Normen
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190002.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 28. Juli 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, dass er im Iran auf Grund seiner Konversion zum Christentum Verfolgung fürchte.
2 Mit Bescheid vom 22. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG sei bei der Beurteilung der behaupteten Konversion von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es das Vorbringen des Revisionswerbers und die in das Verfahren eingebrachten Beweismittel teilweise übergangen und nicht ausreichend bzw. in einer unschlüssigen und unvertretbaren Weise gewürdigt habe. Auch habe das BVwG die Aussagen des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Pastors nur selektiv, mitunter sogar "verdreht und entfremdet" gewürdigt. 8 Damit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0303, mwN).
9 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. erneut VwGH Ra 2019/19/0303, mwN).
10 Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es einen Pastor als Zeugen zum Taufunterricht und zum Glaubensleben des Revisionswerbers einvernommen hat, ausführlich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist dabei auch auf die Teilnahme an Gottesdiensten und Glaubenskursen, die Taufe und den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich eingegangen. Das BVwG ist jedoch mit näherer Begründung zum Ergebnis gekommen, der Revisionswerber habe eine Hinwendung zum Christentum im Iran und eine Konversion aus innerer Überzeugung in Österreich nicht glaubhaft machen können. Die Revision vermag nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre. 11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, im Hinblick auf die Taufe des Revisionswerbers habe das BVwG den Sachverhalt hinsichtlich der Konversion und der Religionszugehörigkeit des Revisionswerbers aktenwidrig angenommen.
12 Insoweit die Revision die Aktenwidrigkeit der Feststellungen behauptet, ist ihr zu entgegnen, dass eine solche nur vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0534, mwN). Eine solche Aktenwidrigkeit legt die Revision, die sich der Sache nach vielmehr gegen die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der behaupteten Konversion des Revisionswerbers wendet, nicht dar.
13 Die Revision behauptet auch, das BVwG habe die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt, weil es nicht erhoben habe, welche Gefahr dem Revisionswerber auf Grund seiner Konversion im Falle der Rückkehr in den Iran drohe.
14 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt, sodass schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0264, mwN). Das BVwG hat festgestellt, dass beim Revisionswerber gerade keine Konversion zum Christentum aus innerem Entschluss vorliege, die innere Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers kein Bestandteil seiner Identität geworden sei, und sich der Revisionswerber im Fall einer Rückkehr in den Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen werde. Aus diesem Grund geht auch der Hinweis der Revision auf ein aktuelles Urteil des EGMR ins Leere, weil dort das nationale Gericht von einer Konversion zum Christentum ausgegangen war (vgl. EGMR 5.11.2019, A.A. gegen Schweiz, 32218/17, Rn 17, 58).
15 Das BVwG setzte sich aber auch mit der möglichen Gefährdung des Revisionswerbers auf Grund seiner religiösen Aktivitäten in Österreich auseinander und kam vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zu dem Ergebnis, dass dem Revisionswerber aus diesem Grund im Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe.
16 Soweit die Revision vorbringt, das BVwG habe es unterlassen, in Hinblick auf die jüngsten Unruhen im Iran aktuelle Länderberichte in das Verfahren einzuführen, macht sie einen Verfahrensmangel geltend.
17 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN). Eine solche Darlegung enthält das Zulassungsvorbringen der Revision nicht. 18 Insoweit sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0304, mwN).
19 Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, das BVwG habe nicht alle Kriterien der Interessenabwägung geprüft und maßgebliche Angaben des Revisionswerbers zu seiner Integration nicht berücksichtigt, nicht auf, dass die Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre. 20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2020
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