VwGH Ra 2020/06/0080

VwGHRa 2020/06/008014.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des Dr. H L in W, vertreten durch die Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 25. April 2019, LVwG 50.4-1676/2018-32, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde St. Stefan ob Stainz; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Stmk 1995 §38
BauG Stmk 1995 §41
BauRallg
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020060080.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (in der Folge: LVwG) wurde - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - der Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. S. vom 13. Juni 2017, mit welchem dem Revisionswerber die Beseitigung eines näher umschriebenen Gebäudeteiles eines Wohnhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück aufgetragen worden war, nach Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie einer mündlichen Verhandlung insofern stattgegeben, als der erste Absatz des Spruches des vor dem LVwG bekämpften Berufungsbescheides vom 13. Juni 2017 dahingehend abgeändert wurde, dass "der Berufung vom 02.12.2014 (...) gemäß § 66 Abs 4 AVG stattgegeben und Spruchpunkt 1. des Beseitigungsauftrages ersatzlos aufgehoben und dem Bürgermeister der Gemeinde St. S(...) als Baubehörde erster Instanz die Fortsetzung des Beseitigungsauftragsverfahrens unter Abstandnahme von der Erlassung eines auf den Zubau beschränkten Beseitigungsauftrags und zur Prüfung der plan- und beschreibungsbemäßen Ausführung auch des übrigen Gebäudes aufgetragen" wurde. Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vor, entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Steiermärkischen Bauordnung 1968 könne eine Benützungsbewilligung ausnahmsweise auch den zugrundeliegenden Baubewilligungsbescheid abändern. Dies treffe dann zu, wenn die Benützungsbewilligung auch Elemente einer Baubewilligung enthalte (Verweis auf VwGH 5.3.1987, 86/06/0262, 16.10.1967, Zl. 438/67, und 14.5.1974, Zl. 121/74). In dem "dieser Revision zugrundeliegenden Benutzungsbewilligungsverfahren aus dem Jahr 1980" sei dies der Fall gewesen; mit Bescheid vom 18. Juli 1980 habe die zuständige Baubehörde eine Benützungsbewilligung für das verfahrensgegenständliche Wohnhaus erteilt, obwohl die in der Baubewilligung vorgeschriebenen Abstände von 3 m zu jeder Anrainergrenze offensichtlich nicht eingehalten worden seien. Das LVwG sei im angefochtenen Erkenntnis im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem Schluss gekommen, dass die vorliegende Benützungsbewilligung keine Elemente einer Baubewilligung enthalte.

6 Mit diesem Vorbringen wird für den Revisionsfall keine Rechtsfrage dargelegt, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.

7 Der Revisionswerber tritt weder der Feststellung im angefochtenen Erkenntnis entgegen, wonach die aufgrund der Baubewilligung vom 20. März 1973 für den Zubau einzuhaltenden Abstände von der nördlichen und der westlichen Grundstücksgrenze jeweils 3 m zu betragen haben, noch bestreitet die Revision die Feststellung des LVwG, dass nach dem dem Verfahren zugrundegelegten Vermessungsplan der nunmehrige tatsächliche Abstand der nordwestlichen Gebäudeecke des Zubaues von der nördlichen Grundgrenze nur 1,24 m sowie von der westlichen Grundgrenze nur 1,25 m beträgt.

8 Vor diesem unbestrittenen Hintergrund stellt sich die Revision in ihren Gründen zur Zulässigkeit jedoch unter Hinweis auf die in Rz 5 genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den rechtlichen Standpunkt, das LVwG habe gegenständlich zu Unrecht die mit Bescheid vom 18. Juli 1980 erteilte Benützungsbewilligung für das in Rede stehende Gebäude nicht auch als Baubewilligung für den gegenüber der Baubewilligung aus 1973 lageverändert errichteten Zubau gewertet und wendet sich damit (bloß) gegen die mit dem angefochtenen Erkenntnis im Ergebnis zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des LVwG, es dürfe im gegenständlichen Fall ein Beseitigungsauftrag erlassen werden. 9 Dem ist zu entgegnen, dass sich aus den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Entscheidungen ein Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableiten lässt und daher in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für den Revisionsfall nicht aufgezeigt wird: Der Verwaltungsgerichtshof traf in den vom Revisionswerber genannten Entscheidungen (dort jeweils im Zusammenhang mit der Frage der Parteistellung von Nachbarn im Benützungsbewilligungsverfahren) zwar die - allgemeine - Aussage, dass ausnahmsweise auch eine baurechtliche Benützungsbewilligung (und zwar in Fällen, in denen die Baubehörde eine Benützungsbewilligung erteilt, obwohl offensichtlich Abweichungen vom Baukonsens vorliegen) Elemente einer Baubewilligung enthalten kann; ein rechtlicher Rückschluss darauf, dass die konkrete, im Revisionsverfahren in Rede stehende Benützungsbewilligung aus dem Jahr 1980 in dieser Weise auszulegen sei, lässt sich daraus jedoch nicht ziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits mehrfach ausgesprochen, dass durch eine Benützungsbewilligung ein bewilligungswidriger Zustand nicht saniert wird und aus einer Benützungsbewilligung auch kein Recht auf Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden kann (vgl. zum Steiermärkischen Baugesetz 1995 z.B. VwGH 19.9.2006, 2005/06/0077, mwN); auch kann sich, wenn in einer Verhandlungsschrift oder einem Benützungsbewilligungsbescheid objektiv unrichtig ausgeführt wird, dass die Ausführung des Bauvorhabens "plangemäß" sei, die Benützungsbewilligung nur auf eine (vermeintliche) plangemäße Ausführung beziehen und kann von einem Bescheidwillen der Behörde, eine vorliegende, durch Auflagen eingeschränkte Befugnis abzuändern, keine Rede sein (vgl. etwa bereits VwGH 22.2.1990, 89/06/0065, 7.9.1993, 91/05/0183, oder, zu einer Benützungsbewilligung nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968, VwGH 17.4.2007, 2003/06/0204).

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Bauordnungswidrigkeiten bzw. Planabweichungen grundsätzlich auch durch eine erteilte Benützungsbewilligung nicht geheilt werden und besteht trotz erteilter Benützungsbewilligung die Möglichkeit, einen baupolizeilichen Auftrag zu erlassen und den Bauwerber aufzufordern, den konsensmäßigen Zustand herzustellen (vgl. VwGH 10.11.1992, 90/05/0033, 23.9.1999, 98/06/0196, oder auch 16.3.2012, 2010/05/0182).

11 Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters zur Rechtslage nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 in ständiger Rechtsprechung erkennt, betrifft die Auslegung eines konkreten Bescheides grundsätzlich nur den Einzelfall und stellt diese nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, wenn vom Verwaltungsgericht diesbezüglich ein unvertretbares und die Rechtssicherheit beeinträchtigendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/06/0313, mwN).

12 Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine derartige Fehlbeurteilung des LVwG hinsichtlich des Benützungsbewilligungsbescheides vom 18. Juli 1980 im Revisionsfall nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Annahme, der allgemeinen, objektiv unrichtigen Ausführung im Benützungsbewilligungsbescheid, dass mit Ausnahme der dort angeführten (im Revisionsfall nicht relevanten) Abweichungen das Wohnhaus "plangemäß errichtet" worden sei, sei kein Bescheidwille der Behörde zu entnehmen, die Baubewilligung für den Zubau aus dem Jahr 1973 abzuändern (vgl. nochmals VwGH 22.2.1990, 89/06/0065, 7.9.1993, 91/05/0183, und 17.4.2007, 2003/06/0204).

13 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 14. April 2020

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