VwGH Ra 2018/06/0210

VwGHRa 2018/06/02101.10.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache 1. des H A und 2. der M A, beide in L und vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Kadagasse 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 20. Juni 2018, LVwG 50.14‑3261/2017‑14, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz, vertreten durch die Hohenberg Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauRallg
VwGVG 2014 §28
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018060210.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 2. Juni 2015 beantragten die revisionswerbenden Parteien die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit acht Wohnungen, verteilt auf drei Vollgeschoße, samt Parkplätzen auf dem in ihrem Eigentum stehenden, am K.‑Weg gelegenen Grundstück Nr. X der KG L.

2 Dieses Bauansuchen wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Leibnitz vom 4. Oktober 2016 mit Verweis auf ein negatives Ortsbildgutachten abgewiesen. Die von den revisionswerbenden Parteien dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leibnitz vom 18. Oktober 2017 abgewiesen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) wurde die von den revisionswerbenden Parteien gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

4 Soweit für die vorliegende Entscheidung wesentlich, verwies das LVwG im Zusammenhang mit der Nichtgenehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens auf die vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz am 30. März 2016 beschlossenen und am 15. April 2016 in Kraft getretenen Änderungen des Ortsbildkonzeptes Leibnitz 2012, die auch das Baugrundstück beträfen. Nach § 7d Abs. 8 lit. a des geänderten Ortsbildkonzeptes grenze der (hier maßgebliche) südliche Teil des K.‑Weges an kleinstrukturierte vorstädtische Wohnbebauung. Zulässig seien nach dieser Bestimmung (in einem näher definierten Abschnitt) maximal zwei Geschoße und ein ausgebautes Dachgeschoß. Entsprechend dem Gutachten des Ortsbildsachverständigen Dipl.‑Ing. J. vom 21. September 2016 entspreche das geplante Bauvorhaben (mit beantragten drei Vollgeschoßen) nicht dem Ortsbildgesetz und dem Ortsbildkonzept. Dr. J. habe in weiterer Folge auch eine ergänzende Stellungnahme vom 4. Mai 2018 abgegeben, in der er unter anderem die erfolgte Grenzziehung zwischen dreigeschoßiger Bebauung im Nordabschnitt und zweigeschoßiger Bebauung im Südabschnitt des K.‑Weges erläutert habe.

5 Verwaltungsbehörden hätten das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden, es sei denn, in Gesetz oder Verordnung enthaltene Übergangsbestimmungen ordneten etwas Anderes an. Dies sei hier nicht der Fall. Es sei daher das Ortsbildkonzept Leibnitz 2012 in der Fassung 2016 anzuwenden, auf den Zeitpunkt der Antragstellung werde nicht abgestellt.

6 Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz habe sein Planungsermessen im Rahmen des Ortsbildkonzeptes ausgeübt, das ‑ weil fachlich fundiert ‑ nicht zu beanstanden sei. Im geänderten Ortsbildkonzept sei ‑ objektiv betrachtet ‑ nicht von einer unsachlichen bzw. willkürlichen Festlegung der Grenzlinie zwischen einer zulässigen drei‑ und zweigeschoßigen Bebauung zu sprechen.

7 Das geltende Ortsbildkonzept lasse die Bebauung des Bauplatzes mit einem Gebäude mit drei Vollgeschoßen nicht zu.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird die Frage gestellt, ob in bereits anhängigen Baubewilligungsverfahren das zum Zeitpunkt der Beantragung der Baubewilligung in Geltung stehende Ortsbildkonzept oder jenes, das zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Baubewilligungsantrag gelte, anzuwenden sei. § 36 der Verordnung, mit den 2016 das Ortsbildkonzept verändert worden sei, bestimme lediglich, dass dieses mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft trete. Eine Bestimmung, inwieweit die Verordnung, mit der das Ortsbildkonzept verändert werde, auf das bereits anhängige Baubewilligungsverfahren anzuwenden sei, enthalte die Verordnung nicht. Wende man auf bereits anhängige, „möglicherweise auch (durch die Baubehörde) verzögerte Baubewilligungsverfahren“ eine während des Verfahrens eintretende Neufassung von Verordnungsnormen (Bestimmungen des Ortsbildkonzeptes) an, hinsichtlich derer die entscheidende Behörde auch Verordnungskompetenz habe, eröffne man der gewillkürten ortsbildrechtlichen Genehmigungsfähigkeit oder ‑unfähigkeit Tür und Tor.

13 Damit wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

14 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Baubehörden im Baubewilligungsverfahren im Allgemeinen jene Rechts‑ und Sachlage maßgeblich ist, die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gegeben ist. Eine andere Betrachtungsweise wäre dann geboten, wenn etwa der Gesetzgeber (hier: Verordnungsgeber) in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz (bzw. die bisher geltende Verordnung) anzuwenden ist. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war (vgl. zum Ganzen VwGH 29.4.2005, 2005/05/0106; 23.6.2010, 2009/06/0007; 21.2.2014, 2013/06/0057 und 0058; 28.2.2018, Fe 2016/06/0001, jeweils mwN; vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 20.3.2003, 2003/06/0044; 19.9.2006, 2005/05/0147; 29.1.2021, Fe 2020/05/0001, jeweils mwN). Eine derartige Sonderregelung besteht im vorliegenden Fall unbestritten nicht.

15 Der Umstand, dass allenfalls eine raschere Entscheidung durch die Baubehörde möglich gewesen wäre (nämlich vor dem Inkrafttreten der Änderung des gegenständlichen Ortsbildkonzeptes), vermag an der dargestellten Rechtslage nichts zu ändern (vgl. dazu erneut VwGH 20.3.2003, 2003/06/0044).

16 Das Fehlen einer Übergangsbestimmung im Zusammenhang mit den im Jahr 2016 in Kraft getretenen Änderungen des Ortsbildkonzeptes Leibnitz 2012 gibt auch keine Veranlassung zu Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht (vgl. VfSlg. 14.044/1995; vgl. ferner VwGH 13.12.2011, 2009/05/0272, und den dort zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22.9.2009, B 1054/09)

17 Auch das Verwaltungsgericht hat ‑ mit den oben für die Verwaltungsbehörden genannten Ausnahmen ‑ seiner Entscheidung die im Zeitpunkt der Erlassung seines Erkenntnisses (oder Beschlusses) geltende Sach‑ und Rechtslage zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 10.6.2021, Ra 2017/06/0106 und 0107, mwN).

18 Gegen die verwaltungsgerichtliche Beurteilung, dass das Bauvorhaben der revisionswerbenden Parteien auf der Grundlage des 2016 geänderten Ortsbildkonzeptes nicht genehmigungsfähig sei, wendet sich die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht.

19 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 1. Oktober 2021

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