VwGH Ra 2019/05/0309

VwGHRa 2019/05/03092.7.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, in der Revisionssache der E G in K, vertreten durch Dr. Bernhard Hofmann, Dr. Peter Kraus, BSc, Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 26. Juli 2019, LVwG‑AV‑341/001‑2018, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde K; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Wr §60 Abs1 lita
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019050309.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Gemeinde K Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde K vom 6. Dezember 2017, mit welchem der Revisionswerberin als Bauwerkseigentümerin der Auftrag zur Entfernung näher bezeichneter baulicher Anlagen (Werkstatt, Holzhaus, Lagerhütte und Verandazubau) erteilt worden war, abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit einer Maßgabe betreffend den Verandazubau bestätigt. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, wann genau die vom Abbruchauftrag betroffenen Objekte (Werkstatt, Holzhaus, Lagerhütte und Verandazubau) errichtet worden seien; der Errichtungszeitpunkt liege aber jedenfalls im Zeitraum zwischen den Jahren 1937 und 2000. Für die Werkstatt, das Holzhaus und die Lagerhütte läge keine baubehördliche Bewilligung vor. Der Verandazubau sei im Jahr 1990 erfolgt; diesbezüglich liege keine Baubewilligung vor. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der Bauordnung 1883, der Bauordnung für Wien, der NÖ Bauordnung 1969 und 1976, der NÖ Bauordnung 1996 und der NÖ Bauordnung 2014 fest, dass sämtliche Bauordnungen im relevanten Zeitraum von 1937 bis 2000 und auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses eine Bewilligungspflicht für die Errichtung der gegenständlichen Bauwerke/Gebäude statuiert hätten. Von einem vermuteten Konsens könne gegenständlich nicht ausgegangen werden, zumal einer solchen Annahme schon die vorliegende Widmungsart „Grünland‑Kleingarten“ und „Grünland‑Ödland“ entgegenstünde. Darüber hinaus könne ein solcher nur dann angenommen werden, wenn davon auszugehen sei, dass die entsprechenden Unterlagen trotz ordnungsgemäß geführter Archive erfahrungsgemäß nicht mehr aufgefunden werden könnten. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen sei der Bauakt vollständig, somit auch eine ordnungsgemäße Archivführung gegeben. Die Revisionswerberin habe nicht dargelegt, auf Grund welcher Anhaltspunkte von einer Unvollständigkeit des Archivs bzw. Bauaktes hätte ausgegangen werden müssen, weshalb keine weitere Erhebungspflicht bestanden habe.

6 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, mit Reichsgesetz vom 1. Oktober 1938 seien Teile des Gerichtsbezirks Klosterneuburg inklusive Teilen von Kritzendorf in die Stadt Wien eingegliedert und für diese Gebiete sei am 13. Februar 1939 die Bauordnung der Stadt Wien in Wirksamkeit gesetzt worden. Auf die Wiener Bauordnung habe sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht berufen. Es fehle „oberstgerichtliche“ Rechtsprechung zur Frage, welche Bauordnung in den Jahren 1938 bis 1954 in Kritzendorf und in Klosterneuburg gegolten habe. Erst dann könne festgestellt werden, ob nach einer bestimmten Bauordnung zum Errichtungszeitpunkt eine Baubewilligung notwendig gewesen sei oder nicht. Weiters bringt die Revisionswerberin vor, es fehle „oberstgerichtlich“ Judikatur zur Frage, ob es einem Gericht gestattet sei, ohne Überprüfung (etwa durch einen Bautechniker) einen solchen ausgedehnten Errichtungszeitraum (zwischen 1937 und 2000) anzunehmen. Dies gehe unbegründet zu Lasten des Gebäudeeigentümers, der sich nicht wehren könne, wenn zu Beginn des angenommenen Zeitraumes keine Baubewilligungspflicht vorgelegen habe, später aber schon. Das Gericht könne sich so einen Errichtungszeitraum aussuchen, in dem Bewilligungspflicht bestanden habe.

7 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weil das Schicksal der Revision nicht von der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen abhängt:

8 So übersieht die Revisionswerberin zunächst, dass das Verwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung ausdrücklich auch § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, zugrunde gelegt hat (siehe S. 16 des angefochtenen Erkenntnisses). Da das Verwaltungsgericht somit die Frage der Baubewilligungspflicht ohnehin auch nach der ‑ wie von der Revisionswerberin geltend gemacht ‑ Bauordnung für Wien geprüft und bejaht hat, kommt der von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Frage keine Relevanz zu. Im Übrigen tritt die Revisionswerberin den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nicht entgegen. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht die Bewilligungspflicht in Bezug auf die vom Abbruchauftrag erfassten Bauwerke zu jedem in Betracht kommenden Zeitpunkt im Zeitraum zwischen 1937 und 2000 bejaht; dass ein außerhalb dieses Zeitraumes liegender Errichtungszeitpunkt in Betracht käme, behauptet die Revisionswerberin nicht, sodass die dazu aufgeworfene Frage fallbezogen nicht relevant ist.

9 Schließlich bringt die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung vor, die Aussage ihres Ehemannes, welcher angegeben habe, dass die gegenständlichen Hütten jedenfalls schon vor 50 Jahren existiert hätten, sei vom Verwaltungsgericht übergangen worden. Es sei nicht lebensnah, dass die Behörde in einer derart kleinen Gemeinde keine Kenntnis von seit über 50 Jahren bestehenden Gebäuden habe. Zudem fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der Verlust von Akten durch die Behörde zu Ungunsten von Personen wirken könne, die behaupten, sie hätten eine Baubewilligung gehabt bzw. die Behörde hätte vom Bau gewusst und dazu geschwiegen.

10 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 27.3.2018, Ra 2017/06/0256, mwN).

11 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (VwGH 18.2.2021, Ra 2021/05/0013 und 0014, mwN). Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis die Vollständigkeit des Bauaktes festgestellt und sich dabei in seiner Beweiswürdigung unter anderem auf die ausdrücklichen Angaben des Ehemannes der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung, wonach keine Baubewilligungen vorhanden seien, und die lückenlose Dokumentation des Bauaktes, in welchem sämtliche Ansuchen und Bescheide seit dem Jahr 1937 auflägen, berufen. Die Revisionswerberin entfernt sich in der Zulässigkeitsbegründung von diesem Sachverhalt, ohne eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Im Übrigen wird in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel (vgl. dazu VwGH 26.8.2020, Ra 2020/05/0125 bis 0127, mwN) nicht dargestellt

12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

13 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 2. Juli 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte