Normen
GSpG 1989 §54
VwGVG 2014 §44
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170048.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behördevom 6. Februar 2018 wurde die Einziehung eines näher bezeichneten Eingriffsgegenstandes gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz ‑ GSpG angeordnet.
2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in welcher sie unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ gemäß § 28 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.) und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision ist schon in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen aufgeworfene Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und begründet.
6 Das LVwG begründete das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf § 24 VwGVG dahingehend, dass die Akten erkennen ließen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt jedoch das Verfahren zur Erlassung des Einziehungsbescheides eine „Verwaltungsstrafsache“ dar (vgl. VwGH 22.8.2012, 2011/17/0323), sodass im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war (vgl. z.B. VwGH 30.8.2018, Ra 2017/17/0724).
8 Das Verwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafsachen gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt die mündliche Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Diese Voraussetzungen lagen im Revisionsfall angesichts der Abweisung der Beschwerde durch das LVwG nicht vor. Gemäß § 44 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht in bestimmten Fällen von einer Verhandlung absehen, wenn keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Sofern die Parteien ausdrücklich auf die Durchführung einer Verhandlung verzichten, kann das Verwaltungsgericht davon absehen (§ 44 Abs. 5 VwGVG).
9 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde jedoch ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
10 Da das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis entschieden hat, kommt auch ein Absehen nach § 44 Abs. 4 VwGVG (das voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat) nicht in Betracht (vgl. z.B. VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/0703).
11 Es lagen damit keine der in § 44 VwGVG genannten Voraussetzungen für ein Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor.
12 Das angefochtene Erkenntnis war demnach infolge Verkennung der Rechtslage aufgrund der Anwendung des § 24 Abs. 4 VwGVG und der Unterlassung der gebotenen Durchführung der mündlichen Verhandlung durch das LVwG gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Juli 2020
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