Normen
BauO OÖ 1976 §32 Abs2 idF 1983/082;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
BauO OÖ 1976 §57;
BauO OÖ 1976 §61;
BauONov OÖ 1983;
BauRallg;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2 idF 1983/082;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
BauO OÖ 1976 §57;
BauO OÖ 1976 §61;
BauONov OÖ 1983;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,--, der Erst- sowie der Dritt- und dem Viertmitbeteiligten insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren der Erst-, der Dritt- und des Viertmitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Das Grundstück der Beschwerdeführerin Nr. 99/14, KG B, grenzt an seiner Ostseite an das Grundstück der erst- und zweitmitbeteiligten Nachbarn H. und W., Nr. 111/25, an seiner Nordseite grenzt es an das Grundstück der dritt- und viertmitbeteiligten Nachbarn St., Nr. 99/13. Die früheren Eigentümer der Parzelle 99/14 suchten am 19. Juli 1965 beim Marktgemeindeamt B um Baubewilligung für die Errichtung eines ebenerdigen Wohnhauses an. Dem Ansuchen angeschlossen war ein Lageplan im Maßstab 1 : 500. Dieser Lageplan wies sowohl zur östlichen als auch zur nördlichen Grundstücksgrenze einen Mindestabstand des Bauvorhabens von jeweils 2,50 m auf. Von den zur Bauverhandlung vom 28. Oktober 1965 geladenen oben genannten Nachbarn erschienen die Eigentümer des Grundstückes 99/13, welche das Bauvorhaben zustimmend zur Kenntnis nahmen. Der damalige Eigentümer des Grundstückes 111/25 erschien nicht.
Der der Verhandlung beigezogene Bausachverständige forderte in seinem Gutachten u.a. nachstehende Auflage:
"Das Wohnhaus ist so zu situieren, daß sowohl zur nördlichen als auch zur östlichen Grundgrenze ein Abstand von jeweils 2,00 m verbleibt."
Mit Bescheid vom 12. November 1965 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde den damaligen Bauwerbern die beantragte Baubewilligung. Der Einreichplan erhielt den Genehmigungsvermerk vom selben Tag. Im Bescheid wurde die Vorschreibung aufgenommen, das Wohnhaus sei so zu situieren, daß sowohl zur nördlichen als auch zur östlichen Grundgrenze ein Abstand von jeweils 2,00 m verbleibe. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 16. Juli 1968 gaben die Bauwerber bekannt, daß das mit Bescheid vom 12. November 1965 baupolizeilich bewilligte Wohnhaus fertiggestellt sei und daher kollaudiert werden könne. In der Verhandlung vom 28. August 1968 betreffend die Erteilung der Bewohnungs- und Benützungsbewilligung, zu der keine Nachbarn eingeladen waren, wurde u.a. festgehalten, daß der Bau plangemäß und entsprechend den Bestimmungen der Bauordnung für Oberösterreich ausgeführt wurde.
Mit Bescheid vom 11. September 1968 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde die Bewohnungs- und Benützungsbewilligung. Auch dieser Bescheid, der keinem Nachbarn zugestellt wurde, wurde rechtskräftig.
Am 18. Jänner 1991 suchte die Beschwerdeführerin um die Erteilung einer Baubewilligung für die Aufstockung des bestehenden Wohnhauses auf dem Grundstück 99/14 an. Die Grundeigentümerin erteilte ihre Zustimmung zu diesem Ansuchen. Der mit dem Bauansuchen vorgelegte Einreichplan enthielt einen Lageplan 1 : 500, in welchem die Abstände zur nördlichen und östlichen Grundgrenze nicht kotiert sind. Aus dem Grundrißplan des Erdgeschoßes läßt sich ein mindestens 65 cm breiter Abstand zu einem östlich situierten Lattenzaun und ein mindestens 85 cm breiter Abstand zu einer nördlich situierten Stützmauer entnehmen.
Aufgrund dieses Ansuchens fand am 4. Februar 1991 eine Verhandlung an Ort und Stelle statt, in der u.a. folgendes festgestellt wurde:
"Im Flächenwidmungsplan ist der gegenständliche Bereich als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen. Ein Bebauungsplan besteht für diesen Bereich nicht. ... Die Situierung des Wohnhauses ist so gegeben, daß zur nordseitig bestehenden Grenzstützmauer der Nachbarliegenschaft von der nordwestlichen Hausecke 0,85 m und von der nordöstlichen Gebäudeecke ein Abstand von 2,00 m besteht, zur ostseitigen Grundgrenze beträgt der Abstand an der nordostseitigen Gebäudeecke 0,65 m und an der südostseitigen Grundgrenze 2,00 m. Das Wohnhaus wurde von den Eltern der Bauwerberin seinerzeit errichtet. Bei der damals durchgeführten Bauverhandlung am 28. 10. 1965 wurde laut dem Einreichplan der ausgewiesene Abstand von 2,50 m zu den Grundgrenzen nord- und ostseitig und im Gutachten des Sachverständigen 2,00 m aufgenommen. Im Bescheid vom 12. 11. 1965 wurde ein Abstand von jeweils 2,00 m verlangt. Dieser Abstand wurde laut derzeitigem Wohnhausbestand nicht eingehalten. Die geänderte Situierung wurde im Kollaudierungsverfahren ohne Vormerkungen zur Kenntnis genommen. Die Kollaudierung erfolgte am 28.8. 1968. ..."
