VwGH Ra 2020/14/0269

VwGHRa 2020/14/026930.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in den Revisionssachen 1. des AB, 2. der CD, und 3. des EF, alle in X, alle vertreten durch Dr. Maria Dreher, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Seilergasse 16, diese vertreten durch Dr. Romana Zeh‑Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5/10, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 16. April 2020, 1. G313 2146308‑4/12E, 2. G313 2188297‑2/4E und 3. G313 2213105‑3/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140269.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber ist der Lebensgefährte der Zweitrevisionswerberin. Sie sind die Eltern des Drittrevisionswerbers. Die Revisionswerber sind serbische Staatsangehörige, halten sich seit 2010 in Österreich auf und stellten am 30. Jänner 2018 bzw. 2. Februar 2018 Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstrevisionswerber begründete seinen Antrag damit, dass sein Leben in Serbien in Gefahr sei und er fürchte ‑ wie sein Vater ‑ ermordet zu werden. Er habe den Tod seines Vaters aufklären müssen und sei sehr oft festgenommen worden und habe viel Schutzgeld bezahlen müssen. Die Zweit- und Drittrevisionswerber erstatteten kein eigenes Fluchtvorbringen.

2 Mit Bescheiden vom 18. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge ab, erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerber Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebungen nach Serbien zulässig seien. Die Behörde erließ befristete Einreiseverbote, legte keine Ausreisefristen fest und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

3 Dagegen erhoben die Revisionswerber Beschwerden.

4 Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2019 wurden die Beschwerden gegen die spruchgemäße Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden abgewiesen. Die dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionen wurden mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. August 2019 zurückgewiesen.

5 Mit den angefochtenen Erkenntnissen behob das Bundesverwaltungsgericht ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ die Spruchpunkte hinsichtlich des Einreiseverbotes. Im Übrigen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab und stellte gemäß § 21 Abs. 5 BFA‑VG fest, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme betreffend den Drittrevisionswerber zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig gewesen sei. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die revisionswerbenden Parteien bringen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung nicht die aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geführt worden, weil sich das Gericht nicht anhand aktueller Länderberichte mit der Kritik an den noch immer in Serbien vorherrschenden Verhältnissen und den Fluchtgründen auseinandergesetzt habe. Damit wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht, dessen Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan werden muss (vgl. etwa VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147; 7.7.2020, Ra 2020/20/0231, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen. Es wird nicht konkret ausgeführt, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu anderen Entscheidungen hätten führen können.

10 Gleiches gilt auch für den gerügten Begründungsmangel, dem als weiteren geltend gemachten Verfahrensmangel die angesprochene Relevanzdarstellung ebenfalls fehlt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang sich der Sache nach gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist sie darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.8.2020, Ra 2020/14/0322, mwN). Entgegen den Ausführungen in der Revision hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fluchtvorbringen der Revisionswerber auseinandergesetzt und begründete nachvollziehbar, wie es fallbezogen zu dem Ergebnis gelangte, dass aus dem Fluchtvorbringen keine aktuelle und begründete Furcht vor Verfolgung ableitbar sei. Dass das Bundesverwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

11 Soweit sich die Revisionswerber gegen die im Zusammenhang mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommenen Interessenabwägungen wenden, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist. Die durch das Bundesverwaltungsgericht in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist nur dann vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen, wenn das Bundesverwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.5.2020, Ra 2020/14/0191, mwN). Dass die erfolgten Interessenabwägungen in einer den Leitlinien der hg. Rechtsprechung widersprechenden unvertretbaren Weise gewichtet worden wären, legt die Revision mit dem alleinigen Hinweis auf das Wohlverhalten der Revisionswerber nicht dar.

12 Schließlich moniert die Revision die unterbliebene mündliche Verhandlung. Mit dem abstrakten und nicht fallbezogenen Vorbringen zeigt sie allerdings nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht gemäß § 21 Abs. 7 BFA‑VG abgewichen wäre (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2020

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