus, es bestehe bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der in § 98a Abs. 3 letzter Satz KFG 1967 normierte Verfall „eine administrative Sicherungsmaßnahme oder eine (Neben)Strafe“ darstelle, und dass von der Beantwortung dieser Frage abhänge, ob eine Beschlagnahme des gegenständlichen Laserblockers unter den weiteren Voraussetzungen des § 39 VStG in Betracht komme.

12 In der dagegen erhobenen (ordentlichen) Amtsrevision, zu welcher der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, wird die Zulässigkeit dieser Revision im Wesentlichen gleichlautend wie in den wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts begründet. Die für die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme entscheidende Rechtsfrage, ob der Verfall gemäß § 98a Abs. 3 letzter Satz KFG 1967 eine administrative Sicherungsmaßnahme oder eine Strafe darstelle, „sei auch nicht klar und eindeutig zu lösen“ (Hinweis auf den systematischen Zusammenhang der letztgenannten Bestimmung „mit dem Verwaltungsstraftatbestand des § 98a Abs. 1 KFG“). Auch hänge von dieser Frage „die Zuständigkeit für den Ausspruch des Verfalls ab“.

13 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

16 Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Dies ist so zu verstehen, dass eine ordentliche Revision zurückzuweisen ist, wenn die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung über das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG, von denen die Behandlung der Revision abhänge, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird und in der ordentlichen Revision unter Zulässigkeitserwägungen keine anderen derartigen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung konkret dargelegt werden (vgl. VwGH 3.7.2020, Ro 2020/11/0009, mit Verweisen auf VwGH 25.2.2020, Ro 2018/11/0012‑0025, und VwGH 15.12.2016, Ro 2016/11/0003).

17 Das Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267, in der zum Zeitpunkt der gegenständlichen Beschlagnahme maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 37/2018 (KFG 1967), lautete auszugsweise:

„Radar- oder Laserblocker

§ 98a. (1) Geräte oder Gegenstände, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, dürfen weder an Kraftfahrzeugen angebracht noch in solchen mitgeführt werden.

(2) Verstöße gegen Abs. 1 sind sowohl dem Lenker als auch dem Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs anzulasten, es sei denn der Lenker hat diese Geräte ohne Wissen des Zulassungsbesitzers im Fahrzeug mitgeführt oder in diesem angebracht.

(3) Werden die in Abs. 1 beschriebenen Geräte oder Gegenstände an oder in Fahrzeugen entdeckt, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung der Weiterfahrt zu setzen, bis diese Geräte oder Gegenstände ausgebaut sind. Diese Geräte oder Gegenstände sind für verfallen zu erklären.

...

§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, (...), zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

...

(6) Kraftstoffe im Sinne des § 11 Abs. 3, die einer Verordnung gemäß § 26a Abs. 2 lit. c nicht entsprechen, sind für verfallen zu erklären, wenn nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann, daß diese Kraftstoffe in ihrer nicht gesetzlichen Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangen.

(7) Wird eine Manipulation an einem Kontrollgerät festgestellt, so sind die Manipulationseinrichtungen für verfallen zu erklären.

...“

18 § 39 VStG in der (zum Zeitpunkt der gegenständlichen Beschlagnahme noch maßgebenden) Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautete auszugsweise:

„Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

(2) Bei Gefahr im Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.

...“

19 Nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und der Amtsrevision liege gegenständlich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, weil durch die Rechtsprechung ungeklärt sei, ob der in § 98a Abs. 3 letzter Satz KFG 1967 angeordnete Verfall eine Strafe oder eine Sicherungsmaßnahme darstellt. Nur bei einer Qualifikation als Strafe hätte die eingangs erwähnte (vorläufige) Beschlagnahme (Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls‑ und Zwangsgewalt) mit § 39 (Abs. 2) VStG begründet werden können.

20 § 39 VStG kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine Verwaltungsvorschrift den Verfall von Gegenständen als Strafe vorsieht (VwGH 19.11.2009, 2008/07/0137 mwN).

21 Zwar hatte sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bislang nicht explizit mit dem Strafcharakter des Verfalls gemäß § 98a Abs. 3 KFG 1967 zu beschäftigen.

22 Dennoch liegt deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, weil die aufgeworfene Frage durch den klaren Wortlaut der 39. KFG‑Novelle, BGBl. I Nr. 134/2020, geklärt ist (vgl. zur Verneinung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung trotz Fehlens einer Rechtsprechung bei eindeutiger Rechtslage VwGH 3.7.2020, Ro 2020/11/0009 mwN). Aufgrund dieser Gesetzesnovelle ist nämlich der den Verfall anordnende letzte Satz des § 98a Abs. 3 KFG 1967 entfallen (Z 21), wobei gleichzeitig eine inhaltlich entsprechende Verfallsanordnung in die Strafbestimmung (als neuer § 134 Abs. 8 KFG 1967) integriert wurde (Z 38). In den Erläuterungen (411 BlgNR XXVII. GP , 6) wird dazu ausgeführt, dass „der Verfall der in § 98a genannten Laser‑ und Radarblocker oder deren Gerätekomponenten (...) ausdrücklich als Strafe normiert“ wird.

23 Bei der Beurteilung, ob einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen (VwGH 30.6.2016, Ro 2014/11/0064 mwN). Zum maßgeblichen Zeitpunkt war im vorliegenden Revisionsfall nach dem Gesagten die Rechtsfrage von (vermeintlich) grundsätzlicher Bedeutung bereits durch eine Gesetzesnovelle geklärt und die revisionsgegenständliche Regelung (Verfallsanordnung des § 98a Abs. 3 KFG 1967) ist bereits außer Kraft getreten, wobei in der Revision auch nicht konkret aufgezeigt wird, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (vgl. auch dazu den genannten Beschluss Ro 2014/11/0064).

24 Im Übrigen geht das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, die Rechtsfrage nach dem Strafcharakter des Verfalls gemäß § 98a Abs. 3 KFG 1967 (idF vor der 39. KFG‑Novelle) sei auch für die „Zuständigkeit für den Ausspruch des Verfalls“ von grundsätzlicher Bedeutung (angesprochen sind offenbar, abhängig von der Straf- oder Sicherungsfunktion des Verfalls, § 27 Abs. 1 VStG bzw. § 3 AVG), an der Sache des Verfahrens vorbei, weil mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht über den Verfall von Gegenständen abgesprochen wurde.

25 Die Revision war daher mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurückzuweisen.

Wien, am 15. Februar 2021

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