Die mitbeteiligten Nachbarn wandten sich bei der Bauverhandlung u.a. gegen die Nichteinhaltung der mit Bescheid vom 12. November 1965 aufgetragenen Abstände zu den Nachbargrenzen; die Nachbarn St. machten auch geltend, daß durch die Aufstockung und den fehlenden Abstand die Schattenbildung vergrößert werde und die Sicht auf den See genommen werde.
Mit Bescheid vom 18. März 1991 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde unter Auflagen die Baubewilligung für die Aufstockung des bestehenden Wohnhauses. Es wurde etwa die Auflage erteilt, daß der Dachvorsprung im Bereich gegen die nordostseitige Grundgrenze so zu verringern sei, daß mit dem äußersten Gebäudeteil (Dachrinne) die Grundgrenze nicht überragt werde. Einwendungen der mitbeteiligten Nachbarn betreffend die Situierung des Altbestandes wurden zurückgewiesen, weil sie sich nicht auf den Gegenstand der Verhandlung vom 4. Februar 1991 bezogen hätten.
Der dagegen erhobenen Berufung der mitbeteiligten Nachbarn gab der Gemeinderat der Gemeinde mit Bescheid vom 21. Juni 1991 u. a. mit der Begründung keine Folge, daß die Nachbarn seinerzeit gegen die nicht plangemäße Situierung des Wohnhauses keine "Beschwerde" bei der Baubehörde erhoben hätten und diese Situierung bei der Kollaudierung zur Kenntnis genommen worden sei. Das bestehende Wohnhaus sei daher als bewilligt anzusehen.
Der gegen diesen Bescheid von dem mitbeteiligten Nachbarn erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge, hob den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde zurück. Im Bescheid vom 12. November 1965 seien die damaligen Bauwerber zur Einhaltung eines Mindestabstandes verpflichtet worden; gleichzeitig sei den angrenzenden Nachbarn aus dieser Entscheidung - unabhängig von der damals geltenden Rechtslage - eine Berechtigung bezüglich des einzuhaltenden Abstandes erwachsen. Die Benützungsbewilligung, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung bildete, könne den Baukonsens nicht abändern. Die Benützungsbewilligung enthalte auch keine Elemente einer Baubewilligung, weil dem Verhandlungsprotokoll vom 28. August 1968 nicht entnommen werden kann, daß diese Abweichung von den zuständigen Organen festgestellt worden wäre. Auf Zubauten, auch wenn sie nur der Höhe nach erfolgen, seien die Abstandsbestimmungen des § 32 Abs. 2 der Bauordnung für Oberösterreich anzuwenden, wenn der Altbestand nicht rechtmäßig ausgeführt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die Erstmitbeteiligte, die Drittmitbeteiligte und der Viertmitbeteiligte eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 3 der Oö Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976 in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 59/1980, 82/1983, 33/1988 und der Kundmachung 68/1988 sowie der Druckfehlerberichtigung LGBl. Nr. 78/1982 (im folgenden: BO) gehören Bestimmungen über Abstände zu Nachbargrenzen zu jenen Bestimmungen, aufgrund derer öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn zu berücksichtigen sind. Während sich die ursprüngliche Fassung des § 32 Abs. 2 der Oö Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, noch auf "Bauvorhaben im Sinne des Abs. 1" bezog und damit die Einhaltung der Abstandsvorschriften auch bei Aufstockungen geboten war, war es Absicht des Gesetzgebers der Novelle LGBl. Nr. 82/1983, auf Mindestabstände bei Aufstockungen zu verzichten, wenn der Altbestand den gesetzlich geforderten Mindestabstand nicht aufwies (siehe den bei Neuhofer-Sapp Oö Baurecht3, 147, wiedergegebenen Ausschußbericht). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung ausgeführt, es sei sachlich gerechtfertigt, bereits bestehende KONSENSMÄßIGE Gebäude, soweit es ihre Aufstockung betrifft, zu begünstigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 88/05/0156). Es ist daher vorrangig die Frage zu prüfen, ob ein konsentierter Altbestand vorliegt oder nicht.
Die im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung vom 12. November 1965 geltende Bauordnung für Oberösterreich LGuVBl. Nr. 15/1875, zuletzt novelliert durch das Gesetz LGBl. Nr. 27/1958 sah keine Abstandsbestimmungen vor (hg. Erkenntnisse vom 26. November 1974, Slg. N.F. 8.713/A, 2. Dezember 1968, Slg. N.F. 7.455/A). Die Beschränkung der Baufreiheit des Eigentümers im bezug auf Seitenabstände konnte im Anwendungsbereich der Oö Bauordnung nur aus einem Bebauungsplan abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1971, Slg. N.F. 7.982/A).
Die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin haben aber mit der Darstellung des Bauvorhabens im Bauplan klargestellt, daß sie zur nördlichen und zur östlichen Grenze einen Abstand von 2,50 m einhalten wollen. Dieser Bauplan wurde mit der Genehmigungsklausel vom Tag der Baubewilligung versehen. Die Vorschreibung im Bescheid, daß der Abstand 2,00 m betragen müsse, mag als bewilligte Abweichung (s. § 7 BO aus 1875) angesehen werden.
Der Baubewilligungsbescheid vom 12. November 1965, der diese Vorschreibung enthielt, erwuchs aber in Rechtskraft. Auch die Bauwerber haben sich nicht gegen die erteilte "Auflage" gewehrt, sodaß es keiner Auseinandersetzung mit der Rechtsgrundlage dieser "Auflage" bedarf. Von der rechtskräftigen Baubewilligung war also ein Gebäude erfaßt, welches von den genannten Grundgrenzen nicht mehr als 2 m entfernt ist.
Daran hat auch die Erteilung der Benützungsbewilligung nichts geändert. Der Umstand, daß eine Benützungsbewilligung erteilt wurde, bedeutet, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (siehe beispielsweise das Erkenntnis vom 24. Oktober 1985, 84/06/0050, BauSlg. Nr. 546), nicht, daß nicht festgestellte Konsenswidrigkeiten als geheilt anzusehen seien. Aus einer Benützungsbewilligung kann kein anderes Recht als das auf Benützung abgeleitet werden.
Die damaligen Bauwerber haben in ihrem Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung vom 16. Juli 1968 nur erklärt, daß das mit Bescheid vom 12. November 1968 bewilligte Wohnhaus fertiggestellt sei und kollaudiert werden könne; ein Antrag auf Bewilligung einer Projektänderung lag somit nicht vor, sodaß für die Baubehörde auch kein Anlaß bestand, die Nachbarn zur Kollaudierungsverhandlung zu laden. Eine Abänderung des Baubewilligungsbescheides durch den Benützungsbewilligungsbescheid ist nur dann denkbar, wenn die Benützungsbewilligung auch Elemente einer Baubewilligung enthält. Das ist dort der Fall, wo die Baubehörde eine Benützungsbewilligung erteilt, obwohl offensichtlich Abweichungen vom Baukonsens vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1987, 86/06/0262, BauSlg. Nr. 875). Wenn in der Verhandlungsschrift objektiv unrichtig protokolliert wurde, daß die Ausführung "plangemäß" sei, dann kann sich die Benützungsbewilligung nur auf die (vermeintliche) plangemäße Ausführung beziehen und kann von einem Bescheidwillen der Behörde, eine vorliegende, durch Auflagen eingeschränkte Befugnis abzuändern, keine Rede sein.
Weder die Untätigkeit der Behörde, noch eine behauptete stillschweigende Zustimmung der Nachbarn konnte die Konsensmäßigkeit bewirken. Die Sanierung der Konsenslosigkeit kann vielmehr allein durch eine nachträgliche Baubewilligung - wenn die gesetzlichen Voraussetzung hierzu vorliegen - im Sinne des § 61 BO erfolgen.
Mangels Vorliegens eines konsentierten Altbestandes kann sich die Beschwerdeführerin, wie eingangs dargetan, auf die Ausnahmeregelung des § 32 Abs. 2 BO für Aufstockungen nicht berufen. Es ist der belangten Behörde daher darin zuzustimmen, daß ein nicht rechtmäßig ausgeführter Baubestand den Bauwerber der nachträglichen Aufstockung nicht in den Genuß der Ausnahmebestimmung des § 32 Abs. 2 BO bringen kann. Eine Baubewilligung für einen Zubau setzt aber einen rechtmäßigen Altbestand voraus (vgl. hg. Erkenntnis vom 1. April 1993, Zl. 91/06/0005).
Da somit dem angefochtenen Bescheid die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG insbesonders § 49 Abs. 6 leg. cit. in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Ersatz der Stempelgebühren wurde nur für die tatsächlich erforderlichen Ausfertigungen zugesprochen.
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